Der Film Ceský sen vertritt die Tschechen auf dem Filmfestival in Locarno

Filip Remunda und Vit Klusak

Vergangenen Mittwoch wurde das 57. Internationale Filmfestival in Locarno im Schweizer Tessin am Lago Maggiore eröffnet, das noch bis zum 14. August andauert. Im Wettbewerb um den Goldenen Leoparden stehen 18 Filme aus 17 Ländern. Tschechien wird durch den kontrovers diskutierten Film Ceský sen/ Der tschechische Traum von den Regisseuren Vít Klusák und Filip Remunda vertreten. Unsere freie Mitarbeiterin, Karin Rolle, berichtet.

Filip Remunda und Vit Klusak
Das Filmfestival in Locarno gehört neben Berlin, Cannes und Venedig zu den so genannten A-Festivals. Unter dem politischen Blick der linken Filmkritikerin und Leiterin des Festivals, Irene Beniardi, wurden insgesamt rund 350 Filme ausgewählt, die bis zu 200.000 Besucher verfolgen werden. Der tschechische Film Ceský sen erfüllt den politischen Anspruch des Festivals, Entwicklungen im eigenen Land kritisch zu reflektieren, auf kontrovers diskutierte Art und Weise. Er spielt auf die Veränderungen in Tschechien nach der Samtenen Revolution an, nämlich auf den Einzug des Kapitalismus und die aggressive Präsenz der Werbeindustrie. Dazu Filip Remunda:

"Der Film spielt in unserer Zeit, das heißt 15 Jahre nach der großen Wende im Jahre 1989. Damals kannten wir den Kapitalismus und die mit diesem verbundene Werbeindustrie noch nicht. Wir betrachteten Reklame als ein spezifisches Phänomen des österreichischen oder deutschen Fernsehens. Was wir kannten, war die kommunistische Propaganda. Doch dann änderte sich alles sehr schnell. Der Kapitalismus zog in Form von Werbeindustrie und aus dem Boden gestampften Supermärkten ein, was eine sehr aggressive Entwicklung zu nehmen begann. Das erschien uns sehr seltsam. Wir hatten das Gefühl, dass uns ständig jemand zu etwas überreden möchte. Der Film ist eine Reaktion auf diese seltsame Zeit, derer wir uns vielleicht auch heute noch nicht bewusst sind. [...] Diese Zeit also haben wir festgehalten und den Film Ceský sen gedreht."

Hypermarkt namens Ceský sen
Ceský sen dokumentiert eine Aktion der beiden Regisseure, in der sie sich als zwei aufstrebende Jungunternehmer verkleiden, die einen neuen Hypermarkt, namens Ceský sen, aus dem Boden stampfen wollen. Eine professionell angelegte Werbekampagne, Spots in Radio und Fernsehen, riesige Plakate und Flyer kündigen den neuen Supermarkt an. Am Tag der Eröffnung strömen Tausende von Menschen auf den Supermarkt zu. Doch kurz vor dem Erreichen der Eingangstüren zerplatzt für die Menge der Traum des unbegrenzten Shoppings zu Tiefstpreisen. Denn die Fassade des Shoppingparadieses entpuppt sich als Attrappe.

Ceský sen berichtet über einen Hypermarkt, der nicht existierte. Die Regisseure dokumentieren eine Zeit, in der die Tschechen unter Freiheit nicht mehr eine politische Wende oder die Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern die unbegrenzte Welt des Konsums verstehen. So wie die Menschen durch die Eingangstüren auf eine leere freie Wiese rennen, so scheint der heutige Traum der Tschechen ins Leere zu führen.

Noch einmal Filip Remunda auf die Frage, ob er diese Entwicklung für ein spezifisch tschechisches Phänomen hält:

"Es handelt sich um eine spezifisch tschechische Entwicklung, insofern hier innerhalb von 4 bis 5 Jahren 120 Supermärkte entstanden. Dazu brauchte es im ehemaligen Westdeutschland 25 Jahre - ein viertel Jahrhundert. In Tschechien war diese Entwicklung also viel dramatischer und schneller. Dennoch zeigt der Film aus einer bestimmten Sicht auch die Entwicklungen der gesamten Welt auf. Unser Film berührt also nicht nur die Tschechische Republik."

In diesen Tagen erlebt Ceský sen seine internationale Premiere. Die Regisseure hoffen, auf dem Festival in Locarno Kontakte zu knüpfen, die den Film auch in die deutschen Kinos führen werden. Außerdem verhandeln sie bereits mit den Sendern ZDF und Arte, die eine Ausstrahlung des Filmes in Aussicht stellen.

Bleibt nur zu hoffen, dass diese Bemühungen gelingen, denn schließlich behandelt Cesky sen einen Traum, der nicht nur in Tschechien geträumt wird.

Mehr über den Film Cesky sen und die kulturellen Entwicklungen, die der Film anspricht, können Sie am Dienstag, den 17.8., in der Rubrik Forum Gesellschaft in einem ausführlicheren Bericht von Thomas Kirschner erfahren.