Blick nach Osten: Dresdner Staatsbibliothek kauft tschechische Avantgardesammlung
Die tschechische Avantgarde ist ein Glanzstück der Kunstgeschichte in Tschechien. Der Dresdner Staats- und Universitätsbibliothek ist es nun gelungen, eine umfangreiche Sammlung vom Antiquar John Vloemans zu erwerben. Die Bücher stammen aus den Jahren 1918 bis 1939. Warum diese Kollektion so besonders ist und was nun mit ihr geschieht, verrät Achim Bonte, stellvertretender Generaldirektor der Staatsbibliothek Dresden, im Interview.
„Bei der Sammlung handelt es sich sicherlich um eine der renommiertesten internationalen Kollektionen zum Thema. Sie befindet sich in einen hervorragenden Zustand, wir haben also meistens die Schutzumschläge, außerdem ist die Sammlung vollständig. Für die Zusammenstellung gibt es bereits einen gedruckten Katalog, sie ist also sehr gut erschlossen. Am Ende war auch der Preis passend. Wir sind mit diesem Erwerb rundum zufrieden.“
Was macht die Sammlung besonders?„Es geht weniger um die Inhalte – wobei sehr viele inhaltlich interessante Werke dabei sind –, als um die äußere Form. Wir haben zum Beispiel das Werk von Nezval ‚Abeceda‘, das ist eine relativ bekannte Ausgabe, in der eine Frau das ABC tanzt. Sämtliche der bekanntesten Künstler und deren Werke sind repräsentiert, wie zum Beispiel Sutnar, Teige, Čapek. Die Sammlung bietet einen sehr schönen Überblick über die Avantgardebuchkunst in dieser Zeit in Tschechien, wodurch wir die Spezifik des tschechischen Buchschaffens herausarbeiten können. Unser Anspruch ist nicht nur ein Augenfest zu veranstalten, sondern auch wissenschaftliche Fragen an das Material zu richten.“
Was macht die tschechische Avantgarde aus diesen Zeitraum besonders, unterscheidet sie sich stark von den Werken aus Deutschland?„Ohne Experte zu sein, ist mein Eindruck, dass die tschechische Buch- und Druckkunst besonders experimentierfreudig war. Es gibt unglaubliche Entwürfe, was die Farbe, aber auch die Mischung von formalen, fotografischen und gezeichneten Entwürfen angeht. Im Vergleich zu Deutschland muss gesagt werden, dass die tschechische Avantgarde über 1933 hinausreichte. Sie wurde eigentlich erst durch den deutschen Einmarsch und die Besetzung beendet. Die tschechische Avantgarde war noch sehr lebendig, als in Deutschland neben dem politischen auch der kulturelle Niedergang begann.“
Was macht diese Sammlung so interessant für Ihre Bibliothek?„Die Sammlung an sich war sicher eine gute Kaufgelegenheit, wahrscheinlich für jede größere Bibliothek. Bei uns kommen noch besondere Interessen dazu. Einmal die Tatsache, dass wir als eine der größten Bibliotheken einen besonderen Schwerpunkt im Bereich Kunst und Design haben. Der andere Punkt ist, dass wir als wissenschaftliche Großbibliothek die Einzige sind, die die Lage im Dreiländereck Polen, Tschechien, Deutschland hat. Wir leiten daraus ab, dass unser Blick weniger nach Westen, sondern eher nach Osten gerichtet sein muss.“
In welcher Form wird die Öffentlichkeit Zugang erhalten?„Die Sammlung ist mit Metadaten erschlossen, also bereits katalogisiert. Wir werden sie nun in unsere elektronischen Verzeichnisse einspeisen, dann steht jedes Stück zur Einsicht zur Verfügung. Wir denken auch daran, die Sammlung zu digitalisieren, hier gibt es noch rechtliche Fragen zu prüfen. Perspektivisch hoffen wir, dass wir die Sammlung online präsentieren können und damit internationale Aufmerksamkeit für die Sammlung gewinnen.“