Der Lissabon-Vertrag auf der langen Bank – Ratifizierung verschiebt sich weiter
Lissabon und kein Ende. Am Mittwoch traf sich der außenpolitische Ausschuss des Abgeordnetenhauses um über den Lissabon-Vertrag zu beraten, der die Europäische Union reformieren soll. Europa wartet darauf, dass Tschechien den Vertrag endlich ratifiziert. Tschechien ist neben Irland das letzte EU-Land, das den Lissabon-Vertrag auf die lange Bank geschoben hat. Das Ergebnis der Ausschuss-Tagung: Die Verhandlungen über das Dokument wurden auf der Bank noch ein Stückchen weiter geschoben - und zwar auf Mitte Februar. Patrick Gschwend berichtet.
Für die Vertagung der Verhandlungen auf den 15. Februar stimmten im außenpolitischen Ausschuss des Abgeordnetenhauses die regierenden Bürgerdemokraten. Sie wollen vorher eine Änderung der Verhandlungsordnung des Abgeordnetenhauses durchsetzen. Der Vizepremier für Europa-Angelegenheiten, Alexandr Vondra, ebenfalls ein Bürgerdemokrat, hatte ursprünglich auf eine rasche Ratifizierung des Lissabon-Vertrags gedrängt. Mittlerweile zeigte Vondra aber Verständnis für die Position seiner Parteikollegen:
„Es gilt die These, dass man parallel zur Ratifizierung des Lissabon-Vertrags die Novelle zur Verhandlungsordnung des Abgeordnetenhauses vorbereiten sollte. Die Änderungen in der Verhandlungsordnung würde den Abgeordneten garantieren, dass eventuelle weitere Vertragsänderungen und Übertragungen von Kompetenzen auch nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags ohne die ausdrückliche Zustimmung des Parlaments nicht möglich sein werden.“Die bürgerdemokratischen Mitglieder des außenpolitischen Ausschusses fahren nun eine ähnliche Linie wie ihre Parteikollegen im verfassungsrechtlichen Ausschuss des Abgeordnetenhauses und im Senat, die bereits in der vergangenen Woche eine Verschiebung der Verhandlungen über den Lissabon-Vertrag durchsetzen konnten. Das Pikante an der Sache ist: Auf die Novelle zur Verhandlungsordnung wartet das Abgeordnetenhaus schon seit 16 Jahren, bisher ohne Ergebnis. So war aus den Reihen der Bürgerdemokraten auch zu hören, dass man über eine neue Verhandlungsordnung ruhig noch ein halbes Jahr diskutieren könne. Das wiederum würde eine Ratifizierung des Lissabon-Vertrags noch während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft unmöglich machen. Der Vorsitzende des Außenausschusses, Jan Hamáček von den oppositionellen Sozialdemokraten, vermutet daher eine reine Obstruktionspolitik der Vertragsgegner.
„Die Änderung der Verhandlungsordnung ist etwas, das durch die Ratifikation des Lissabon-Vertrags hervorgerufen werden kann. Aber es gibt nach der Ratifizierung noch genügend Zeit, diese Debatte separat zu führen.“Auch einige Politiker der Regierungskoalition sehen das ähnlich. Kateřina Jacques von den Grünen, die zusammen mit dem dritten Koalitionspartner Christdemokraten für die Ratifizierung des Lissabon-Vertrags sind, zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung des Außenausschusses:
„Aus meiner Sicht verhält sich der außenpolitische Ausschuss wie ein Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt und glaubt, dass er nicht zu sehen ist. Aber das ist nicht so.“
Fest steht: Europa wartet weiter auf die Ratifizierung des EU-Reformvertrags durch Tschechien. Lissabon und kein Ende.