Von Gotik bis Kubismus: Museum für angewandte Kunst
Nach seiner Wiedereröffnung zeigt das Prager Museum eine Vorauswahl der späteren Dauerausstellung.
Das Gebäude strahlt in neuem Glanz. Bei der Instandsetzung wurde auch ein neuer Eingang von der Straße Široká eingerichtet. Durch einen kleinen Garten geht es in einen neuen Museumsshop, von dort führt die Treppe in den ersten Stock mit den Ausstellungssälen. Das Museum wurde 1885 gebaut. An der Ausschmückung beteiligt war auch der Maler Karel Vítězslav Mašek, der zusammen mit Alfons Mucha studiert hat. Hauptkurator des Museums ist Radim Vondráček.
„Zu Beginn wollten wir an die Geschichte unserer Sammlungen und die Begründer unseres Museums erinnern: Vojtěch Lanna und Bohumil Bondy. Außerdem steht hier eine Büste von Kaiser Franz Josef I., auch zu kommunistischen Zeit war sie hier, sie wurde jedoch zugedeckt. Zu Anfang ist ein Teil der Glassammlung zu sehen, die der große Mäzen und das Kuratoriumsmitglied Lanna dem Museum geschenkt hat. Es handelt sich um eine im internationalen Maßstab einzigartige Sammlung, die die Geschichte der Glasproduktion dokumentiert. Wir möchten gerne auch einmal eine Sonderausstellung zusammenstellen, die sich nur auf Lannas Sammlung konzentriert.“
Wertvolle Schüssel aus Nürnberg
Im ersten Ausstellungssaal wird die Geschichte des Kunstgewerbes von der Zeit der Gotik bis zum 19. Jahrhundert dargestellt, im zweiten Saal ist angewandte Kunst des 20. Jahrhunderts zu sehen. Die Vorabausstellung trägt den Titel „Director’s Choice“. Es handelt sich um eine Auswahl von Gegenständen, die die gegenwärtige Museumsleiterin Helena Koenigsmarková mit Rücksicht auf die Arbeit ihrer Vorgänger zusammengestellt hat. Eines der ältesten Exponate sei ein Messegewand aus Broumov, sagt Kurator Michal Stříbrný:„Es ist ein herrliches Beispiel gotischer Stickerei. Das Messgewand stammt ursprünglich aus dem Benediktinerstift Břevnov in Prag. Nachdem das Kloster während der Hussitenkriege geplündert und niedergebrannt wurde, gelangte das Kleidungsstück nach Broumov. Gezeigt wird zudem die sogenannte Nürnberger Schüssel. Derartige Schüsseln waren im 15. und 16. Jahrhundert sehr beliebt. Diese ist mit einer Abbildung von Adam und Eva am Baum der Erkenntnis bemalt.“
Die Ausstellung umfasst auch einen Teil des sogenannten Schatzes von Karlstein, der beim Umbau der Burg im 19. Jahrhundert gefunden wurde. Der Schatz wurde vermutlich während der Hussitenkriege in der Burgmauer versteckt. Zum ersten Mal überhaupt werden der Öffentlichkeit zwei Musterbücher der Plattner gezeigt. Sie würden Bilder von Rüstungen aus dem 15. und 16. Jahrhundert enthalten, erzählt Radim Vondráček.
„Das Buch ist schrittweise entstanden, es enthält 100 bis 130 Zeichnungen von Ende des 15. und aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zu sehen sind spätgotische Harnische und Rüstungen sowie deren Zubehör aus der Renaissance-Zeit. Vor etwa 20 Jahren haben wir dieses Album in unseren Sammlungen gefunden, die Zeichnungen sind zwischenzeitlich in der internationalen Fachliteratur veröffentlicht worden. Wir sind froh, dass wir sie nun auch der Öffentlichkeit zeigen können.“Präzision und Schönheit
In einem weiteren Bereich präsentiert das Museum Exponate, die zum Leben der Zünfte gehörten. Michal Stříbrný:
„Hier ist beispielsweise die Zunfttruhe der Prager Handschuhmacher zu sehen. Bei einem genaueren Blick kann man noch die Namen der Meister des Handwerks entziffern.“
Geheimnisvoll wirkende Messgeräte stammen vom Hof Rudolfs II. aus der frühen Neuzeit, sie werden unter dem Titel „Die Kunst der Wissenschaft“ präsentiert.
„Die Bedeutung dieser Geräte besteht nicht nur darin, dass sie sehr präzise waren, sondern auch in ihrer künstlerischen Gestaltung. Der Uhrmacher Erasmus Habermehl hat rund 300 Messgeräte angefertigt, vor allem waren es astronomische und geodätische Instrumente. Etwa 100 davon sind erhalten. In unseren Sammlungen befinden sich einige davon. Sie sind in der Regel aus Messing gegossen und vergoldet.“Über Beispiele angewandter Kunst aus dem Barock und dem Biedermeier gelangt man im zweiten Saal sozusagen zu den Klassikern des tschechischen Designs aus dem 20. Jahrhundert. Eines der Exponate ist für die Schau aus dem Haus zur Schwarzen Mutter Gottes geliehen worden, wo eine Dauerausstellung über den tschechischen Kubismus zu sehen ist. Dazu Michal Stříbrný:
Die Ausstellung mit dem Titel „Director’s Choice“ ist im Museum für angewandte Kunst bis 25. März zu sehen. Das Museum ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
„Dieser Stuhl ist eine Ikone des tschechischen Kubismus, er ist ein Werk von Pavel Janák. Der Künstler hat auch dieses Kaffeeservice oder Aschenbecher entworfen. Janák gehörte zu jenen Architekten und Künstlern, die sich 1908 zum Verein ,Artěl‘ zusammenschlossen. Die Mitglieder schufen dekorative Kunst für das alltägliche Leben. Sie bemühten sich darum, Alltagsgegenständen ein schönes Design zu geben.“
Im Bereich, der die angewandte Kunst des 20. Jahrhunderts zeigt, sind zudem Textilien des namhaften Designers Antonín Kybal zu sehen, Fotografien von František Drtikol oder Werke des tschechisch-amerikanischen Graphikdesigners Ladislav Sutnar.