Der Rundfunk im Protektorat III

Reinhard Heydrich
0:00
/
0:00

Auch in diesem Kapitel aus der tschechischen Geschichte setzen wir unsere Sendereihe über den Rundfunk im Protektorat fort. Diesmal erfahren Sie von Katrin Bock einiges über organisatorische Veränderungen des Protektoratrundfunks.

Mit der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren im März 1939 begann für den Tschechischen Rundfunk ein neues Kapitel. In den ersten Wochen der deutschen Okkupation wurden alle nicht arischen Mitarbeiter entlassen, über die Sendungen wachte eine scharfe Zensur. Fortan durfte nur noch im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie gesendet werden. Wie in den letzten Sendungen erfahren Sie auch heute viel Interessantes von Rick Pinard, der sich seit langem mit der Geschichte des Tschechischen Rundfunks im Protektorat beschäftigt. Seiner Meinung nach ging es dem Tschechischen Rundfunk trotz aller Maßnahmen vergleichsweise gut:

"Es wurde immer weiter eingeschränkt, es kamen dann neue Regelungen im Laufe des Protektorats z.B. es sollte 50:50 deutsche und tschechische Musik gesendet werden. Aber die Tschechen waren während des Kriegs sehr viel besser dran als z.B. die Polen, für die das Senden in der polnischen Sprache absolut verboten war."

Nicht nur die Sendungen und Mitarbeiter änderten sich nach März 1939, auch die Stellung und Organisation des Rundfunks musste sich der neuen Situation anpassen. Und noch etwas änderte sich - der Name:

"Halo, halo, zde Radiojournal."

Mit dieser Ansage meldete sich im Mai 1923 zum ersten Mal das Radiojournal. So hieß der Rundfunk in der Tschechoslowakei auch bis zum Oktober 1938. Nach dem Münchner Abkommen und der damit verbundenen Abtretung der überwiegend von Deutschen besiedelten Grenzgebiete wurde der Rundfunk im Dezember 1938 in Tschecho- Slowakischer Rundfunk (mit Bindestrich) umbenannt. Nach der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren am 16. März 1939 kam es zu einer Aufspaltung: der slowakische Rundfunk wurde selbständiger Rundfunk im neu errichteten Slowakischen Staat. Im Protektorat existierten nun parallel ein deutscher und ein tschechischer Rundfunk:

"Zunächst von März 39 bis etwa Juni 39 ging man zum alten Namen Radiojournal zurück, der war natürlich ziemlich neutral und dann benannte man ihn einfach Tschechischer Rundfunk - Cesky rozhlas, genau wie heute. Und wenn Sie im Archiv arbeiten, also wenn man dort alte Briefe sieht, da sieht man erst deutsch "Tschechischer Rundfunk", und darunter steht tschechisch "Cesky rozhlas"."

Reinhard Heydrich,  foto: Bundesarchiv,  Bild 146-1969-054-16 / Hoffmann,  Heinrich / CC-BY-SA / Wikimedia Commons 3.0
Am 28. September 1941 traf Reinhard Heydrich als neuer stellvertretender Reichsprotektor in Prag ein, was live im Tschechischen Rundfunk berichtet wurde. In einer geheimen Rede machte Heydrich damals keinen Hehl aus seinem Deutschtumsprogramm: das Gebiet des Protektorats sollte germanisiert werden. Bereits im Herbst 1941 begannen die Deportationen von Protektorats-Juden nach Polen, im November 1941 traf der erste Transport in Theresienstadt ein. Am 19. Januar 1942 ernannte Heydrich eine neue Regierung und führte Veränderungen in der Protektoratsverwaltung durch. Auch der Tschechische Rundfunk blieb von seinen Maßnahmen nicht verschont: Heydrich ließ eine Liste der Angestellten mit jüdischen Ehepartnern anfertigen und verlangte von leitenden Angestellten Deutschprüfungen. Noch 1941 wurde der Tschechische Rundfunk mit dem deutschsprachigen Reichssender Böhmen in der Sendegruppe Böhmen und Mähren zusammengefasst, womit er seine bisherige - wenn auch begrenzte- autonome Stellung verlor. Die Sendegruppe wurde Bestandteil des Reichsfunks und unterstand direkt dem Reichspropagandaministerium. Am 1. Januar 1942 wurde Ferdinand Thürmer zum neuen Intendanten des Tschechischen Rundfunks und Reichssenders Böhmen ernannt. In dieser Position blieb Thürmer, bis er während des Prager Aufstands Anfang Mai 1945 verhaftet wurde. Unter Ferdinand Thürmer änderte sich die Rundfunkpolitik der Okkupanten. Aus diesem Grund teilt Rick Pinard die Geschichte des Tschechischen Rundfunks im Protektorat in zwei Phasen ein:

"Die erste Phase ist die Phase der so genannten deutschen Dienststelle im Tschechischen Rundfunk von März 1939 bis Anfang 1942 - das war die Phase der sudetendeutschen Leitung unter Dr. Georg Schneider und Dr. Walter Maras. Die zweite Phase war die Phase von dem SS-Mann Ferdinand Türmer - das war auch ein langjähriger Rundfunkmitarbeiter, ein Altparteigenosse der NSDAP, das war dann unglaublicher weise eine etwas entspanntere Phase nach Aussagen aus der Nachkriegszeit von tschechischen Mitarbeitern. Er wollte den Tschechischen Rundfunk als ein besseres Propagandawerkzeug einsetzen, indem er die tschechischen Hörer zurück zum Rundfunk, zum Protektoratrundfunk brachte. Um das zu erreichen, hat er dann in einigen kulturellen Bereichen mehr Freiheit erlaubt. Und auch in den politischen Sendungen hat er dann diese wirklich ekelhaften Exzesse, die Maras und Schneider in der ersten Phase betrieben hatten, zurückgeschraubt. Also ich habe noch nicht festgestellt, in wie weit er Erfolg hatte, aber auf jeden Fall - nach Aussagen von tschechischen Mitarbeitern aus der Nachkriegszeit - konnten sie dann richtig aufatmen verglichen mit der ersten Phase."

Um den Tschechischen Rundfunk wieder attraktiver zu gestalten, wurden nicht nur einige extreme Propagandasendungen gestrichen, sondern auch der Anteil kultureller Sendungen gehoben. So wurden 1944 ein Fünftel mehr Hörspiele gesendet, mehr klassische Konzerte übertragen und mehr Kultursendungen ausgestrahlt. Die folgende Aufnahme stammt aus einer Sendung über Antonin Dvorak:

Leider ist im Rundfunkarchiv keine Aufnahme erhalten, wie sich der Tschechische Rundfunk während des Protektorats meldete, es existiert aber eine des Reichssenders Böhmen von 1942:

"Hier ist der Reichssender Böhmen der Sendegruppe Böhmen und Mähren"

Kriegsende 1945 in Prag
Mit diesen Worten begannen auch die Meldungen über das Attentat auf Reinhard Heydrich am 28. Mai 1942. Einige Tage später erlag Heydrich seinen Verletzungen. Ein unglaublicher Terror gegen die tschechische Bevölkerung setzte ein - hunderte von Menschen wurden während der so genannten Heydrichiade erschossen, die Dörfer Lidice und Lezaky als Racheakt zerstört und die Mehrheit ihrer Einwohner ermordet. All dies erfuhren die Bewohner des Protektorats aus dem Radio:

"Nachdem die Einwohner dieses Dorfes durch ihre Tätigkeit und durch die Unterstützung der Mörder von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich gegen die erlassenen Gesetze schärfstens verstoßen haben, sind die männlichen Erwachsenen erschossen, die Frauen in ein Konzentrationslager überführt und die Kinder einer geeigneten Erziehung zugeführt worden. Die Gebäude des Ortes sind dem Erdboden gleichgemacht und der Name der Gemeinde ist auslöscht worden."

Nach 1944 kam es im Rundfunk zu einer gewissen Lockerung. Aus den Sendungen verschwanden stillschweigend die Nennung der Namen von Hingerichteten sowie antisemitische Hetzsendungen, wie die 1941 eingeführten politischen Sketche. Dabei hatte es sich um Texte gehandelt, die sowohl gegen Juden als auch gegen führende Politiker der Alliierten gerichtet waren. Der bekannteste dieser politischen Sketche hieß "Sterne über Baltimor" und wurde im November 1941 ausgestrahlt:

Der Rundfunk hatte 1945 mit immer mehr Problemen zu kämpfen: zunehmende Stromausfälle, Fliegeralarm, Bombardierungen - am 14. Februar 1945 wurde das Prager Zentrum von alliierten Bomben getroffen, die auch unweit des Funkhauses niedergingen.

"Am Mittwoch dem 14. Februar fielen zum ersten Mal in größerer Anzahl Bomben auf unser geliebtes Mütterchen Prag und brachten Schmerzen und Zerstörung mit sich."

Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Prag markiert eine Rundfunkreportage über den Einmarsch der Roten Armee:

"Vor einem Augenblick hat die Rote Armee Prag befreit. Bei Karlov auf dem Platz befinden sich die letzten deutschen Panzer, gegen die die ruhmreiche Rote Armee schnell und wirksam vorgegangen ist. Die Panzer stehen in Flammen. Auf den Straßen sind Spuren des Kampfes zu sehen. Wir nähern uns jetzt dem Wenzelsplatz, auf dem Wege stehen jubelnde Menschenmassen Spalier..."

Am 9. Mai um 19 Uhr meldete sich der Rundfunk erstmals seit sechs Jahren wieder als Tschechoslowakischer Rundfunk. Die Nachkriegszeit hatte begonnen.