Den sächsischen Grundschulen steht das Ende des Faches Begegnungssprache bevor - Tschechischunterricht gibt es künftig höchstens noch auf fakultativer Basis

Dass Kinder in den grenznahen sächsischen Schulen im Unterricht die Sprache ihrer Nachbarländer - in diesem Fall Polnisch und Tschechisch - lernen, darum hat sich das sächsische Kultusministerium seit Beginn der 90er Jahre in besonderem Maße bemüht. Durch das obligatorische Fach "Begegnungssprache" sollten die Kinder bereits früh, ab der 3. Klasse, spielerisch für Fremdsprachen sensibilisiert werden und ihre frisch erworbenen Kenntnisse dann in der direkten Begegnung mit dem Nachbarn dann auch sofort ausprobieren können. Und später in den weiterführenden Schulen dann selbstverständlich auch andere Fremdsprachen, insbesondere Englisch, dazu lernen.

So die Theorie. In der Praxis wählten weit über 90% der Schulen aus den vom Kultusministerium zur Auswahl gestellten sieben Sprachen als Begegnungssprache nicht die Sprache des Nachbarn, sondern Englisch. Das Kultusministerium bemühte sich, hier durch verschiedene Aktionen und Maßnahmen motivierend einzugreifen und auch zum Unterrichten weniger verbreiteter Sprachen anzuregen.

Doch jetzt zeichnet sich hier ein Wandel ab und in 2-3 Jahren soll an sämtlichen sächsischen Grundschulen auf Englisch als 1. Fremdsprache umgesattelt werden. Über Hintergründe hierzu erfahren Sie mehr in den folgenden Minuten. Am Mikrofon begrüßt Sie Silja Schultheis.

"Wir arbeiten derzeit an neuen Lehrplänen und haben uns entschieden, dann wenn diese neuen Lehrpläne in Kraft treten, nicht mehr das Fach Begegnungssprache, sondern Englisch in der Grundschule zu unterrichten. Und zwar mit zwei Stunden in der 3. und 4. Klasse. Wir wollen aber die sog. kleinen Sprachen', und dazu gehört auch Tschechisch, weiter erhalten über Arbeitsgemeinschaften."

Soweit Ingrid Katschner, Referatsleiterin Grundschulen im Sächsischen Kultusministerium. Und die Gründe für diesen Wandel? Einer hat hier offenbar eine ganz entscheidende Rolle gespielt:

"Der Wunsch der Eltern nach der Sprache Englisch steht hier eigentlich an erster Stelle. Das kann man nicht vom Tisch diskutieren, das ist einfach so."

Bislang gingen die Bemühungen des Kultusministeriums dahin, die Grundschulen von der Wichtigkeit zu überzeugen, v.a. in den Grenzregionen die Sprache des Nachbarn zu lernen. Dafür wurde nicht nur u.a. durch das Begegnungssprache-Konzept die praktische Voraussetzung geschaffen, sondern darüber hinaus versucht, die Schulen durch verschiedene Initiativen wie beispielsweise das "Aktionsjahr der Sprachen" im Schuljahr 2000/2001 zur tatsächlichen Einführung von Tschechisch-Unterricht zu ermuntern. Auch Fortbildungen und Arbeitstagungen für (künftige) Tschechisch-Lehrer wurden vom Kultusministerium angeboten.

Wird diese Fremdsprachenkonzeption jetzt einem kompletten Wandel unterzogen? Ingrid Katschner:

"Komplett würde ich vielleicht nicht sagen. Wir mussten uns an diesem Punkt, wo neue Lehrpläne erarbeitet werden, entscheiden: Wollen wir weiterhin das Konzept Begegnungssprache umsetzen, wo die Schüler in der 5. Klasse neu anfangen? Oder wollen wir ein durchlaufendes Konzept entwickeln ab der 3. Klasse, ein ergebnisorientiertes, zielgerichtetes Fremdsprachenlernen. Und dafür haben wir uns entschieden. Und wenn es jetzt weiterführend ist, dann kann man schlecht unterschiedliche Sprachen anbieten. Die weiterführenden Schulen hätten ganz große Probleme, wenn jetzt Kinder mit verschiedenen Fremdsprachen-Vorkenntnissen kommen und das soll dann weitergeführt werden. Das geht dann nur mit einer Sprache."

Was bedeutet die geplante Neuregelung nun für diejenigen - wenigen - Schulen, die gegenwärtig als Begegnungssprache tatsächlich Tschechisch anbieten? Wird es ihnen nach Einführung des Englischunterrichtes gelingen, Tschechisch auf freiwilliger Basis in Form von Arbeitsgemeinschaften fortzuführen? Und vor allem auch die Schüler dafür zu gewinnen?

Steffi Dienel, Leiterin der Grundschule Oberottendorf im Kreis Sächsische Schweiz, nahe Sebnitz, elf Kilometer von der tschechisch-deutschen Grenze entfernt:

"Ich sag einmal, es kommt drauf an. Sicherlich wird auch viel davon abhängen, wie die Eltern ihre Kinder motivieren, wie es uns gelingt, die Kinder zu motivieren, weiterhin an einer Arbeitsgemeinschaft teilzunehmen."

Wie ist es überhaupt gelungen, Tschechisch in Oberottendorf salonfähig zu machen, wo doch andere grenznahe Schule häufig dem Drängen der Eltern nachgeben und gleich mit Englisch beginnen, was von den meisten als nützlicher betrachtet wird?

"Ich muss sagen, jedes Jahr haben die Eltern die Anfrage gestellt: Warum ist es in unserer Schule Begegnungssprache Tschechisch, obwohl es in den benachbarten Schulen Englisch gibt. Und bei uns eben gerade Tschechisch. Ich konnte den Eltern das eigentlich, denke ich, recht gut begründen, da ich der Meinung bin: Wir leben hier im Grenzgebiet, viele Eltern nutzen den 'kleinen Grenzverkehr', um in das benachbarte Land zu gelangen. Das ist das eine Argument. Und das andere Argument ist, dass die Schüler, wenn sie ab Klasse fünf dann Englisch gelernt haben, nicht benachteiligt gewesen sind. Und die Meldungen von den Mittelschulen und Gymnasien dann so an uns gekommen sind, und das habe ich dann natürlich an die Eltern weitergegeben. Und das hat eigentlich dann die Eltern in dem Moment überzeugt, oder erst einmal beruhigt, sag ich mal so."

Und dennoch, betont sie weiter:

"Die Anfrage ist da gewesen: Warum Tschechisch und nicht Englisch? Englisch ist nun einmal Weltsprache, Computersprache und eine ganz wichtige Sprache, denke ich. Und deshalb je früher desto besser, denke ich. Aber das andere sollte man dabei auch nicht aus dem Auge verlieren. Und ich bin, muss ich sagen, etwas Lokalpatriot und sage, dass es den Kindern ganz gut tut, wenn sie vom Nachbarland doch einige Dinge kennen lernen, wie die Sitten und Bräuche da sind, ganz einfachen Sprachgebrauch. Weil es ja nun einmal unsere Nachbarregion ist und die Kinder dazu auch eine Beziehung haben."

Fr. Thomä, Leiterin der August-Bebel-Grundschule Klingenthal im Vogtlandkreis, die bereits seit Jahren Kontakte zum benachbarten Kraslice auf der tschechischen Seite hat und neben der Begegnungssprache Englisch mit Erfolg Tschechisch auf freiwilliger Basis anbietet - bereits im Kindergarten - macht noch auf ein ganz anderes, existentielles Problem aufmerksam, mit dem ein beträchtlicher Teil der sächsischen Schulen in den letzten Jahren verstärkt zu kämpfen hat:

"Unsere Schule wird ja geschlossen. Das ist natürlich schon ein Einschnitt, und man kann da nur das Beste hoffen. Aber das ist ja immer so bei solchen Sachen. Was nicht in Ordnung ist. Für mich ist die Schließung von Schulen und Kindereinrichtungen etwas Unmögliches. Wenn man so ein schönes Gebiet kindereinrichtungsfrei macht. Da sollte man anderswo sparen."

Trotzdem ist Frau Thomä optimistisch, dass die an der August-Bebel-Grundschule begonnene Initiative fortgeführt wird und der Tschechischunterricht den Klingenthaler Grundschülern auch künftig erhalten bleibt: "Die AG soll aber weitergeführt werden. Wir haben also die Möglichkeit, das auch an einer anderen Schule weiter zu lehren. Und wir hoffen, dass die Kinder, die das bei uns gemacht haben, das dann auch an der anderen Schule weiter führen. Das wäre sonst sehr schade, wenn das verloren ginge. Und in Anbetracht eines gemeinsamen Europas hoffe ich schon, dass die Verbindungen nach Kraslice - wir hatten ja sehr gute Verbindungen -, dass die dann fortgesetzt werden."

Liebe Hörerinnen und Hörer, mit diesem Wunsch geht unserer heutiges Themenkaleidoskop zu Ende. Für Ihre Aufmerksamkeit bedankt sich Silja Schultheis.