Bohemia Jazzfestival Prag: Rückblick auf Musikevent im Sommer 2006

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Prag und der Jazz - diese Verbindung funktioniert ganz gut, und dies bei weitem nicht nur verbal! Der Jazz wird in der tschechischen Hauptstadt seit Jahrzehnten gespielt. Er wurde auch vor dem Wendejahr 1989 vom alten Regime geduldet - im Unterschied zu vielen anderen Musikgenres westlichen Ursprungs! Mittlerweile wird Jazz nicht mehr in einigen wenigen, sondern in unzähligen tschechischen Clubs gespielt und gehört. Landesweit wird auch eine ganze Reihe Jazzfestivals veranstaltet. Ein neues Festival mit Künstlern unterschiedlicher Stilrichtungen ist im Sommer dieses Jahres aus der Taufe gehoben worden - das Bohemia Jazzfestival, das Anfang Juli auf dem Altstädter Ring in Prag stattfand. Im zweiten Teil unserer heutigen Silvestersendung macht Jitka Mladkova einen Rückblick auf diesen ersten Openair-Jazzevent in der tschechischen Metropole:

Es war ein wahres Jazzfest! In Prag haben sich zum ersten Mal hervorragende US-amerikanische Jazzer vorgestellt, die der in den USA lebende Tscheche Rudy Linka nach Prag geholt hat. Mit unüberhörbarer Genugtuung und Freude begrüßte er die Musiker auf dem Podium.

Nach dem Konzert auf dem Altstädter Ring gab es einen Empfang beim Prager Oberbürgermeister und Festivalschirmherrn, Pavel Bem. Eine gute Gelegenheit, den Jazz-Gitarristen Rudy Linka, dessen Trio seit Jahren zu den besten Formationen der New Yorker Jazzszene gehört, nach seiner Motivation für die Gründung des Bohemia Festivals zu fragen:

"Mir ging es um Folgendes: Prag ist absolut schön, hier passiert sehr viel, aber es ist nicht Bestandteil des modernen Lebens. Prag ist eine historische Stadt und die meisten Konzerte blicken auch in die Geschichte zurück. Die Flugblätter, die auf der Straße verteilt werden, sprechen vor allem von Mozart, Vivaldi und anderen alten Komponisten. Mir gefällt nicht, dass Prag auf diese Weise als eine Art Museum präsentiert wird. Ein Museum ist etwas, was nicht lebendig ist. Ich liebe aber Dinge, die modern und lebendig sind. Daher sagte ich mir, durch solch ein Openair-Jazzfestival, das aus der heutigen Zeit kaum wegzudenken ist, kann das historische Ambiente Prags wiederbelebt werden."

Und was genau lockte die US-amerikanischen Jazzer nach Prag? Selbstverständlich Prag selbst, sagt Rudy Linka. Prag genieße das Image einer Stadt, die sowieso fast jeder mal besuchen wolle, meint er. Ein Magnet also! Linka hat aber noch andere Veranstaltungsorte für dieses Festival entdeckt. Anscheinend aber auch für sich selbst. Die Funk Punk Old Stars sind außer in Prag auch in Prachatice und Ceske Budejovice aufgetreten:

"Auch wenn ich aus Prag stamme - ich bin hier geboren worden - habe ich für mich Südböhmen entdeckt, das unsagbar schön ist - die Natur, die dortigen Städte und auch die Menschen sind sehr nett. Uns ging es darum, die Musiker nicht nur nach Prag zu bringen, damit sie sehen dass es hierzulande auch andere interessante Orte gibt."

Außer Rudy Linka sind auch andere Tschechen in die weite Welt nach Übersee aufgebrochen, um sich dort dem Jazz zu widmen. Einige von ihnen wie z.B. George Mraz, die Brüder Vitous, Jan Hammer und andere, sind dort auch berühmt geworden.

"Die Musik kann hierzulande in der Tat auf eine recht alte Tradition zurückblicken. Hier ist aber eines passiert: Fast fünfzig Jahre lang hatte man keinen Kontakt zum Musikgeschehen in der Welt. Nur Schallplatten zu hören ist kein richtiger Kontakt. Das wird bei den Tschechen natürlich noch eine Weile dauern, bis sie das Versäumte nachholen können. Diejenigen, die nach Amerika gingen, mit dem festen Vorhaben, etwas dazu zu lernen, sind wirklich erfolgreich geworden."

Am ersten Festivaltag sind nach offiziellen Angaben rund zehntausend Menschen zum Openairkonzert auf den Altstädter Ring gekommen. Eine zufriedenstellende Zahl für Rudy Linka? Oder hat er mehr Besucher erwartet?

"Ich glaube, der Altstädter Ring war dermaßen voll, dass jedermann kapieren musste, dass hier etwas vor sich ging, was toll war. Klar, der Platz kann voller Menschen sein wie z.B. damals, als hier Klement Gottwald seine berühmt berüchtigte Ansprache vor den so genannten revolutionären Massen hielt, aber das ist schon ein anderes Thema. Ich glaube, dass nächstes Jahr noch mehr Leute zum Festival kommen. Es wird sich ganz bestimmt herumsprechen."

Emil Viklicky, der zu den profiliertesten tschechischen Jazzpianisten zählt, schaffte es nicht rechtzeitig zum Konzert auf dem Altstädter Ring zu kommen. Zum Empfang im Altstädter Rathaus kam er direkt vom Flughafen nach seiner Rückkehr aus Brüssel, wo er ein Konzert gab. Die Idee, das Bohemia Jazzfestival mit hochkarätiger Besetzung in Prag zu veranstalten, begrüßt er. Und wie sieht er die Chancen des Festivals in der Zukunft?

"Gerade jetzt haben wir uns hier mit Kollegen über Perspektiven und Chancen eines solchen Jazzfestivals in Tschechien ausgetauscht. Bekannt sind ähnliche Openair-Festivals im Ausland. Zum Beispiel die auf dem Zentralplatz in Brüssel, wo den Konzerten bis zu 20.000 Menschen beiwohnen. Ich persönlich habe so ein Festival in Chicago erlebt, zu dem Abertausende von Menschen kommen und das tagelang das Leben der Stadt prägt. Oder auch in Holland. Wenn uns das auch hier in Prag auf dem Altstädter Ring gelingt, wäre es phantastisch und mich persönlich würde es sehr freuen. Ich bin aber kein Hellseher, um sagen zu können ja oder nein!"

Emil Viklicky tritt im In- und Ausland vor allem als Solist oder im Trio auf, mit Frantisek Uhlir am Kontrabass und Laco Tropp am Schlagzeug. Jetzt aber hören Sie sein brilliantes Spiel am Piano in einem eher ungewöhnlichen Duo. Seine Mitstreiterin ist Zuzana Lapcikova am Zimball.

Nicht nur Amerikaner lud Linka nach Prag ein. Beim Bohemia Jazzfestival hatte auch der deutsche Jazzsaxofonist Johannes Ender einen Auftritt. Mit Begeisterung nahm er die Einladung nach Prag ein, und "wahnsinnig gerne", wie er Radio Prag sagte, möchte er in der Moldaumetropole mal auch ein Konzert geben! Abschließend eine Hörprobe mit dem "Johannes Enders Quartett": Sansee - ein Titel von der gleichnamigen CD.