Das Kunstgewerbemuseum und sein Mäzen
Vojtěch (Adalbert) Lanna, der Jüngere, (1836-1909) war nicht nur ein Großunternehmer, sondern auch ein passionierter Kunstsammler und Mäzen. Er gehört zu den Mitbegründern des Prager Museums für angewandte Kunst. Im Museum wurde vor kurzem eine Ausstellung eröffnet, die an den Kunstmäzen erinnert.
Ein Jahr später kamen eine Dauerausstellung und anschließend eine Bibliothek und ein Studiensaal hinzu. In den Jahren 1897 und 1898 wurde ein eigenes Museumsgebäude erbaut, im Stil der französischen Neo-Renaissance. Den Entwurf lieferte der renommierte Architekt Josef Schulz. Das Gebäude entstand auf einem Grundstück direkt neben dem alten jüdischen Friedhof. Im Jahr 1900 zog das Museum dorthin um. Der größte Mäzen war damals Vojtěch (Adalbert) Lanna der Jüngere. Helena Koenigsmarková leitet heute das Kunstgewerbemuseum:
„Sein Vater war in den Ritterstand erhoben worden für die Verdienste um den Aufbau der Wirtschaft in Österreich-Ungarn. Lanna war nicht nur ein sehr fähiger Unternehmer, sondern er hatte ein Feingefühl für die Kunst sowie für die Bedeutung des Handwerks. Dies war eine typische Reaktion auf die Industrielle Revolution. In England führte sie zur Entstehung eines Museums für Kunst und Industrie (das South-Kensington-Museum – heute Victoria & Albert Museum, Anm. d. Red.) in London. Lanna hatte Verständnis dafür, weil er viel durch die Welt reiste. Zuerst wurde er von seinem Vater beauftragt, Handelsreisen zu unternehmen. Später unternahm er aus eigenem Interesse viele Reisen. Immer verknüpfte er seine Fahrten mit Galeriebesuchen. Er besuchte auch Antiquitätenmärkte. Lanna machte keinen Unterschied zwischen der sozusagen hohen Kunst und der einfachen Kunst, wie dies bis heute oft geschieht.“„Ich bin mein eigener Kustos“
Lanna war ein begeisterter Kunstsammler. Unter anderem besaß er wertvolle Graphiken von Albrecht Dürer. Aber er interessierte sich auch für Entwürfe von weniger bekannten Künstlern. Er habe erkannt, dass diese als Vorlage für Verzierungen und Gestaltung von Keramik, Glas oder von Büchern gedient hatten, erzählt die Museumsleiterin.„Dies entsprach bereits der Tätigkeit von Museen. Lanna sagte über sich selbst: ,Ich bin mein eigener Kustos.‘ Das heißt im heutigen Sinne etwa: ,Ich bin mein eigener Kurator.‘ Auf diese Weise baute er seine Sammlungen auf. Diese wurden im Palais Lanna in der Straße Hybernská aufbewahrt. Das Gebäude ließ sein Vater gegenüber dem Bahnhof Mitte (heute Masaryk-Bahnhof, Anm. d. Red.) bauen. Den Bahnhof hat übrigens auch die Firma Lanna errichtet.“
Lanna sammelte die Kunstgegenstände nicht nur für sich. Vielmehr wollte er sie für die Zukunft erhalten. Darum konnte er sich auch für die Idee eines Kunstgewerbemuseums begeistern.„Lanna war unter anderem Verwaltungsmitglied des Museums für Kunst und Industrie in Wien. Er hielt aber auch Prag für einen geeigneten Standort für ein Museum dieser Art. Lanna sammelte gezielt Gegenstände, die er für wichtig hielt. Dem neu entstandenen Prager Museum schenkte er unter anderem seine Glassammlung, die etwa 1000 Gegenstände umfasste. Aus Lannas Sammlung stammen aber auch noch viele weitere Gegenstände, die der heutigen Museumssammlung zugrunde liegen. So planen wir bald eine Ausstellung von Hinterglasmalerei. Und der Großteil der wertvollsten und ältesten Stücke, die aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen, gehörte zur Sammlung von Lanna. Ohne sein Zutun wäre unser Museum nicht so, wie es ist.“
Glassammlung von Weltbedeutung
Vojtěch (Adalbert) Lanna war jahrelang auch Verwaltungsratsvorsitzender des Prager Museums für angewandte Kunst. Den ersten Leitern der Institution stand er zudem beratend zur Seite. Mit der neuesten Ausstellung will das Museum an seine Verdienste erinnern. Filip Wittlich ist Kurator der Schau:„Vojtěch Ritter Lanna war Unternehmer, Mäzen und Kunstsammler. Er war zweifelsohne hierzulande eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts in allen diesen Bereichen. Das Museum hatte das Glück, dass er an der Gründung beteiligt war. Mit seinen Kenntnissen und seiner Sammlerleidenschaft sorgte Lanna dafür, dass das Museum nach seiner Entstehung im Jahre 1885 die Fundamente für seine Sammlungen schrittweise zusammentragen konnte.“
Lanna sammelte ab 1860 Gegenstände aus allen Bereichen des Kunstgewerbes. Diese Dinge wurden damals als „Antiquitäten“ bezeichnet. Laut dem Kurator wurde ihnen aber keinerlei künstlerische Bedeutung beigemessen.
„Lanna konzentrierte sich vor allem auf Glas, Keramik sowie Gegenstände aus Zinn und Eisen. In seinen Sammlungen befanden sich aber auch Graphiken und Gemälde. Die Ausstellung haben wir anlässlich des 110. Todestags des Mäzens zusammengestellt. Gezeigt werden Beispiele aus seiner Sammlung aus Glas, Keramik und Zinn.“
Das Kunstgewerbemuseum oder wie es heute eher genannt wird: das Museum für angewandte Kunst hat heute einen Fundus von mehr als einer Million Gegenständen. Dabei wird eine Zeit von der Antike bis in die Gegenwart umspannt. Die Glassammlung ist weltweit eine der wertvollsten ihrer Art.
An die Familie Lanna erinnern in Prag im Übrigen zwei beachtenswerte Gebäude. Das Palais Lanna ließ Adalbert Lanna der Ältere zu Ende der 1850er Jahre im neogotischen Stil bauen. Dieses Gebäude, das heute als Kulturdenkmal gilt, steht an der Ecke der Straßen Hybernská und Havlíčkova – gegenüber dem Masaryk-Bahnhof. Im Prager Stadtteil Bubeneč befindet sich zudem die Villa Lanna. Diese ließ Vojtěch Lanna der Jüngere 1872 im Neorenaissance-Stil bauen. Das Haus diente als Sommersitz, es befindet sich nahe dem Stromovka-Park. Die Fresken, mit denen die Fassade geschmückt ist, schuf der Maler Viktor Barvitius nach Entwürfen seines berühmten Kollegen Josef Mánes. Verwaltet wird die historische Villa heute von der Akademie der Wissenschaften. Im Haus befindet sich eine Dauerausstellung aus dem Werk des tschechischen Graphikers Oldřich Kulhánek (1940 bis 2013).Die Ausstellung mit dem Titel „Vojtěch Lanna, der Mäzen des Museums“ läuft noch bis 31. März im Museum für angewandte Kunst. Die Öffnungszeiten sind täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, am Dienstag bis 20 Uhr.