Böhmischer König - deutscher Bischof: Ein kraftvolles Tandem, das Geschichte machte
Im neuen Kapitel aus der tschechischen Geschichte werden Sie sich in eine weit entfernte Zeit zurückversetzen. Durch interessante Ausführungen von Prof. Ernst Erich Metzner von der Goethe-Universität in Frankfurt, Historiker und Sprachwissenschaftler, können Sie zwei herausragende Persönlichkeiten kennen lernen, die nicht nur eine politische, sondern auch eine kulturelle Symbiose in der tschechisch-deutschen Koexistenz darstellen. Ein kurzes, aber bedeutendes Kapitel aus der tschechisch-deutschen Geschichte präsentiert Jitka Mladkova.
"Otokar II. - eine ganz mächtige Gestalt, und der Bruno war sein Berater. Was der eine gemacht hat, ist in irgendeiner Weise von dem anderen angeregt worden oder umgekehrt."
Eine einfache Definition der beiden von Prof. Metzner. Hier zunächst noch ein paar Eckdaten: König Otokar II., der aus dem Hause der Premysliden stammte, bestieg den böhmischen Thron im Jahr 1253, in die Geschichte ist er unter dem etwas klischeehaft klingenden Namen "Eiserner und Silberner König" eingegangen. Beide Attribute haben aber eine reale Grundlage: Otokar, ein König von europäischem Format, führte seine Länder in der Tat mit "eiserner" Hand. Sein Kernland Böhmen erlebte eine Blütezeit, in der u.a. auch die Förderung von Silber einen Aufschwung erlebte. Sein Vertrauter Bruno aus dem deutschen Grafengeschlecht Schaumburg und Holstein, zuvor Domherr zu Magdeburg und Domprobst zu Lübeck und Hamburg, wurde von Papst Innozenz IV. 1241 als Bischof nach Olmütz berufen. Die beiden kannten sich zunächst nicht. Brunos Amtsantritt ging jedoch, wie es schon oft in der Vergangenheit und eigentlich bis hin in die heutigen Tage bei der Postenbesetzung vorkommt, ein Zwist voraus. Denn im mittelalterlichen Europa hatten ja bekanntlich zwei Oberhäupter das Sagen - der Papst und der Kaiser. Professor Metzner:
"Das mittelalterliche Reich war eine Kommunikationsgemeinschaft. Der Papst mischte sich überall ein und der deutsche Kaiser konnte sich aber auch überall einmischen. Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen Papst und Kaiser. Weil es der Papst auf einen Affront gegen den staufischen Kaiser angelegt hatte, versuchte er die Bistümer Prag und Olmütz mit seine Leuten zu besetzen."Letzten Endes hat sich der Papst mit seinem Kandidaten Bruno für den Bischofsposten im mährischen Olmütz durchgesetzt. Das lief jedoch nicht reibungslos ab, denn es waren noch andere Kandidaten im Spiel. Die Gründe des Papstes für Brunos Wahl lagen auf der Hand: Er war aus politischen Gründen eine begehrte Person:
"Er war eine wichtige Figur, denn sein Bruder war Graf von Holstein und der war wiederum der Schwager des künftigen dänischen Königs. Bruno konnte also Dänemark auf seine Seite ziehen. Der Papst hat ihn aber zunächst gegen den Willen des Vaters von Otokar, Wenzel durchgesetzt. Der hatte zunächst einen anderen Bischof ausgesucht. 1240 stirbt Robert, der Bischof von Olmütz, und so wird ein anderer Bischof gewählt. Noch nicht Bruno allerdings, der so zu sagen auf Seiten des Kaisers steht, aber der Papst erkennt ihn nicht an. Es wird also Otto lanciert, nun aber gelingt es Bruno 1245 von dem Kapitel gewählt zu werden. Aber kann noch nicht ins Bistum hinein, da sind noch die Gegner zu stark. Er kommt erst 1247 ins Bistum. In dieser Zeit hat auch Otokar, damals noch als Markgraf von Mähren, einen Streit mit seinem Vater Wenzel I. Bruno hat es also zunächst schwer gehabt, er musste zwischen dem Vater und dem Sohn lavieren. Als Otokar König wird, gibt es diese Streitigkeiten nicht mehr und sie ziehen an einem Strang."
Als dann Otokar II. auf den böhmischen Thron gelangte, dauerte es nicht mehr lange, bis Bischof Bruno zum Berater des Königs - auch als dessen Kanzler bezeichnet - berufen wurde. Zwischen den beiden entwickelte sich bald ein enges Vertrauensverhältnis. Dieses war eine gute Grundlage, um gemeinsame Pläne zu schmieden, und die waren recht ambitiös. Otokar und Bruno hatten relativ bald eine recht gewagte Idee im Kopf und schrieben deswegen den Papst an. Dies sei durchaus bekannt, sagt Prof. Metzner, werde jedoch nicht häufig thematisiert, da es sich dabei um eine recht brisante Angelegenheit gehandelt habe:"Dieser Brief beinhaltete im Grunde genommen einen politischen Affront gegen viele Nachbarn. Es war ein Plan Brunos und Otokars, das böhmische Gebiet und alles, was dazu gehörte, aufzuwerten. Es konnte aber nur dann gelingen, wenn man sich von den existierenden Abhängigkeiten frei machte. Die Bistümer Prag und Olmütz und selbst Bruno waren nominell von Erzbistum Mainz abhängig."
Die beiden wollten also ein Erzbistum im Lande errichten, jedoch nicht in Prag, sondern in Olmütz. Auch das hatte seine Gründe:
"Man konnte nicht auf Prag zurückgreifen, den Prag hatte ja keine Tradition, auf der man aufbauen konnte. In Mähren, also in Olmütz, konnte man auf die Tradition des Großmährischen Reiches im 9. Jahrhundert zurückgreifen, wobei man aber gar nicht wusste, wo sich der Erzbischofssitz in dem Großmährischen Reich befand. Es war deshalb für Bruno und Otokar relativ leicht zu sagen, der Sitz habe sich in Olmütz befunden. Sie sind davon ausgegangen, dass damals das einzige mährische Bistum gerade in Olmütz war, und behaupteten gegenüber dem Papst, dass es einst schon ein Erzbistum gab und dass man in Anlehnung daran dieses wieder gründen könnte. Das würde dann Brunos Aufstieg vom Bischof zum Erzbischof bedeuten. Zu diesem Erzbistum sollten alle Gebiete gehören, die Otokar in der Zwischenzeit beherrschte. Das waren nicht nur Böhmen und Mähren, zu seinem Reich gehörten auch Ober- und Niederösterreich, die Steiermark und vom Anspruch her gehörte auch Kärnten dazu. Zum Schluss reichte Otokars Reich bis zu der Adria. Man wollte den Papst gewissermaßen bestechen, indem man sagte: Wir, also Bruno und Otokar, machen einen zweiten Kreuzzug. Während des ersten ist Königsberg gegründet worden. Den zweiten wollte man gegen die einzigen Heiden machen, die es damals noch in Europa gab. Das waren die Ostpreußen und die Litauer. Und so dachten sich Bruno und Otokar: Wenn wir dem Papst einen Kreuzzug versprechen, dann wird er zugestehen, ein neues Erzbistum um Olmütz zu genehmigen. Da hätten aber die Salzburger Erzbischöfe, die das gesamte österreichische Gebiet beherrschten, auf ihre Rechte verzichten müssen. Vor allen Dingen hätte aber Mainz auf Prag und Olmütz verzichten müssen. Das hat dem Papst aber doch nicht gefallen, und deswegen ist der Brief im Prinzip erfolglos geblieben." Und damit ist also auch der ganze Plan gescheitert. Doch auch danach blieben Bruno und sein König ein starkes Tandem. Otokar II., der zu seinen Lebzeiten sein Königtum um zahlreiche Länder erweitern konnte, später aber einen Großteil davon wieder verlor, hatte noch eine andere große Idee im Köcher, und zwar ein gewaltiges Siedlungsprogramm. Der ambitiöse Herrscher weihte den offensichtlich gleich gesinnten Würdenträger der Kirche in seine Pläne ein und übertrug ihm letzten Endes die Durchführung des Siedlungsprogramms, welches dieser wirkungsvoll vorantrieb. Es handelte sich dabei nicht nur um Neugründungen einiger Städte und Dörfer, wie bei König Otokar I., sondern um die Neubesiedelung ganzer Landstriche, die u.a. auch durch die Mongolenkriege entvölkert worden waren. Doch das ist schon ein anderes Thema für eines der nächsten "Kapitel aus der tschechischen Geschichte".Bischof Bruno begleitete seinen König auch auf das Marchfeld, wo dieser 1278 in der Schlacht gegen Rudolf von Habsburg seinen Tod fand. In Bezug auf die gemeinsamen Aktivitäten bezüglich des Erzbistums versuchte Bruno noch in seinem Testament den Premyslidenkönig in Schutz zu nehmen:
"In seinem Testament entschuldigt Bruno den König. Er sagt, Otokar habe versucht das Ganze rückgängig zu machen. Alles passierte, als er noch ein "puer", also ein unreifer Knabe war. Als er dann reif geworden ist, habe er alles wieder zurückgenommen. Ein guter Diplomat, dieser Bruno. Er ist seinerzeit einer der größten Diplomaten in Europa gewesen."
Bruno überlebte seinen König nur um drei Jahre. Er starb am 17. November 1281 und wurde im Mauritiusdom in Kromeriz / Kremsier beigesetzt.