Das vergessene Handwerk: Als in Přelouč Perlmuttknöpfe erzeugt wurden
Přelouč liegt am linken Ufer der Elbe, direkt an der Bahnstrecke zwischen Kolín und Pardubice. Die Stadt hat 9000 Einwohner, im 19. Jahrhundert war sie ein Zentrum der Perlmuttknopfherstellung. In den 1890er Jahren wurden in den dortigen Werkstätten während einer Woche bis zu 20 Bahnwaggons Perlmutt bearbeitet.
Rudolf II. erhob Přelouč 1580 zur königlichen Kammerstadt. Im 17. und 18. Jahrhundert stagnierte die wirtschaftliche Entwicklung dort. Erst mit dem Anschluss an die Bahnstrecke Prag – Olomouc / Olmütz erlebte Přelouč ab Mitte des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung. Damals verbreitete sich in der Stadt die Perlmuttknopfproduktion. Die Geschichte dieses mittlerweile vergessenen Handwerks in Přelouč beschreibt eine Ausstellung, die Matěj Pešta zusammengestellt hat.
„1858 entstand die erste Manufaktur, die Produktion ging zu Beginn des Ersten Weltkriegs zu Ende. Es gab hier insgesamt 27 Firmen, die Perlmuttknöpfe herstellten. 20 davon waren Kleinunternehmen und sieben große Manufakturen. Mehrere Hundert Menschen lebten von der Knopfproduktion. Sie arbeiteten entweder in den großen Werkstätten oder zu Hause, wo sie eine eigene Drehbank für die Perlmuttbearbeitung hatten.“Perlmuttknöpfe für die USA
Die Handwerker in Přelouč bearbeiteten Perlmutt von Weichtieren aus Japan, aus dem Pazifik und der Adria, erzählt der Kurator der Ausstellung. Das Rohmaterial wurde zuerst nach Wien geliefert. Die Handwerker holten das Material dort ursprünglich selbst ab, später wurde das Perlmutt mit der Bahn nach Přelouč transportiert. Die Knöpfe wurden vor allem in die USA exportiert, erzählt Matěj Pešta.
„Den größten Aufschwung erlebte die Perlmuttknopfherstellung in Přelouč in den 1880er und 1890er Jahren. Danach belegten die USA die Einfuhr der Produkte mit einem Zoll. Die Knöpfe wurden deshalb teurer. Zudem wurde in den USA mit der industriellen Produktion von Perlmuttknöpfen begonnen. Deswegen verloren die Handwerker aus Přelouč ihren wichtigsten Absatzmarkt. Das Stadtmuseum versuchte seinerzeit aber, die Perlmuttbearbeitung als Handwerk zu retten. Es wurden Kurse organisiert, bei denen Interessenten lernten, verschiedene Gegenstände und Schmuck aus Perlmutt anzufertigen.“ Diese Gegenstände sind neben vielen Sorten von Perlmuttknöpfen in der Ausstellung zu sehen. Die Absolventen der Kurse fertigten Haarspangen, Ziernadeln und Kämme an, oder sie verzierten Schmuckkästchen, Tintenfässer, Uhren, Bürsten, Spazierstöcke und anderes mehr. Da viele der Gegenstände kurz vor dem Ersten Weltkrieg hergestellt wurden, ist bei ihnen der Einfluss des Jugendstils zu erkennen. Matěj Pešta:„Verkauft wurden die Gegenstände vor allem in Böhmen. Sie waren ein Souvenir aus der Region von Přelouč. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ging auch diese zweite Phase der Perlmuttbearbeitung in der Stadt allmählich zu Ende. Einige Handwerker versuchten nach dem Krieg, die Produktion wiederzubeleben. Die letzten Gegenstände aus Perlmutt wurden in der Stadt Ende der 1920er Jahre gefertigt.“
Souvenir aus Přelouč
Die Perlmuttbearbeitung war in der Stadt zuvor so verbreitet, dass noch vor dem Ersten Weltkrieg sogar eine Fachschule für Perlmuttknopfhersteller eröffnet werden sollte. Diese Idee konnte aber nicht mehr umgesetzt werden, weil Handwerker wie auch Lehrlinge zum Militär einrücken mussten. Unter ihnen war vermutlich auch der Mann, dessen Facharbeiterbrief in der Ausstellung zu sehen ist. Der Kurator:„Zu den beachtenswerten Exponaten gehört dieser Facharbeiterbrief des Perlmuttknopfherstellers Josef Mifek von 1904, der graphisch sehr schön gestaltet ist. Interessant sind aber auch die Dokumente und Zeitungsartikel, die über einen Besuch kroatischer Akademiker und Politiker im Jahre 1908 in Přelouč berichten. Ziel der Visite war es, die Zusammengehörigkeit slawischer Völker zu unterstützen. Die Gäste schauten sich die Stadt an und interessierten sich offensichtlich für die Perlmuttbearbeitung. Dies erwähnten sie in dem Gespräch, das in einer kroatischen Zeitung veröffentlicht wurde. Ein Exemplar der Zeitung befindet sich in unseren Museumssammlungen.“
Neben Perlmutterzeugnissen, Fotografien und Dokumenten wird im Museum auch eine Drechselbank für die Perlmuttknopfproduktion gezeigt. Sie sieht auf den ersten Blick aus wie eine Nähmaschine.„Die Knopfherstellung war ein verhältnismäßig komplizierter Prozess, der rund zehn einzelne Verfahren umfasste. Zuerst musste das Perlmutt geputzt werden. Danach wurde es auf der Drechselbank weiter bearbeitet. Mit einem speziellen Messer wurde ein Knopf geformt. Dann wurden ein oder zwei Löcher in den Knopf gebohrt. Die Kanten der Knöpfe mussten geschliffen werden. Die Knöpfe wurden auch gefärbt, poliert oder verziert und schließlich sortiert.“
Auch nach mehr als einem Jahrhundert lassen sich Perlmuttsplitter auf den Feldern in der Umgebung der Stadt finden, erzählt Matěj Pešta. Die Handwerker schmissen die Reste weg, die nach der Knopfherstellung übrig blieben.
Evangelische Kirche nach amerikanischem Vorbild
Wenn man den Ausstellungssaal verlässt und hinaus auf den Marktplatz kommt, ist gegenüber die Pfarrkirche Sankt Jakob nicht zu übersehen. Die ursprünglich gotische Kirche mit romanischen Elementen wurde im Barockstil umgebaut. Sie ist das älteste Baudenkmal der Stadt. Matěj Pešta:„Die anderen mittelalterlichen Gebäude sind Anfang des 16. Jahrhunderts bei einem Großbrand zerstört worden. Auch die Renaissance-Häuser fielen dem Brand zu Opfer. Am längsten erhalten blieb das alte Rathaus, es wurde jedoch 1850 abgerissen. Das Stadtbild von Přelouč prägen heutzutage Gebäude aus dem 19. und von Anfang des 20. Jahrhunderts. Einige davon sind wirklich sehenswert. Interessant ist vor allem die evangelische Kirche, bei deren Errichtung man sich von Sakralbauten in den USA inspirieren ließ. Denn der damalige evangelische Pfarrer hatte in den Staaten studiert, und ihm gefielen die dortigen Kirchen einfach. Gleich nach seiner Rückkehr nach Böhmen ließ er sich einen Katalog von evangelischen Sakralbauten aus den USA schicken. Der Prager Architekt Rudolf Kříženecký baute die Kirche dann teilweise nach den Vorlagen aus dem Katalog und teilweise nach seiner eigenen Phantasie. Das Resultat ist eine Kirche, die Elemente der Neorenaissance mit Elementen der Sakralarchitektur aus den USA verbindet. Die Kirche hat einen viereckigen Grundriss. Aus einer der Ecken ragt der Turm empor. Ein solcher Sakralbau ist in Tschechien einzigartig.“
Die Ausstellung über die Perlmuttknopfproduktion in Přelouč ist im Kultur- und Informationszentrum der Stadt zu sehen, und zwar noch bis 7. Mai. Geöffnet ist die Ausstellung am Montag und Mittwoch von 8 bis 17 Uhr, am Dienstag von 8 bis 18 Uhr, am Donnerstag und Freitag von 8 bis 15 Uhr sowie am Samstag von 8 bis 11 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos.