Bulgarischer Sozial-Thriller holt Kristallglobus beim Filmfest in Karlsbad

Eli Skortschewa und Stephan Komandarev

Im westböhmischen Karlovy Vary ist das wichtigste tschechische Filmfestival zu Ende gegangen. Am Samstag wurden die Preise für die besten Produktionen in diesem Jahr vergeben.

„Blaga’s Lessons“ oder auf Deutsch „Blagas Lektionen“ – so heißt der Streifen, der den Hauptwettbewerb beim Filmfestival in Karlsbad gewonnen hat. Es handelt sich um eine bulgarisch-deutsche Koproduktion. Regisseur Stephan Komandarev nahm den Kristallglobus für den wichtigsten Preis am Samstag bei der feierlichen Zeremonie im Hotel Thermal entgegen. Im Interview für Radio Prag International nannte er seinen Film einen „Sozial-Thriller“…

„In dem Film geht es um die Generation meiner Eltern. Sie waren die größten Opfer der Übergangsperiode nach dem Kommunismus und verloren an ihrem Lebensabend ihre Würde. Das Thriller-Element ist das Phänomen Telefonbetrug, zu dem es häufig in Osteuropa kommt“, so Komandarev.

Auch noch einen zweiten wichtigen Preis konnte der Film einheimsen: Schauspielerin Eli Skortschewa wurde für die beste weibliche Hauptrolle geehrt. Als Blaga fällt sie auf einen Telefonbetrug herein und verliert all ihr Erspartes. Doch sie kämpft darum, ihr Geld zurückzuerhalten. Skortschewa war in den 1980er Jahren ein Leinwandstar in Bulgarien, zog sich dann aber zurück. „Blagas Lektionen“ ist ihre erste große Rolle seit mehr als 30 Jahren.

Eli Skortschewa | Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary

„Es war ziemlich faszinierend, aber auch schwierig, diese Rolle zu spielen. Blaga ist sehr anders als ich in ihrem Ausdruck. Ich habe den Part auch wegen des Regisseurs Stephan Komandarev und seines wunderbaren Drehbuchs angenommen“, sagte die Schauspielerin gegenüber Radio Prag International.

Im Übrigen wurden in Karlsbad noch zwei weitere Filme aus nicht so bekannten Kinoländern ausgezeichnet, die ebenfalls in deutscher Koproduktion entstanden sind. So gewann der deutsch-iranische Film „Leere Netze“ von Regisseur Behrooz Karamizade den Sonderpreis der Jury. Und eine Sonderanerkennung ging an den deutsch-libanesischen Dokumentarfilm „Dancing on the Edge of a Volcano“.

'Dancing on the Edge of a Volcano' | Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary

Den Preis für die beste Regie nahm Babak Jalali für den US-amerikanischen Film „Fremont“ entgegen. In dem Streifen geht es um eine junge Frau aus Afghanistan, die als Dolmetscherin für das US-Militär gearbeitet hatte, dann floh und nun im kalifornischen Fremont lebt. Dort arbeitet sie in einer Fabrik für Glückskekse. In einen der Kekse packt sie eine Nachricht, um einen Freund zu finden. Regisseur Jalali sagt:

Babak Jalali | Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary

„Ich wollte zeigen, dass eine junge Frau aus Afghanistan nicht anders ist als eine Gleichaltrige von irgendwo anders her – ob aus Tschechien, Deutschland, Frankreich, Montevideo oder San Salvador. Sie hat ernste Sachen gesehen und darunter gelitten. Doch sie lässt diese Erlebnisse nicht zu einer Hürde werden, die sie daran hindert, sich ein eigenes Leben aufzubauen.“

Hauptdarstellerin Anaita Wali Zada hat dabei ein ähnliches Schicksal erlebt. Weil sie aber in den USA immer noch als Flüchtling lebt, konnte sie nicht nach Karlsbad reisen. Und weiter Babak Jalali:

„Sie hat zuvor noch nie geschauspielert. Fünf Monate, bevor wir mit der Vorproduktion begannen, war sie aus Afghanistan evakuiert worden. Das war, als die Taliban zurückkamen. Sie stand also zum ersten Mal überhaupt vor der Kamera.“

'Fremont' | Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary

Die Auszeichnung für den besten männlichen Hauptdarsteller erhielt der norwegische Schauspieler Herbert Nordrum. Und zwar für seine Rolle im schwedisch-norwegisch-französischen Film „The Hypnosis“ von Regisseur Ernst de Geer. Darin spielt Nordrum einen jungen Ehemann, dessen Frau sich einer Hypnose-Sitzung unterzieht. Damit will sie eigentlich das Rauchen loswerden, doch sie verliert stattdessen ihre Hemmungen – zum Entsetzen ihres Mannes.

Herbert Nordrum | Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary

„Der Charakter, den ich in dem Film spiele, hat auch meine schlechtesten Eigenschaften in sich. Deswegen war die Erfahrung sehr interessant. Wir Skandinavier können sehr still sein, uns dabei unwohl in unserer eigenen Haut fühlen und zugleich nur so vor Ehrgeiz strotzen“, so Nordrum.

Der Preis der Zuschauer ging an das Historiendrama „Une affaire d'honneur“ des Schweizer Regisseurs Vincent Perez.

'Une Affaire d’honneur' | Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary
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