Brutalismus: Ist das Kult, oder kann das weg?

Foto: Anna Pleslová

In der Bauweise der Nachkriegszeit haben sich in Ost wie West künstlerische und politische Ziele miteinander vermischt. Heute stehen auch in Tschechien viele der ehemaligen Prestige-Bauten jedoch leer. Die Ausstellung „Iconic Ruins?“ widmet sich dieser markanten Bauweise. Sie ist eine von über 300 Veranstaltungen im Rahmen des internationalen Projekts „Shared Cities: Creative Momentum“.

Transgas-Gebäude | Foto:  Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

Petr Vorlík am Mikrofon  (Foto: Jana Burczyk)
Wer auf dem Weg zum Tschechischen Rundfunk in die Římská-Straße einbiegt, wird von Baulärm begrüßt. Direkt neben dem Rundfunkhaus wird das Transgas-Gebäude abgerissen. Es ist kein Einzelfall. Viele der Bauten stehen leer, die zwischen 1945 und 1989 entstanden sind. Die meisten von ihnen haben ein schlechtes Image: hässlich und grobschlächtig – dabei hat die Bauweise ungeahnte Formenvielfalt. Die Ausstellung „Iconic Ruins?“ befasst sich mit Prestige-Kolossen aus ehemaligen Ostblock-Ländern. Tenor der Veranstaltung: nutzen und erhalten, wo es nur geht. Petr Vorlík ist tschechischerseits Kurator der Ausstellung.

„Mit der Ausstellung wollen wir die Nachkriegsbauweise in den vier ehemaligen Ostblockländern Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn miteinander vergleichen. Und wir möchten zeigen, wie sie sich entwickelt hat.“

Denn in den Gebäuden hätten nicht nur politische Ambitionen gesteckt. Diese verkörperten auch die Kreativität der Architekten. Als Kunsthistoriker bedauert Vorlík daher, welches Schicksal den meisten brutalistischen Bauten bevorsteht.

Foto: Anna Pleslová
„In Prag wurden einige der Gebäude bereits abgerissen, das Hotel Praha zum Beispiel. Das Problem ist aber nicht so sehr der komplette Abriss, sondern die Art der Umgestaltung. Das heißt, die Grundstruktur der Gebäude bleibt erhalten. Allerdings bekommen sie eine neue Fassade und auch eine andere Innengestaltung.“

Bedauerlich sei auch, dass beim Abriss die qualitativ eher hochwertigen Baumaterialien der Protz-Kolosse und die künstlerische Gestaltung an Außen- und Innenwänden verloren gingen. Das gelte besonders für die repräsentativen Bauten des öffentlichen Lebens, mit denen sich die Ausstellung befasst.

Bei der Eröffnung vor zwei Wochen wurde daher auch darüber gesprochen, wie man mit den kulturellen Erbstücken der Nachkriegsarchitektur heutzutage umgehen sollte. Vorlík plädiert für ein gesellschaftliches Umdenken:

Modell des Rundfunkgebäudes in Bratislava  (Foto: Jana Burczyk)
„Das Thema ist nicht nur ein Thema für Experten, denn es geht um Bauwerke des öffentlichen Lebens. Daher möchten wir mit der Ausstellung die Diskussion um solche Gebäude mehr in die Öffentlichkeit tragen. Sie sind ein kulturelles Erbe unserer Vorfahren. Wir sollten sie für die Zukunft bewahren und respektvoll mit ihnen umgehen.“

Neben brutalistischen Gebäuden zeigen die Plakate der Ausstellung auch Beispiele, wie die Bauwerke an heutige Bedürfnisse angepasst werden könnten – ohne sie abzureißen. So ist der frühere Sitz des Regionalkomitees der kommunistischen Partei in Příbram heute ein Bürogebäude.

Außerdem stellen Studenten der Universität Bratislava ihre Ideen vor. Dazu gehört ein Modell des Rundfunkgebäudes in der slowakischen Hauptstadt – eine kopfstehende Pyramide. Im Modell ergänzen Anbauten das markante Gebäude. Die Idee: Der gesamte Komplex könnte Teil des benachbarten Campus der Technischen Universität werden.


Die Ausstellung „Iconic Ruins?“ bleibt noch bis zum 15. Mai in Prag. Zu sehen ist sie in der Galerie der Tschechischen Zentren – jeweils von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Wer sich außerdem die Prager Brutalismus-Bauwerke anschauen möchte, kann sich auf der Internetseite von Architektura 489 über die Standorte der Gebäude informieren (www.a489.cz).

Autor: Jana Burczyk
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