Die göttliche Musik des Il Boemo im Film

Jegor Koreschkow und Petr Václav (Foto: Martina Schneibergová)

Der tschechische Komponist Josef Mysliveček war zu Lebzeiten berühmter als Mozart. Trotzdem ist der große Musiker heutzutage fast vergessen. Sein leidenschaftliches und sehr anspruchsvolles Leben wird nun aber Thema eines Films. Die tschechisch-slowakisch-italienische Koproduktion will das Schicksal des Komponisten beleuchten.

Büste von Josef Mysliveček | Foto: Barbora Němcová,  Radio Prague International
Josef Mysliveček wurde 1737 in Prag geboren. Ursprünglich sollte er in die Fußstapfen seines Vaters treten, der ein reicher Müller war. Mit 26 Jahren verließ er Prag jedoch und reiste nach Italien, um Opernkomponist zu werden. Nach einigen Jahren in Venedig hatte er sich einen Namen gemacht und startete eine glänzende Karriere, die ihm Geld und Erfolg brachte. Daran hinderte ihn auch sein Familienname nicht, der für die Italiener sehr schwer auszusprechen war. Sie nannten ihn darum schlicht „Il Boemo“ – der Böhme – oder auch „Venatorino“ (der kleine Jäger). Das ist die wörtliche Übersetzung seines tschechischen Namens.

Mysliveček wurde unter anderem für den um 19 Jahre jüngeren Mozart zum Vorbild. Auch dieser sehnte sich nach einem Durchbruch in der italienischen Opernszene und einem Leben als unabhängiger Künstler, der an keinen Hof und Herrn gebunden wäre. Zu jener Zeit bekam Mysliveček einen Auftrag nach dem anderen. Als bewunderter und geschätzter Künstler war er in Aristokratenkreisen ein gern gesehener Gast, und begegnete in diesen seiner großen aber unglücklichen Liebe. Darauf folgte ein Leben voller Ausschweifungen. Der Komponist erkrankte an Syphilis. Allmählich wandten sich seine Freunde und Bekannten von ihm ab und er starb in Armut. Zuvor schuf er jedoch ein großartiges Werk, das erst jetzt wiederentdeckt wird: es umfasst 40 Opern, zehn Oratorien, zahlreiche Symphonien, Konzerte sowie Kammer- und Sakralmusik.

Jegor Koreschkow und Petr Václav  (Foto: Martina Schneibergová)
Nun entsteht ein Film über das Schicksal des „Venatorino“. Regisseur Petr Václav hat sich zehn Jahre lang auf den Dreh vorbereitet.

„Ich bin davon überzeugt, dass man keine Mythen erzählen, sondern sich wirklich auf den Künstler konzentrieren sollte. Er war nicht nur Komponist, sondern hat auch viel an Libretti mitgearbeitet. Oft hat er den Text zur Musik selbst ergänzt. Er war ein hervorragender Dramaturg, was auch Mozart zu würdigen wusste. Sie standen einander sehr nahe. Beide verstanden die menschliche Seele sehr gut und waren imstande, Leidenschaften wie Liebe, Hass, Frustration und Sehnsucht in Musik umzuwandeln.“

Russischer Hauptdarsteller

Jegor Koreschkow  (Foto: Petra Hajská,  Archiv Pilot Film)
Im Film verkörpert der russische Schauspieler Jegor Koreschkow den großen Meister. Anders als diese, stammt Koreschkow aus einer Musikerfamilie. Als er die Rolle bekam, begann er Bücher über Mysliveček zu lesen und die Aufnahmen seiner Kompositionen zu hören. Das war aber nicht alles:

„Ich habe einen Monat in Italien verbracht und habe die Sprache gelernt. Ich spiele Klavier und habe die Stücke einstudiert, die im Film erklingen werden. Mit dem Regisseur habe ich viel über das Leben des Komponisten gesprochen sowie über das Drehbuch, die damalige Zeit und die Kostümdetails. Jetzt werde ich noch bei Václav Luks lernen, wie damals die Arbeit eines Dirigenten ausgesehen hat.“

Die Dreharbeiten starten im Sommer und finden vor allem an Originalschauplätzen in Italien statt.

Šaturová singt Myslivečeks Operndiva

Simona Houda Šaturová  (Foto: Petra Hajská,  Archiv Pilot Film)
Im Film werden einige namhafte Sängerinnen und Sänger auftreten, darunter der französische Countertenor Philippe Jaroussky und die ungarische Sopranistin Emöke Baráth. Die renommierte slowakische Sopranistin Simona Houda Šaturová singt wiederum die Operndiva Gabrielli, die zu Myslivečeks Zeiten auf dem Höhepunkt ihrer Karriere stand. In einem Gespräch für Radio Prag sagte die Opernsängerin:

„Es ist eine große Ehre, eine so namhafte Operndiva zu singen. Aber ich trete nicht direkt im Film auf, ich habe nur die Gesangpartien aufgenommen. Die Sängerin wird von einer italienischen Schauspielerin gespielt. Es ist eine große Rolle und es ist besser, wenn sie von einer Schauspielerin dargestellt wird. Die Arien, die ich singe, sind extrem schwer. Ich habe mich sehr intensiv damit beschäftigt und mich gut auf die Aufnahmen vorbereitet. Die Musik, die im Film zu hören ist, wird auch auf einer CD herausgegeben. Es ist ein großartiges Projekt und ich bin glücklich, ein Teil davon zu sein.“

Wie erklärt sich die Sopranistin Myslivečeks großen Erfolg in den italienischen Opernhäusern?

„Ich denke, er hatte einfach Talent, und das hat ihn auf diesen Weg gebracht. Mit der Begabung musste er dorthin gehen, wo er Musik für die besten Sängerinnen und Sänger der damaligen Zeit schreiben konnte. Seine Werke sind wirklich toll und die Arien sehr anspruchsvoll. Das wurde damals in den Theatern besonders geschätzt.“

Simona Houda Šaturová tritt in renommierten Opernhäusern der Welt auf. Inwieweit ist Mysliveček heutzutage noch bekannt?

„Leider kennen ihn nicht mehr viele Leute. Ich bin davon überzeugt, dass der Film dies ändern und den Komponisten einem breiteren Publikum näherbringen könnte. Die Musik ist wirklich wertvoll.“


Václav Luks  (Foto: Martina Schneibergová)
Václav Luks ist der Begründer des Prager Barockorchesters Collegium 1704 und des Vokalensembles Collegium Vocale 1704. Er ist für die musikalische Seite des Films verantwortlich. Ein Gespräch mit dem Musiker:

Herr Luks, Sie nehmen die Musik für den Film über Josef Mysliveček auf. Zudem arbeiten Sie mit als musikalischer Berater mit dem Filmteam zusammen. Werden in dem Streifen auch bisher unbekannte Arien erklingen?

„Das ganze Projekt hat zwei Teile: Wir bereiten eine klassische CD-Aufnahme vor und die Filmmusik. Teilweise werden die Stücke von der CD auch im Film erklingen. Ich würde sagen, dass etwa drei Viertel dieser Musik bisher unbekannt war. Es handelt sich vorwiegend um italienische Opern von Mysliveček, die er in den 1760er und 1770er Jahren für die größten Opernhäuser seiner Zeit geschrieben hat, wie das Teatro San Carlo in Neapel oder Teatro alla Scala in Mailand.“

Sind Sie bei der Arbeit auf etwas Überraschendes gestoßen?

„Ja. Beispielsweise auf die Oper Ezio, die Mysliveček 1770 für München geschrieben hat. Es gibt zwei Opern mit diesem Titel von ihm. Es wurde vermutet, dass die Münchner Fassung nur eine Bearbeitung der Oper aus Neapel ist. Ich habe aber entdeckt, dass es sich um ein komplett neues Stück handelt und keine Note mit der anderen Oper identisch ist. Dabei ist interessant, wie sich Mysliveček dem deutschen Geschmack angepasst hat. Man kann in der Oper schon die Zeichen der Musiksprache Mozarts von dessen Idomeneo hören. Diese Oper schrieb Mozart für das gleiche Münchner Orchester des Kurfürsten Maximilian. Natürlich ist Ezio Myslivečeks italienische Musik, aber es gibt Elemente, die deutsch sind.“

Kann der Film dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit Mysliveček wiederentdeckt?

„Ganz bestimmt. Man kann das zwar nicht mit Mozart vergleichen. Denn Mozart war schon berühmt, bevor Miloš Forman Amadeus gedreht hat. Für die allgemeine Bekanntheit Myslivečeks kann der Film aber dennoch eine ganz wichtige Rolle spielen.“