„Der zerrissene Machtmensch“ – Kommentare zur Rede von Präsident Klaus
Am Dienstag hielt Staatspräsident Václav Klaus seine mit Spannung erwartete Rede vor dem Abgeordnetenhaus. Dabei zeigte er sich nicht nur erfreut über die Sparpläne der Regierung Nečas, sondern er sparte auch nicht mit Kritik am Verfassungsgericht. Wir haben berichtet. Dieses Thema dominiert natürlich auch die Kommentarspalten in den Tageszeitungen.
„Die größten Irrtümer in der gesamten politischen Karriere von Klaus liegen in seinem übertriebenen Krieg gegen Richter im Besonderen und Juristen im Allgemeinen sowie gegen die Europäische Union. Er versteht es perfekt, ihre Fehler aufzuzählen und ihre Ungeheuerlichkeiten zu verspotten. Sein Widerstand gegen die Aufgeblasenheit und die Besserwisserei der Juristen ist ebenso sympathisch wie jener gegen die starre Bürokratie der Eurokraten.“
Allerdings, so Komárek in der MF Dnes, sehe Klaus nicht die Vorteile des Rechtsstaates und der Europäischen Einigung. Durch seine starre Ablehnung mache sich der Präsident lächerlich.
„Am lächerlichsten war Klaus, als er seinen Dschihad gegen den Lissabon-Vertrag aufgeben musste, der die Union ohnehin nur leicht reformiert. Mit seinem Mund bezeichnete er den Vertrag als das Ende der tschechischen Eigenstaatlichkeit, mit der Füllfeder hat er ihn unterzeichnet. Und das, nachdem das Verfassungsgericht seine Argumente zerfetzt hat.“Auch die Lidové Noviny meint, Klaus habe womöglich ein persönliches Problem mit dem Verfassungsgericht. Petr Kamberský erinnert in seinem Kommentar daran, dass Klaus als Premierminister, als Vorsitzender des Abgeordnetenhauses und als Staatspräsident schon öfter gegen das Verfassungsgericht den Kürzeren gezogen hat:
„Es wäre einfach, den Angriff des Präsidenten auf das Verfassungsgericht mit persönlichen Motiven abzutun. Erinnern wir ihn daran, dass der Streit um das Verfassungsgericht eine ernste Angelegenheit ist.“Womöglich habe das Gericht seine Kompetenzen in der Vergangenheit tatsächlich sehr großzügig aufgefasst. Allerdings sei es gefährlich, alle neben dem Parlament bestehenden unabhängigen Institutionen wie etwa die Nationalbank oder eben das Verfassungsgericht auszuschalten. Dies führe dann zu Zuständen wie in Putins Russland, im Venezula von Chávez oder in Mečiars Slowakei, meint Petr Kamberský in der Lidové Noviny:
„Das Verfassungsgericht ist manchmal vielleicht ein wenig zu weit gegangen, aber ihm deswegen eins auf die Mütze zu geben, ist keine adäquate Reaktion. Die umstrittenen und brisanten Entscheidungen ihrer Verfassungsgerichte verdauen auch die Deutschen oder die Amerikaner nur schwer. Und trotzdem denkt dort niemand an eine Verfassungsänderung.“
Ins gleiche Horn stößt der Politikwissenschaftler Jiří Pehe in der Právo:„Ob das Verfassungsgericht mit der Verhinderung der vorgezogenen Parlamentswahlen seine Kompetenzen überschritten hat, ist eine Frage der Interpretation, die Experten vornehmen sollten. Auch zwischen ihnen gibt es Befürworter und Gegner dieser Entscheidung. Allerdings ist es für die Demokratie ruinös, wenn sich in die Arbeit der Verfassungsrichter, also in die Kompetenz der Judikative, Vertreter der exekutiven oder der legislativen Gewalt, also Politiker einmischen und einige von ihnen dem Verfassungsgericht sogar drohen.“
Wenn Václav Klaus das Verfassungsgericht als dritte, unkontrollierbare Parlamentskammer verunglimpfe, müsse man sich auch die Frage stellen, warum eigentlich der Staatspräsident per Gesetz niemandem verantwortlich und so gut wie unabsetzbar ist. Und man müsse sich fragen, ob man diesen Zustand nicht schon längst hätte ändern müssen, meint Politologe Pehe in der Právo.