Bürgerforum: Vor 15 Jahren verschwand der Motor der politischen Wende

Dieser Tage hätte man hierzulande ein kleines "Jubiläum" begehen können, wäre das Ereignis aus der Zeit vor genau 15 Jahren nicht allgemein im Wirbel des Geschehens in Vergessenheit geraten. Und doch war es für die Entwicklung der damaligen Tschechoslowakei von ausschlaggebender Bedeutung: Am 23. Februar 1991, 14 Monate nach dem gewaltlosen Sturz des kommunistischen Regimes im November 1989, hörte das Markzeichen der so genannten Samtenen Revolution, das "Obcanske Forum" (Bürgerforum) faktisch auf zu existieren.

Trotz des Wahlsiegs im Juni 1990 war ihm kein langes Leben beschieden. Die Zeit der deklarierten Einheit unter der Fahne mit den zwei Buchstaben "OF", untermauert durch den Slogan "Die Parteien sind für Parteigenossen, das Bürgerforum ist für alle da", war schnell vorüber. Der gemeinsame kommunistische Feind war überwältigt, und außer ihm gab es, wie sich schon bald zeigte, offensichtlich nur wenig, was die bunte OF-Gemeinschaft zusammenhalten konnte.

Meinungsunterschiede teilten diese im Prinzip in zwei Lager, mit Jiri Dienstbier und Vaclav Klaus als Anführern. Dem charismatischen Klaus und seinen Anhängern gelang es, sich mithilfe der OF-Basis auf Bezirksebene in Spitzenpositionen zu schwingen. Für die bisherige Führung rund um Jiri Dienstbier und Vaclav Havel bedeutete dies eine Niederlage, der dann die faktische Spaltung des Bürgerforums folgte. An den neuen Wahlen im Juni 1992 beteiligten sich anstelle des Bürgerforums bereits seine zwei größten Nachfolgesubjekte: Die Demokratische Bürgerpartei (ODS) und die Bürgerbewegung (OH). Ergebnis: Die ODS wurde Wahlsieger, die OH musste eine Schlappe einstecken.

Etwa zum selben Zeitpunkt spaltete sich auch die entscheidende politische Kraft der Wendezeit in der Slowakei, die Bewegung "Öffentlichkeit gegen Gewalt" (VPN). Das Auseinanderdriften der beiden Teilrepubliken war dann unaufhaltsam. Seitdem sind fast 15 Jahre vergangen. Mittlerweile steht Tschechien wieder vor einer neuen Parlamentswahl, der vierten in seiner Geschichte. Zwar ist es erst im Juni so weit. Wer aber vor einer Woche von den olympischen Wettkämpfen zur Abwechslung auf die sonntägliche TV-Politdebatte im Tschechischen Fernsehen umgeschaltet hat, der weiß Bescheid: Die bevorstehenden Wahlen werfen schon jetzt ihre Schatten voraus. Im TV-Studio lieferten sich der jetzige Regierungschef und sein oppositioneller Herausforderer einen harten verbalen Schlagabtausch. Beide beschuldigten einander der Korruption und der Verschwendung öffentlicher Gelder. Und wenn die Munition auszugehen schien, dann blieb wenigstens eine gegenseitige Empfehlung übrig: Ein Besuch beim Psychiater wegen angeblicher Paranoia.

Da drängt sich die Frage auf: Ist die Vulgarisierung der politischen Kultur eines der Resultate der politischen Meinungsdifferenzierung, die in Tschechien vor 15 Jahren eingesetzt hat? Wenn die Antwort ja ist, dann hat man als Bürger eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Sentimental in die Vergangenheit zu blicken, oder pragmatisch in die Zukunft.