Böhmens Kronjuwelen: Wandel von historischem Artefakt zu Staatssymbol
Jetzt, im 100. Jahr seit der Gründung der Tschechoslowakei, werden der Öffentlichkeit in Tschechien erneut die böhmischen Kronjuwelen präsentiert. Denn ihre Symbolkraft hat im 20. Jahrhundert bedeutend zugenommen.
„Ich habe das Schloss, das zu meinem Schlüssel gehört, schon mehrfach geöffnet. Daher kenne ich schon den gewissen Griff, der zum Öffnen nötig ist.“
Zu Zeiten der ehemaligen Tschechoslowakei und seit der Gründung der Tschechischen Republik vor 25 Jahren wurde die Kronkammer je sieben Mal geöffnet. Für einige Tage oder Wochen bekam die Öffentlichkeit dann die Krone, das Zepter, den Reichsapfel und weitere Insignien der königlichen Macht in Böhmen zu sehen. Und für diesen Zweck wurden die Kronjuwelen auch ursprünglich geschaffen, sagt der Direktor für Denkmalspflege auf der Prager Burg, Petr Kroupa:
„Die Kronjuwelen sind ein Symbol der Monarchie. Die Erste tschechoslowakische Republik war indes die Abkehr davon. Deswegen hat auch niemand in den Kronjuwelen ein nationales Staatssymbol gesehen. Man wollte sie in ein Museum geben, sie wurden dann aber woanders aufbewahrt. Doch ausgestellt wurden sie nie.“Der nationale Bezug zu den Kronjuwelen änderte sich jedoch schlagartig, als die nationalsozialistische Gefahr im Herbst 1938 schon bedrohlich nahe rückte. Die Nation bekam Angst, dass ihr die Deutschen den Schatz stehlen könnten:
„In dieser Kiste wurden die Kronjuwelen in einem Tatra-Auto verstaut und nachts in geheimer Mission nach Žilina in der Slowakei gebracht“,
erläutert Kroupa ein Ausstellungsstück auf der Prager Burg und ergänzt:
„In einer Zweigstelle der Tschechoslowakischen Bank in Žilina war der Schatz nur ein paar Tage. Denn schon kurz darauf wurde das Münchner Abkommen unterzeichnet und jeder wusste, nun wird alles anders. Die Kronjuwelen wurden in einer weiteren Geheimaktion nach Prag zurückgebracht.“Dadurch gelangen sie später jedoch in die Hände der deutschen Besatzer. Und der Reichsprotektor des Protektorats Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, nutzte dies zur Inszenierung einer peinlichen Komödie, so Kroupa:
„Am 19. November 1941 ließ Heydrich die Kronjuwelen aus der Kammer nehmen, bestellte dazu Präsident Emil Hácha ein und ließ ihn in feierlichem Rahmen den Schatz bestaunen. Dabei übergab er ihm einen der sieben Schlüssel mit dem Verweis darauf, dass die Tschechen so auch einen Anteil an der Aufbewahrung der Kronjuwelen hätten. Zu Ende des Zweiten Weltkriegs hat man dann festgestellt, dass die Deutschen drei komplette Serien an Ersatzschlüsseln für die Kronkammer hatten anfertigen lassen.“
Sie schafften es aber – zum Glück – nicht mehr, den Schatz auch mitzunehmen. Er wurde vielmehr im Kellergewölbe des Alten Königspalasts gefunden. Schon bald darauf wurden die Kronjuwelen der Bevölkerung präsentiert. Denn die Sicht auf sie war inzwischen eine andere geworden, sagt Kroupa:„Die Kronjuwelen begannen allmählich mehr zu sein als nur ein historisches Artefakt. Als 1958 der zehnte Jahrestag der kommunistischen Machtübernahme gefeiert wurde, dokumentierten sie bereits die neue Staatsmacht.“
Mittlerweile sind es eher historische Anlässe, zu denen die Kronjuwelen ausgestellt werden. Ab Dienstag sind sie, einschließlich einer Exposition zu ihrer Geschichte, im Vladislav-Saal auf der Prager Burg zu sehen. Der Eintritt ist kostenlos, ohne Vorbestellung können sie bis zum 23. Januar täglich von 10 bis 17 Uhr und am Wochenende sogar schon ab 9 Uhr besichtigt werden.