Das Ende der Märchenzeit in Tschechien

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Die Parlamentswahl 2006 sei die wichtigste seit 1990, gab es hierzulande in den letzten Monaten des Öfteren zu hören. Warum eigentlich? Im Unterschied zu den Wahlen 1998 und 2002 steht ja der neuen Regierung keine strategische Entscheidung bevor, die - wie der NATO- und der EU-Beitritt - für die Zukunft des Landes absolut ausschlaggebend wäre. Weder die Zukunft des Staates in Bezug auf seine Stellung in Europa noch die weitere Entwicklung der EU nach der durch das vorläufige Scheitern des Verfassungsvertrags erzwungenen Denkpause wurden vor den diesjährien Wahlen thematisiert.

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16 Jahre nach der Wende von 1989 war das Haupthema der Wahlkampagne sozusagen "hausgemacht": Vereinfacht gesagt, ein "volles Portemonnaie" - das Familienbudget, war das tragende Thema. Versprechen, für volle oder zumindest vollere Geldbörsen der Mitbürger zu sorgen, gab es in Hülle und Fülle. Und dies sogar seit geraumer Zeit. Den Startschuss für die Wahlkampagne hatten faktisch schon vor einem Jahr die oppositionellen Bürgerdemokraten (ODS) gegeben, indem sie nach und nach ihr Reformkonzept unter dem Namen "Blaue Chance" publik machten. Ihr Vorschlag, eine Einheitssteuer einzuführen, hat einen Diskussionswirbel in der Politszene ausgelöst. Die regierenden Sozialdemokraten (CSSD) gingen bald in die Gegenoffensive und holten zum Teil mit eigenen Vorschlägen auf. Einige davon konnten schon vor der Parlamentswahl mithilfe der Kommunisten als gesetzlich fixierte Regelwerke durchgepaukt werden.

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Ein gemeinsames Merkmal beider rivalisierenden Parteien: Wechselseitig, oft in äußerst konfrontativem Tonfall, sprachen sie sich die Fähigkeit ab, ihre Versprechen zum Wohle des Volkes auch umzusetzen. Nun sind die Wahlen aber zu Ende und mit ihnen definitiv auch die Märchenzeit. Ja, manchmal gehen Märchen in Erfüllung, meistens aber nicht. Meistens dient das Erzählen von Märchen dem besseren Einschlafen. Damit wir Wähler schön schlafen, hat man uns in den letzten Monaten viele märchenhafte Versprechungen aufgetischt. Welche davon realistisch sind, und welche nur als Wasserpredigten ausgedacht wurden, wird natürlich erst die Zeit zeigen.

Die Zeit der harten Arbeit hat aber für die Politiker gerade erst begonnen, und sie sollten ihren Mitbürgern den dieser Tage wohl am häufigsten formulierten Wunsch erfüllen, den einige von ihnen auch Radio Prag bei einer kleinen Wahllokal-Umfrage anvertraut.

Es sei mehr Anstand erforderlich, vor allem aber endlich die Ruhe! Deswegen solle man sich bewusst werden: Der Sinn des Lebens sei es nicht, nur für die eigene Tasche zu arbeiten, sondern auch mit Anstand miteinander umzugehen!

Kurzum: "Wir brauchen eine Veränderung!"