Camping statt Hotel – tschechisches Gastgewerbe nach dem Shutdown
Die Gastronomie und das Hotelgewerbe waren vom Corona-Shutdown besonders hart getroffen. Insgesamt 72 Tage lang mussten diese Dienstleister auch in Tschechien geschlossen bleiben. Und weiterhin leidet die Gastbranche darunter, dass die Reiselust weder in Europa noch anderswo auf der Welt zurückgekehrt ist. Wie sieht also die Lage hierzulande derzeit aus?
Auch sie gibt es: Gewinner der Coronakrise im Gastgewerbe. Oder zumindest jene, denen die Krise insgesamt nicht so viel anhaben konnte. Es sind die Campingplätze in den beliebten Urlaubsregionen. Zum Beispiel im Böhmerwald. Auf dem Campingplatz im Weiler Antýgl / Antiegel etwa hat Rezeptionsmitarbeiterin Eva folgende Beobachtung gemacht:
„Ich denke, dieses Jahr kommt eine andere Sorte an Leuten. Es sind jene, die ansonsten um diese Zeit eher am Meer wären. Wir haben genauso viele Campingbusse wie sonst. Aber diesmal sind es nicht die deutschen Touristen, die seit 20 Jahren hier herfahren. Sie wurden jetzt von Neulingen abgelöst.“
Und zwar von tschechischen Besuchern, die sich meist einen Campingbus geliehen haben. Sie seien noch ein bisschen ungeschickt beim Lenken der großen Wagen, findet Eva.
Ganz allgemein geht der Trend in diesem Sommer hin zum Übernachten im Freien. Diese Beobachtung hat man auch beim ältesten tschechischen Campingplatz gemacht, der Autokemp Annín im Böhmerwald. Jitka Burešová und ihre Familie sind die Betreiber:
„Die Leute kommen häufig mit Zelten, mit dem Campingwagen und vor allem mit dem Campingbus. Ich denke, sie wollen die öffentlichen Sanitäreinrichtungen umgehen. Die Angst vor dem Coronavirus ist präsent. Manche Gäste tragen hier auch Mundschutz.“
Weniger deutsche Touristen
Tatsächlich haben sich für diesen Sommer viele tschechische Gäste umorientiert. Das bekommen jetzt die Betreiber von Hotels und Pensionen zu spüren. So etwa im Erzgebirge. Václav Lidický betreibt eine Pension in einem alten Schulgebäude – und zwar im Ort Klíny zwischen Litvínov / Oberleutensdorf und dem Kurort Seiffen auf sächsischer Seite. Normalerweise sei er das ganze Jahr über voll belegt, sagt Lidický, doch derzeit sei alles anders:
„Wir sind nur zur Hälfte ausgelastet gegenüber dem Stand im vergangenen Jahr. Allerdings ist auch das Wetter bedeutend schlechter, der Sommer 2019 war wunderschön und fast ohne Regen. Es ist also schwer zu sagen, woran es liegt. Natürlich fehlen mir die deutschen Touristen. Vergangenes Jahr waren wir voll belegt und auch das Jahr zuvor. Dieses Jahr ist es schlechter. Ob das am Coronavirus liegt oder am Wetter – schwer zu sagen.“
Dabei hat Václav Lidický noch Glück, denn seine Pension liegt wenigstens in einer derzeit begehrten Urlaubsregion des Landes. Anders geht es ausgerechnet Prag, wo sich ansonsten die Besucher durch die engen Gassen der Altstadt zwängen. Václav Stárek ist Vorsitzender des Verbandes der tschechischen Hotels und Restaurants. In einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte er:
„In Prag werden normalerweise 60 Prozent des tschechischen Fremdenverkehrs generiert. Dies sind meist ausländische Touristen. Derzeit sind aber rund 30 Prozent der Übernachtungsreinrichtungen in der Hauptstadt geschlossen. Und zu befürchten ist, dass sie nicht vor Ende dieses Jahres wieder aufmachen.“
Bei den Restaurants sieht Stárek hingegen meist eine positive Entwicklung. Sie seien zu großen Teilen auch auf Gäste aus dem Inland ausgerichtet. Deswegen würden dort die Besucherzahlen relativ schnell wieder nach oben gehen.
„Deutlich stärker betroffen ist das Beherbergungsgewerbe. Besonders in den Städten des Landes sind die Betten in Hotels und Pensionen nur gering belegt. Im Juni lag die Auslastung in Prag laut einer Studie bei neun Prozent. Ähnlich ist es auch in weiteren Großstädten wie Pilsen oder Brünn. Dann gibt es aber noch die Erholungsgebiete des Landes. Auch dort sind die Hotels und Pensionen längst nicht komplett ausgebucht. In Südböhmen am Lipno-Stausee sind die Belegungszahlen zwar recht hoch, aber für andere Gegenden wie etwa das Adlergebirge gilt das nicht. Es geht also nur schleppend voran“, so der Verbandsvorsitzende.
Gesonderte Hilfe für Übernachtungseinrichtungen
Vergangene Woche hat die tschechische Regierung deswegen neue Hilfen für die Beherbergungseinrichtungen beschlossen. Dem hingegen haben laut Stárek Restaurants, Bars und Kneipen bereits von früheren Wiederaufbaumaßnahmen profitiert. Das war vor allem das Programm „Covid“ für kleinere und mittelständische Betriebe. Nun aber sollen Hotels und Pensionen eine Pauschale erhalten für jede Nacht während des Shutdowns, in der sie geschlossen hatten. Diese Pauschale errechnet sich nach der Anzahl der Zimmer und der Sternezahl.
„Ursprünglich hatten wir bis zu 400 Kronen gefordert. Jetzt sind es 330 Kronen geworden. Das hat sich aus unseren Verhandlungen ergeben und aus gewissen Berechnungen zu den Verlusten der Beherbergungseinrichtungen. Obwohl die Summe also niedriger liegt, als wir wollten, sind wir froh, dass sie abgesegnet wurde“, sagt Stárek.
330 Kronen sind in etwa 12,50 Euro. Dies ist der Höchstbetrag für Viersterne-Häuser. Kleine Pensionen erhalten aber nur 200 Kronen je Nacht und Zimmer, also umgerechnet rund 7,50 Euro. Außerdem bezieht sich das Programm nur auf die Zeit zwischen dem 14. März und dem 24. Mai dieses Jahres, als landesweit die Gastbetriebe geschlossen bleiben mussten. Doch was passiert bei einer zweiten Corona-Welle? Manche glauben ja schon, dass die derzeit wieder steigenden Infektionszahlen bereits dazu gehören. Finanzministerin Alena Schillerová (parteilos) versicherte aber bei einer Konferenz zum Gastgewerbe vergangene Woche in Prag:
„Das Leben wird nicht mehr dasselbe sein wie vor der Pandemie. Es wird sich in gewisser Wese ändern. Aber wir müssen vorbereitet sein, sodass wir die Wirtschaft nicht noch einmal ausknipsen. Dass wir praktisch von einem auf den anderen Tag die Wirtschaft lahmgelegt haben, hat es meines Wissens noch nie vorher gegeben.“
Für die Gastbetriebe ist dies aber nur ein schwacher Trost. Denn für sie sind die Regierungsmaßnahmen nur eines der beiden großen Probleme gewesen. Das andere ist das Coronavirus an sich, und das ist noch nicht verschwunden. Und Václav Stárek ergänzt:
„Wir beobachten die Folgen in jenen Gegenden, in denen das Coronavirus sich wieder verstärkt hat – wie etwa im Kreis Mährisch-Schlesien oder im Bezirk Kutná Hora. Dort gehen sofort die Buchungszahlen zurück. Die Betreiber von Unterkünften bewegen sich wirklich am Rande ihrer finanziellen Möglichkeiten. Falls wir ihren Betrieb nicht erhalten können, dann wird es an Übernachtungskapazitäten fehlen, wenn sich die Lage wieder beruhigt und die ausländischen Gäste zurückkommen. Auch der Staat wird dann Einnahmen verlieren, denn aus dem Fremdenverkehr gehen jedes Jahr 125 Milliarden Kronen an die öffentlichen Haushalte.“
125 Milliarden Kronen sind umgerechnet 4,8 Milliarden Euro. Die gesamte Tourismusbranche generiert immerhin drei Prozent des tschechischen Bruttoinlandsproduktes.