Danke, liebe tschechische Politiker…

Foto: ČTK

Ich glaube, es war nach dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union. Ein Kollege zog den Atem durch den Mund ein und sagte traurig etwas in dem Sinn: Das wird es für die nächsten Jahre erstmal gewesen sein mit interessanten Berichten aus Prag. Der Kollege war konsequent und hat die tschechische Hauptstadt einige Zeit später verlassen, um als Journalist aus einem interessanteren Land zu berichten.

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Damals habe ich ihm geglaubt, doch weggezogen bin ich nicht. Auch wenn mein Beharrungsvermögen andere Gründe hatte, habe ich einen guten Riecher gehabt! Schon zwei Jahre nach dem EU-Beitritt gab es die Wahlen mit dem Patt des linken und des rechten Lagers. Nicht dass ich ein Fan monatelanger Koalitionsgespräche bin, aber bereits mit Hinblick auf die tschechische EU-Ratspräsidentschaft wurde die Frage nach dem Ob und dem Wie einer Regierung wieder interessant.

Sicher, es gab eine gewisse Phase, da schien es, als gebe es an Aufregern in der tschechischen Politik und Gesellschaft nur noch die zahlreichen Affären. Krakatice, Cunek oder die obskure Geschichte um Kindesmissbrauch und die 13-jährige Anicka, die nachher als 33-jährige Barbora enttarnt wurde – es war kaum möglich das im Ausland irgendwie zu erklären.

Doch dann kam dieses Jahr. Der tschechische EU-Ratsvorsitz – erst aus Frankreich angezweifelt, dann durch Cernýs Plastik Entropa peinlich enthüllt und letztlich durch den sozialdemokratischen Regierungssturz in den Graben gefahren. Dazu des tschechischen Staatspräsidenten eigener Feldzug gegen Lissabon. Tschechien war wieder ganz vorne in den Schlagzeilen!

Dann drohte im Herbst wieder alles halbwegs normal zu werden: vorgezogene Neuwahlen, ein bisschen Regierungsverhandlungen und fertig ist die Laube. Als ich im September in den Flieger zurück aus dem Urlaub nach Prag steige, bekomme ich die erste tschechische Zeitung nach zehn Tagen wieder in die Hand gedrückt. „Volby nebudou“, lese ich – die Wahlen finden nicht statt! Und wieder ist alles anders. Und ganz heimlich, still und leise sagte ich mir da: Danke, danke liebe tschechische Politiker, es wird mir nie langweilig hier in Eurem Land.