Böhmerwaldseminar: Literatur und Geschichte im Mittelpunkt
Historische und literarische Vorträge mit nachfolgender Diskussion standen auf dem Programm des jüngsten Böhmerwaldseminars. Der Adalbert-Stifter-Verein aus München hat es am vergangenen Wochenende im südböhmischen Hluboká / Frauenberg veranstaltet. Mit dabei waren rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Tschechien und Deutschland. Radio Prag sprach am Rande des Seminars mit Wolfgang Schwarz vom Adalbert-Stifter-Verein sowie mit einer der Teilnehmerinnen: Michaela Přílepková.
„Im Jahr 2002 in Horní Planá, damals etwas extravagant im Hof des Geburtshauses von Adalbert Stifter. Seitdem haben wir uns kontinuierlich weiterentwickelt und immer andere Orte im Böhmerwald aufgesucht. Wir waren unter anderem in Prachatice, Krumau, vergangenes Jahr in Kašperské Hory oder in Budweis. Dieses Jahr haben wir uns für Hluboká entschieden. Zum einen weil einige von uns sicherlich auch gerne das wunderbare Schwarzenberg-Schloss hier besuchen möchten. Zum anderen aber auch, weil wir bewusst wieder einmal an einen anderen Ort gehen wollten als direkt im tiefen Böhmerwald.“
Das Thema war erstens der 70. Jahrestag des Kriegsendes, und am zweiten Tag waren es mehr literarische Themen. Wie stellen Sie das Programm normalerweise zusammen?
„Die Programmideen kommen eigentlich durch ganz spontane Eingebungen zustande, aber auch durch aktuelle Buchveröffentlichungen, wie im Falle von Jiří Padevět, der mit dem Band ‚Krvavé finále‘ ein sehr beachtenswertes Buch über das Kriegsende vorgelegt hat. Zum anderen bieten Zeitungsbeiträge Anregungen, auch Radio Prag ist in diesem Zusammenhang eine wichtige Inspiration, durch den Hinweis auf weitere Forschungen und Publikationen. Es ist also eine Mischung aus Inspirationen, auch durch Jahrestage und Jubiläen. Beeinflusst ist es natürlich auch immer durch den Ort, an dem das Seminar stattfindet.“Ein etwas neueres Thema war die Vertreibung in der tschechoslowakischen und der tschechischen Literatur. In wie weit beschäftigen sich die tschechischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller damit?
„Festzustellen ist, dass es doch in den letzten Jahren mit Schriftstellerinnen wir Kateřina Tučková oder Radka Denemarková Autorinnen gegeben hat, die sich verstärkt diesem Thema gewidmet haben. Die tschechische Literatur und das Thema hat im Vergleich zu den 40 Jahren Kommunismus, in denen natürlich sehr wenig über die Vertreibung gesprochen wurde, einen gewissen Aufschwung erfahren und genießt jetzt auch ein größeres Interesse in der Öffentlichkeit.“Mehrere der Teilnehmer fanden den Vortrag über Rainer Maria Rilke beeindruckend, vor allem die Informationen über seine Familie. Waren diese Fakten auch für Sie neu?
„Ganz sicher. Ich muss sagen, dass mich der Vortrag von Milan Tvrdík ebenfalls sehr beeindruckt hat. Die Familiengeschichte von Rainer Maria Rilke ist nur in Teilen bekannt. Man weiß, dass er eine eher unglückliche Jugend hatte. Dass er aber eben auch außerhalb von Prag eine gewisse Beziehung zu bestimmten Plätzen in Böhmen hatte, das ist sicherlich auch eine Neuigkeit. Wir haben unter anderem erfahren, dass er sogar zum Böhmerwald eine gewisse Beziehung hatte. Rainer Maria Rilke ist sicherlich ein Schriftsteller gewesen, der heute einen sehr starken Einfluss auch auf die Symbolik der deutsch-tschechischen Verständigung ausüben sollte. Ich hoffe, dass dieser Einfluss auch noch stärker wird.“Frau Přílepková, nehmen Sie zum ersten Mal an diesem Seminar teil, oder waren Sie schon früher dabei? Was war der Anlass für Ihre Teilnahme?
„Ich bin zum ersten Mal zu einem Böhmerwaldseminar gekommen. Ich habe zwar gewusst, dass es den Adalbert-Stifter-Verein und die Böhmerwaldseminare gibt, aber das diesjährige Programm war der Grund, warum ich am Seminar teilnehme. Ich stamme aus Hluboká und habe noch einen weiteren eher privaten Grund für die Teilnahme: Meine Familie stammt aus der Umgebung von Budweis, es war eine deutsch-tschechische Familie. Einer der Referenten sprach hier über die Vertreibung der Sudetendeutschen aus Budweis. Ich wollte mich mit diesem Thema auseinandersetzen, weil es sich auch um die Geschichte meiner Familie handelt.“
Arbeiten Sie selbst im Bereich Geschichte oder Kultur?„Ja, schon. Ich war im Bereich der tschechisch-deutschen Zusammenarbeit tätig, ich war Mitglied des tschechisch-deutschen Jugendrates für Austausch beim Bildungsministerium. Ich bin Kulturhistorikerin von Beruf. Da stehen mir die Themen des Seminars nahe. Ich meine, dass das Programm eine gute Mischung von Themen bot und dass es hier eine sehr offene Diskussion mit verschiedenen Experten gab.“
Welcher der Vorträge hat Sie am tiefsten beeindruckt?