Der „Löwe aus Prag“

Přemysl Otakar II. (Foto: GiMa38, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)
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Er galt als sehr reich und hat die Länder der böhmischen Krone bis an die Adria ausgedehnt: Gemeint ist Přemysl Otakar II., der im 13. Jahrhundert insgesamt 25 Jahre lang regierte. Was ist aber dran an den Zuschreibungen, und wie sah seine Herrschaft aus?

Přemysl Otakar II.  (Foto: GiMa38,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)

Přemysl Otakar II.  (Foto: Acoma,  Wikimedia Commons,  Public Domain)
Seit 1198 war Böhmen ein Königreich mit erblichem Titel. Unter Přemysl Otakar II. erreichte es aber seine größte Ausdehnung, inklusive großer Teile des heutigen Österreichs und auch dem Friaul. Der Herrscher selbst erlangte auch dadurch eine Machtfülle, wie sie kein anderer aus dem Hause der Přemysliden hatte.

Herrschaft über Österreich

Noch bevor Přemysl Otakar II. von seinem Vater Wenzel I. den Königstitel erbt, übernimmt er bereits die Herrschaft über Österreich. Er macht sich dabei den Tod des letzten männlichen Erben der Babenberger zunutze. Diese sind damals Markgrafen und Herzöge von Österreich. Der junge Přemyslide heiratet also Margarete von Babenberg. Václava Kofránková ist Historikerin an der tschechischen Akademie der Wissenschaften:

„Margarete war seine erste Frau und war deutlich älter als er. Sie war über fünfzig Jahre alt, er kaum zwanzig. In jedem Fall war es eine politische Heirat wie viele im Mittelalter. Damals ging es darum, dass die Ehefrau die Ansprüche auf den österreichischen Herzogsthron sichert. Zugleich bestand die Möglichkeit, eine Lösung zu finden, um sich Margarete später zu entledigen. Denn allen war auch klar, dass aus diesem Bund kein Thronfolger entstehen würde.“

Karte Böhmen unter Přemysl Otakar II.  (Quelle: Maximilian Dörrbecker,  Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0)
Přemysl Otakar II. ist sehr ambitioniert. 1253 übernimmt er nach dem Tod seines Vaters die böhmische Königskrone. Sein Ziel ist aber, die Kaiserwürde im Heiligen Römischen Reich zu erlangen. Das wird ihm allerdings nicht gelingen. Doch sein Herrschaftsgebiet reicht zu gewissen Zeiten von der Lausitz bis ins Friaul. Allerdings dürfe man dabei nicht an einen einheitlichen Staat denken, sagt der Historiker Josef Žemlička:

„König Přemysl herrschte über ein Gebiet, das man am ehesten als Staatenbund bezeichnen könnte. Jedes der Länder hatte seine eigene Verwaltung und Rechtsgepflogenheit. Das heißt, in Böhmen wurde anders geurteilt als in Österreich, in der Steiermark oder in Kärnten, aber auch als in der Gegend um Cheb. Dieser Komplex an Ländern wurde nur durch den Herrscher zusammengehalten. Es gab, könnte man sagen, eine gemeinsame Außenpolitik, aber bei den Finanzen ist jeder Teil seine eigene Linie gefahren. Daraus entstanden im weiteren Lauf der Herrschaft unterschiedliche Konflikte, vor allem als sich Přemysl Otakar vom Adel entfremdete.“

Gerade die Machtfülle wird mit der Zeit etwa den Kurfürsten im Reich suspekt. 1260 schlägt Přemysl Otakar II. die Ungarn in der Schlacht bei Kesselbrunn. Im Frieden von Wien gelangt er auch an die Steiermark. Das ist übrigens der Moment, an dem sich der Herrscher von Margarete scheiden lässt. Stattdessen heiratet er die deutlich jüngere Kunigunde von Halitsch, eine Enkelin des Königs von Ungarn. Durch einen Erbvertrag gelangt der Přemyslide dann 1269 auch noch an Kärnten und die Krain.

Gründung von Städten

Karel Javůrek: Přemysl Otakar II. und Kunigunde von Halitsch  (Quelle: Nationalgalerie in Prag,  Wikimedia Commons,  Public Domain)
Přemysl Otakar II. fördert während seiner Regentschaft besonders die Städte. Rund 30 entstehen unter seinem Zutun, von Königsberg bis Bruck an der Murr. Es ist ein gezieltes Vorgehen.

„Wenn ein Herrscher, wie in diesem Fall, Städte entlang von Handelsrouten gründet und in Grenznähe, dann sieht das durchaus nach einem Konzept aus. Es waren Städte in den neu gewonnenen Gebieten, die zu Handelszentren wurden. Oder im Fall von Marchegg und Leoben richtete sich die Lage eindeutig gegen Ungarn. Das spricht dafür, dass der Herrscher ganz allgemein die Gebiete sowohl in wirtschaftlicher, als auch in militärischer Hinsicht stärken wollte“, erläutert Václava Kofránková.

Přemysl Otakar II. tritt nicht mehr wie viele frühere Herrscher aus seinem Geschlecht in Bescheidenheit auf. Die Städte werfen Profit ab für das Staatssäckel, wenn auch längst nicht gleich, sondern erst nach 10 bis 15 Jahren. Zugleich ist der böhmische König praktisch die ganze Zeit unterwegs in seinem Riesenreich, wie Josef Žemlička ergänzt:

Antoni Boys: Rudolf von Habsburg  (Quelle: Wikimedia Commons,  Public Domain)
„Wenn man alles zusammenzählt, dann verbrachte er die meiste Zeit im Sattel. In meinem Buch habe ich das für eines der Jahre beispielhaft errechnet. Da gelangte der Herrscher aus Böhmen bis in die südlichsten Teile seines Reichs. Auf dem Weg zurück nach Prag machte er dann noch einen Bogen durch Nordböhmen und nach Písek, bis er in Prag wieder ankam. Mehrere Monate lang war er auf Reisen und sah die Hauptstadt nicht. Dabei begleitete ihn aber nur ein kleiner Hofstaat. An den einzelnen Stationen gab es Treffen mit den Honoratioren, und es wurde Gericht gehalten. Der König stellte sich vor und ernannte eventuell seine Vertreter. Dabei war die Reisegeschwindigkeit ziemlich hoch.“

All das hilft Přemysl Otakar II. jedoch im Endeffekt herzlich wenig. Denn 1273 scheitert er bei der Königswahl im Heiligen Römischen Reich. Die Kurfürsten entscheiden sich stattdessen für den vermeintlich „armen“ Rudolf von Habsburg. In der Folge kommt es zum gemeinsamen Konflikt, man könnte sagen: zum Kampf um Mitteleuropa. Denn der böhmische König erkennt den neuen König des Reichs nicht an. Rudolf von Habsburg fordert im Gegenzug die Herausgabe unter anderem von Österreich und der Steiermark, letztlich verhängt er die Reichsacht gegen den Herrscher aus Prag.

Tod auf dem Schlachtfeld

Schlacht auf dem Marchfeld  (Anton Romako: Rudolf von Habsburg an der Leiche Přemysl Ottokars,  Quelle: Österreichische Galerie Belvedere,  Wikimedia Commons,  Public Domain)
1276 muss Přemysl Otakar II. auf all die neugewonnen Gebiete verzichten. Doch der machthungrige Herrscher aus Prag greift zu den Waffen. Am 26. August 1278 kommt es zur großen Ritterschlacht auf dem Marchfeld im heutigen Niederösterreich. Dabei wird der „Löwe aus Prag“, wie er auch heißt, erschlagen. Danach tut Rudolf von Habsburg seinen Triumph deutlich kund. Die in Wien lebende Historikerin Dunja Slavik schilderte dies unlängst in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Rudolf manifestierte den Sieg, indem er den toten Körper des Besiegten gezielt durch jene Orte fahren ließ, in denen Přemysl Otakar seine Anhänger hatte. Auf diese Weise erniedrigte er seinen einst so mächtigen Gegner. Die Fahrt ging durch Marchegg, eine Stadtgründung von Otakar, und in der Augusthitze dann nach Wien. Allerdings wissen wir nicht, wie lange dies gedauert hat.“

Schlacht auf dem Marchfeld  (Quelle: Wikimedia Commons,  Public Domain)
Ohne Glockengeläut wird der Leichnam ins Minoritenkloster gebracht. Erst später dürfen die sterblichen Reste von Přemysl Otakar II. nach Prag überführt werden. Dass man sich des Körpers seines Gegners bemächtigte, sei im Mittelalter nicht so ungewöhnlich gewesen, ergänzt Václava Kofránková:

„Aus der Sicht von Rudolf war es wichtig, seine Macht zu demonstrieren und zu beweisen, dass seine Übernahme der Herrschaft legitim war. Dies geschah eigentlich schon durch den Sieg in der Schlacht auf dem Marchfeld. Damit zeigte er, dass er in der Auseinandersetzung mit Přemysl Otakar im Recht gewesen war. Doch er musste den Bürgern von Wien und allen anderen Anhängern des böhmischen Königs auch verdeutlichen, wer der wahre Herr ist. Damit wurde möglichen Aufrührern demonstriert, was passieren könnte, falls sie sich Rudolf widersetzen würden.“

Dass Rudolf den Kampf für sich entschied, ermöglichte in der Folge den Aufstieg der Habsburger zur Großmacht in Europa. Und von 1526 bis 1918 herrschten sie dann auch über das Königreich Böhmen.

Autor: Till Janzer
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