Der Turm zu Babel

In unserem Tagesecho war es vor kurzem zu hören: der Nachholbedarf an Fremdsprachenkenntnissen in der Tschechischen Republik ist immer noch sehr groß. Dies ist eine Tatsache, mit der sich auch Indra Hildebrandt-Sochor im Alltag recht häufig konfrontiert sah, wie wir im heutigen Feuilleton hören.

Ich muss gestehen, dass der Umstand fehlender Fremdsprachenkenntnisse mich bei meinem Umzug nach Tschechien vor drei Jahren doch sehr überrascht hatte.

Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass die meisten jüngeren Menschen in Europa alle irgendwie zumindest englisch sprechen, und genau das ist selbst in Prag nicht der Fall.

Solange man sich auf rein touristischen Pfaden bewegt, mag es kaum auffallen, aber sobald man diese verlässt und es mit "do you speak English" oder "sprechen Sie deutsch" versucht, erntet man oft nur ein Kopfschütteln und fühlt sich an den Turmbau von Babel erinnert. Dies mag aber manchmal auch ein wenig an der Mentalität liegen und weniger an nicht vorhandenen Sprachkenntnissen.

Wenn Sie Ihre Auslandsaufenthalte überdenken, ist Ihnen vielleicht auch schon einmal aufgefallen, dass jedes Land seine ganz eigene Mentalität in bezug auf Fremdsprachen hat.

So habe ich bei meinem Londonaufenthalt bemerkt, dass viele Engländer sich einer Sprache schon mächtig fühlen, wenn sie nur fließend "ja" oder "nein" sagen können, während einige Tschechen eigentlich recht gut deutsch sprechen, allerdings darauf beharren, es nicht zu können. Im Fall von Frankreich wiederum ist es häufig eine Sache des Prinzips: selbst wenn jemand eine andere Sprache beherrscht, wird im eigenen Land grundsätzlich nur französisch gesprochen, und wer es nicht versteht, hat halt Pech.

Nun ist es bei einem Kurzaufenthalt etwas viel verlangt, gleich die Landessprache zu erlernen, allerdings finde ich auch, dass es im Rahmen gegenseitigen Respekts nett wäre, nicht wie selbstverständlich auf seiner Muttersprache zu beharren und sich zumindest ein freundliches: "Guten Tag" anzueignen.

Im Fall von tschechisch kann ich auch aus eigener Erfahrung sagen, dass man ohnehin kaum mehr als ein "Dobry Den" mal eben so lernen kann. Die Sprache ist schon ziemlich schwierig und birgt ihre Tücken, so dass mir zu Beginn hier doch einige Unfälle gerade beim Einkaufen passiert sind - aber im Nachhinein kann ich darüber schmunzeln, auch über meine anfänglich komplett falsche Aussprache, die meinem Mann übrigens eines Tages aus Versehen 40 Wiener Würstchen zum Abendessen bescherte.

Aber in einer Zeit, wo Europa immer näher zusammenrückt, sollte eine problemlose Verständigung wirklich ein Hauptziel gerade der Schulbildung sein. Und auch wenn die heute schon Erwachsenen in der Tschechischen Republik womöglich keine Fremdsprachendefizite mehr aufholen - so wie viele Deutsche übrigens auch - braucht man sich um die Zukunft zumindest nicht zu sorgen. Es gibt genügend Grundschulen mit besonderer Fremdsprachförderung und spätestens ab der 5. oder 6. Klasse kommt auch hierzulande kein Schüler mehr an einer Fremdsprache vorbei. Zum Glück also kein Turmbau von Babel, sondern nur eine Frage der Zeit.

Autor: Indra Hildebrandt-Sochor