Das Jugendstilhaus des Gesangsvereins Hlahol

Foto: Martina Schneibergová

Das Jahr 2014 ist hierzulande der tschechischen Musik gewidmet. Aus diesem Anlass bietet der Prager Touristenservice (Prague City Tourism) Führungen durch weniger bekannte Sehenswürdigkeiten, die mit der tschechischen Musikgeschichte zusammenhängen. Zu ihnen gehört auch das prunkvolle Gebäude des Gesangvereins Hlahol, in dem nicht nur ein historischer Konzertsaal, sondern auch ein kleines Museum untergebracht sind.

Foto: Martina Schneibergová
Wenn man vom Prager Nationaltheater auf dem rechten Moldauufer stromaufwärts Richtung Galerie Mánes spaziert, kommt man an einigen prunkvollen Gebäuden vom Beginn des 20. Jahrhunderts vorbei. Fast gegenüber der Galerie Mánes steht ein sehr auffälliges Jugendstilhaus, dessen Fassade reichhaltig mit Stuck verziert ist. Das Haus gehört dem Gesangsverein Hlahol, dessen Name in goldener Farbe auch auf dem Gebäude zu lesen ist. Im unteren Bereich der Fassade sind einige Plastiken angebracht. Diese seien Werke des Bildhauers Josef Pekárek, erzählt Alexandra Škrlandová vom Prager Touristenservice.

„Eine der Statuen stellt einen jungen Mann dar, der ein Musikinstrument mit dem Namen ´varyto´ in den Händen hält. Ihm übergibt ein alter Mann symbolisch den Gesangsverein Hlahol, der in der Zeit der nationalen Wiedergeburt entstanden ist. Die Haustür auf der rechten Seite des Gebäudes führt zum Konzertsaal. Der Eingang ist mit Blumenornamenten geschmückt. Über dem Eingang sieht man ein Mosaik mit dem mythischen Vogel Phönix, der verbrennt, um aus seiner Asche wieder aufzuerstehen. Das Mosaik stammt von Karel Klusáček. Er schuf auch das große Mosaik, das sich ganz oben auf der Fassade befindet. Gleich drei Gedenktafeln wurden an dem Haus installiert. Sie erinnern an drei namhafte Chorleiter des Gesangsvereins Hlahol: Karel Bendl, Karel Knittl und den Komponisten Bedřich Smetana.“

Jan Ludevít Lukes  (Foto: Martina Schneibergová)
Das Haus wurde nach einem Entwurf des Architekten Josef Fanta im Jahr 1905 erbaut. Fanta schuf auch die drei Gedenktafeln.

Der Gesangsverein Hlahol entstand 1861 als einer jener Vereine, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die tschechische Kultur zu verbreiten. Gründer des Vereins war Jan Ludevít Lukes, ein damals bekannter Prager Sänger. Der Name des Gesangsvereins wurde aus dem Altslawischen abgeleitet.

„Es wurde von jenem Verb abgeleitet, dass für die Verkündung des Evangeliums benutzt wurde. Auch die Bezeichnung der altslawischen Schrift Glagoliza hat denselben Wortstamm. Hlahol lässt sich mit Huldigungslied oder Festlied übersetzen.“

Der Verein Hlahol bekam bald nach seiner Gründung auch eine eigene Fahne: Der Maler Josef Mánes hat sie 1862 entworfen. Auf der Fahne steht das Motto „Mit dem Gesang zum Herzen, mit dem Herzen zum Vaterland“. Damals war ein derartiges Motto patriotisch, heutzutage klingt es altmodisch. Es passte aber zu einem Chor, der vor allem tschechische Kompositionen singen wollte. Begründer Lukes war auch der erste Chorleiter. 1863 übernahm dann der Komponist Bedřich Smetana die Chorleitung von Hlahol. In dieser Zeit war der Hlahol ein Männerchor, der noch in einer Gaststätte in der Straße Haštalská seine Proben hatte. Alexandra Škrlandová:

„Ein Frauenchor kam erst 1879 hinzu. Der Saal in der Gaststätte reichte dem größeren Chor dann aber nicht mehr aus. Er zog darum um, in das Haus ‚Zur englischen Königin‘ in der damaligen Straße Široká, der heutigen Jungmannstraße. Es folgten zwei weitere Umzüge des Gesangsvereins. Eine Zeit lang probte er in der Gaststätte ‚Douša‘ auf dem heutigen Wenzelsplatz. Ende des 19. Jahrhunderts entschieden sich dann die Hlahol-Mitglieder, ein eigenes Haus zu bauen. Dort sollten sie nicht nur Probesäle und Garderoben, sondern auch einen Konzertsaal haben. 1903 kaufte der Verein ein Grundstück am Moldauufer. Mit dem Bau wurde der damals renommierte Architekt Josef Fanta beauftragt. Der Grundstein wurde am 19. Juni 1904 gelegt, im November 1905 wurde das neue Gebäude dann offiziell eröffnet.“

Foto: Martina Schneibergová
Architekt Josef Fanta war Jahrgang 1856. Nach dem Studium arbeitete er im Atelier von Josef Zítek an den Entwürfen zur Gestaltung des Interieurs im Prager Nationaltheater. In den Jahren 1909 bis 1922 war er Professor an der Prager Technischen Universität. Zu seinen bekanntesten Gebäuden gehört der ursprüngliche Prager Hauptbahnhof. Fanta war nicht nur Architekt, sondern auch Maler und entwarf viele Details für das Interieur seiner Gebäude. Dies gilt auch für den Konzertsaal, den er für Hlahol gestaltete. Der Saal hat eine für die damalige Zeit ungewöhnliche verglaste Decke. Die Aufmerksamkeit der Besucher wecken zwei Jugendstil-Kronenleuchter und vor allem eine große Wandmalerei auf einer der Wände. Maler Alfons Mucha beendete das Werk 1935 und beschrieb das Bild ausführlich in einem Brief. Alexandra Škrlandová vom Prager Touristenservice zitiert:

Bedřich Smetana  (Foto: Martina Schneibergová)
„Ein bezaubertes Mädchen hört sich unter blühenden Bäumen in den Gesang der Vögel hinein. Eine glückliche Mutter singt still ihrem Baby ein Wiegenlied. Hinten in der Morgendämmerung ist der Hradschin zu erkennen und der Stadt Prag huldigen einige Reiter mit Fahnen in den Händen.“

Im Saal sind an den Wänden rundherum Büsten der bekanntesten Chorleiter des Hlahol zu sehen. Auch eine Büste des Komponisten Bedřich Smetana fehlt nicht, er hat den Gesangsverein in den Jahren 1863 bis 1865 geleitet. Vom Maler Josef Mánes stammen zwei Gemälde im Saal – es sind Entwürfe für Ehrendiplome des Gesangsvereins.

Der geräumige Konzertsaal befindet sich im Erdgeschoss, eine Wendeltreppe neben dem Saal führt in die erste Etage, wo das kleine Museum des Hlahols untergebracht ist. Zahlreiche Fotos an den Wänden, die Originalfahne von Josef Mánes sowie viele Plakate, Diplome, Programmhefte und weitere Dokumente sind in den Glasvitrinen zu sehen. Erinnert wird an Musiker und Komponisten, die dem Gesangsverein irgendwie verbunden sind. Zu ihnen gehört auch der Mitbegründer von Hlahol, Komponist Josef Leopold Zvonař.

Foto: Martina Schneibergová
„Er schrieb sogar zwei tschechische Opern – ‚Záboj‘ und ‚Die Waldkapelle‘. Am bekanntesten von seinen rund 60 Liedern ist das Stück ´Čechy krásné, Čechy mé´ – zu Deutsch etwa ´Mein schönes Böhmen´. Jahre lang wurde dieses recht populäre Lied einem anderen Komponisten zugeschrieben, aber später hat man festgestellt, dass es von diesem Mitbegründer des Hlahol stammt.“

Im Museum ist ein Bild des 39-jährigen Bedrich Smetana als Chorleiter ausgestellt. In der Dauerausstellung wird beispielsweise auch des Dirigenten, Komponisten und Oboisten Václav Smetáček gedacht. Er ist einer der renommierten tschechischen Musiker des 20. Jahrhunderts, die mit dem Gesangsverein eng zusammenarbeiteten.

Foto: Martina Schneibergová
Das Haus des Gesangsvereins hat während der kommunistischen Zeit nicht dem Verein Hlahol gehört. Nach der Wende von 1989 erhielt der Verein das Gebäude jedoch wieder zurück. Erst 2012 jedoch wurde die Jugendstilfassade in Stand gesetzt. Der Verein veranstaltet regelmäßig Konzerte in seinem Haus, sein Chor hat zurzeit 60 Mitglieder und unternimmt oft Auslandstourneen. Neben anderen Ländern hat Hlahol jedes Jahr auch einige Konzerte in Deutschland.