Der Herr, der heilige Wenzel und das Vaterland in den Nationalhymnen der Tschechen

Ein Feiertag wird am 28. September, dem Namenstag aller Václavs, in Tschechien begangen. Er geht zurück auf den heiligen Václav - Wenzel, den die Tschechen als einen Gründer ihres Staates verehren. Wenzel – Václav war ein böhmischer Fürst im 10. Jahrhundert, der später auch als Heiliger verehrt wurde. Er ist der wichtigste böhmische Landespatron und gilt als Symbol der tschechischen Staatlichkeit. Auch aus diesem Grund ist sein Todestag und Gedenktag am 28. September im Jahr 2000 zum Tag der Staatlichkeit erklärt worden. Jeder Staat wird durch seine Staatssymbole öffentlich repräsentiert. Zu diesen zählen die Staatsfarben, das Staatswappen, die Staatsflagge, die Präsidentenstandarte und das Staatssiegel. Kein visuelles, sondern ein klangliches Symbol ist die Staatshymne.

Seit genau 180 Jahren existiert das Lied „Kde domov můj“ („Wo ist mein Heim“), das im Jahr 1920 zur Staatshymne erhoben wurde. Aber auch vorher gab es Lieder, die zu besonderen Gelegenheiten gesungen beziehungsweise gespielt wurden und als eine Art Nationalhymne galten.

Im frühen Mittelalter war es der Choral „Hospodine, pomiluj ny“ – Herr, erbarme dich. Der älteste Beleg des Liedes stammt aus der Mitte des 11. Jahrhunderts. Es wurde bei der Wahl von Fürst Spytihněv II. gesungen. Mit Sicherheit ist der Choral aber älter. Diese Vermutung bestätigen altslawische Wörter im Text sowie der abschließende Aufruf Krleš – eine Variante des griechischen Kyrie eleison. Der Autor ist nicht bekannt. Das Kirchenlied wurde nicht nur in der Kirche gesungen, sondern erklang auch bei feierlichen Gelegenheiten und als Kampflied. Karl IV. ließ es nahm es in die Krönungszeremonie auf. Das Lied war eine Inspirationsquelle für mehrere Komponisten der Neuzeit. Antonín Dvořák lässt es in seinem Oratorium Hl. Ludmila erklingen, von Leoš Janáček gibt es Variationen des Liedes „Hospodinye, pomiluj ny“ für ein Vokalquartett und einen gemischten Chor in Begleitung von Orgel, Harfe, und Blechinstrumenten.

„Hospodine,  pomiluj ny“
Das Lied „Hospodine, pomiluj ny“ war eine der ersten Nationalhymnen der Tschechen. Eine weitere war zweifelsohne auch der Choral Svatý Václave. Der Choral Svatý Václave ist eine tschechische Kirchenhymne. Ihre Wurzeln liegen im 12. Jahrhundert. Sie hatte ursprünglich drei Strophen, im Laufe der Zeit wurden weitere ergänzt. Es handelt sich um ein Gebet zum heiligen Wenzel, dem Fürsten und Landespatronen der Tschechen. Die Gläubigen bitten Ihn um Hilfe und Schutz für ihr Volk. Der Choral wurde lange Jahrzehnte als Nationalhymne betrachtet. Nach der Gründung der Tschechoslowakei wurde sogar ernsthaft über die Anerkennung des Lieds als Staatshymne diskutiert. Der Choral wurde auch in mehreren Kompositionen wiederbelebt. Josef Suk hat seine „Meditation auf den Sankt-Wenzel-Choral“ für ein Streichquartett komponiert.

In der Zeit der nationalen Wiedergeburt wurde auch das Lied geboren, das heute die Staatshymne der Tschechischen Republik ist. Vor 180 Jahren, im Dezember 1834, hat der damals sehr populäre Dramatiker Josef Kajetán Tyl im Ständetheater in Prag das Stück "Fidlovačka - Das Schusterfest" aufgeführt. Es handelte sich um ein Volksstück, das von mehr als 20 Liedern begleitet wurde. Die Musik komponierte František Škroup, ein bekannter Komponist seiner Zeit und Kapellmeister im Ständetheater. In dem Stück erklang zum ersten Mal auch das Lied "Kde domov můj" ("Wo ist mein Heim, mein Vaterland"), dessen Text die Schönheit des Vaterlandes besingt. Die Theaterposse an sich war kein Publikumserfolg, das Lied selbst jedoch begann sich von nun an ein Eigenleben. Es wurde auf Konzerten und Akademien gesungen, und schlug allmählich Wurzeln im Bewusstsein der Menschen. Das Heimatlied verwandelte sich allmählich in eine Art Nationalhymne. Sie wurde zu besonderen Gelegenheiten, bei Volksfesten, bei der Grundsteinlegung für den Bau des tschechischen Nationaltheaters, bei Volksversammlungen spontan angestimmt. Nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik wurde sie als Staatshymne anerkannt. Wo ist mein Heim?, wird in dem Lied gefragt. „Mein Heim“ – „Můj domov“ heißt auch eine Komposition, die Antonín Dvořák im Jahr 1882 komponiert hat. Es war eine Ouvertüre zum Theaterstück „Josef Kajetán Tyl“ von František Ferdinand Šamberk.