Die kanadische Visa-Affäre und die Schuldfrage

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Im Medienspiegel präsentiert Ihnen heute wieder Christian Rühmkorf das Neueste aus den tschechischen Kommentarspalten. In dieser Woche geht es vor allem um die drei K´s: Kanada, Kanada und Kanada.

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Moderator: Fangen wir mit dem Aktuellsten an - Kanada: Am Dienstag hat die kanadische Regierung eine Visumpflicht für tschechische Bürger eingeführt. Und zwar weil zu viele Roma aus Tschechien dort Asyl beantragt haben. Erst galt eine kurze Übergangsfrist, wo die Visa noch nach der Ankunft in Kanada beantragt werden konnten. Jetzt müssen die Tschechen dafür zur kanadischen Botschaft nach Wien reisen. Und all das kam fast wie ein Blitz aus heiter bis wolkigem Himmel.

C.R.: Richtig. Und in Tschechien geht es jetzt um die Schuldfrage. Wer hat das zu verantworten? Der Kommentator Daniel Kaiser fasst in der „Lidové Noviny“ zwei wesentliche Positionen zusammen. Einige hielten eindeutig die Kanadier mit ihrem laxen Asylsystem für schuldig, andere die Tschechische Republik, die nicht imstande sei ihre Roma-Minderheit hinreichend zu schützen. Kaiser bringt aber noch eine dritte Gruppe ins Spiel, die seiner Ansicht nach nicht zu unterschätzen sei:

„Ein Teil der tschechischen Elite, Intellektuellen und Aktivisten, der die Möglichkeit hatte, sich zum Problem zu äußern, hat diese öffentlich und mechanisch dazu ausgenutzt, bei den Kanadiern die Vorstellung zu festigen, dass es seitens des tschechischen Staates einen institutionalisierten Rassismus gebe. Nicht, dass es keine Rassisten in der staatlichen Verwaltung oder in der Bevölkerung gebe. Es geht aber um das Maß: Ist der tschechische Rassismus so massiv, dass ein anderes Land den Opfern kategorisch seine Pforten öffnen sollte? Oder hält er sich so in Grenzen, dass – wenn sich alle Länder wie Kanada verhalten würden – jeder Bürger eines x-beliebigen Landes erfolgreich in einem anderen x-beliebigen Land um Asyl ersuchen könnte?“

Moderator: Kaiser meint also, dass hier die Situation missbraucht wurde.

C.R.: Ja, und die wirklich Leidtragenden seien eben einfach die tschechischen Kanada-Touristen. Der Publizist und Kommentator Josef Klima geht da noch deutlicher zur Sache als Kaiser. Und zwar in der „Mladá Fronta Dnes“. Klima meint, es müsse endlich mal ausgesprochen werden, was alle denken:

„Roma werden hier nicht systematisch unterdrückt. Und wenn sie das behaupten, dann lügen sie. Und wenn sie schon in ihrem Asylantrag lügen, was gibt es denn dann noch zu untersuchen? Schließlich ist Aufrichtigkeit die grundlegende und wichtigste Anforderung, um Asyl zu erhalten,“ so Josef Klima. Und abschließend noch sein Vorwurf an die kanadische Adresse:

„Warum fragen die kanadischen Beamten nicht: ´Woher sind sie? EU? Deutschland? Frankreich? Tschechien? Na egal aus welchem EU-Land. - Sie haben keinen Anspruch.“


Moderator:Christian, ist denn Josef Klima allein mit seiner Kritik am liberalen kanadischen Asylsystem?

C.R.: Nein, ist er nicht. Petr Kamberský sieht das in der „Hospodářské Noviny“ recht ähnlich. Seiner Ansicht nach kann man den Schritt Kanadas im Rahmen korrekter bilateraler Beziehungen nicht begreifen. Er fragt:

„Warum schränken die Kanadier Leuten den Zutritt zu ihrem Land ein, denen sie anschließend Asyl bewilligen? Entweder Kanada betrachtet die böhmischen, mährischen und schlesischen Roma als diskriminiert – und diskriminierten Menschen möchte es die Staatsbürgerschaft anbieten; dann gibt es aber für Visa keinen Grund. Oder die Roma sind nicht diskriminiert und haben demnach keinen Anspruch auf Asyl – dann gibt es auch keinen Grund für Visa.“

Moderator: Gibt es denn auch Pressestimmen, die ein Versagen auf tschechischer Seite sehen?

C.R.: Gibt es. Milan Vodička in der aktuellen „Mladá Fronta Dnes“ zum Beispiel:

„Die kanadischen Visa sind für Tschechien eine Schande, die es sich zu großen Teilen selbst eingebrockt hat. Viele Leute meinen zwar, das stimme nicht, denn es flüchteten ja Roma und nicht Tschechen. Auch der Hintergrund sei nicht Diskriminierung, sondern ausschließlich die Durchtriebenheit der Roma. Aber gerade diese Sicht der Dinge ist Teil des Problems. Und deswegen wäre es Unsinn, von der Europäischen Union zu verlangen, ebenso Visa als Revanche einzuführen,“ so Kommentator Vodička. Er spricht am Ende von einem kanadischen Bodycheck, der hart, aber im Rahmen der Regeln sei.

Moderator: Also, da musste wohl zwischen zwei Eishockeynationen der Sport als Vergleich herhalten.

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C.R.: Ja, manche können das Problem auch ein bisschen mit Abstand betrachten. Fest steht aber, dass die Asylwelle der Roma und die Wiedereinführung der Visa eine neue Diskussion im Lande ausgelöst hat. Und wenn man die Mehrheit der Kommentare anschaut, dann nicht immer zugunsten der Roma. Häufig genug heißt es jetzt: ´Siehste, so sind sie eben, die Roma. Jetzt reiten sie uns auch noch mit rein´.

Viele Stimmen beklagen sich aber ganz einfach auch über die Bedingungen - Visa in Wien beantragen und nicht in Prag, schlechte Informationspolitik und teure Info-Hotlines seitens Kanada und vor allem teure Visa – über 400 Euro.

Aber ich will noch eine andere Kommentatorin erwähnen, nämlich Jana Blažková, die das Thema in der „Mladá Fronta Dnes“ mit Humor aufgreift. Sie ist eine Raucherin und erinnert an die jüngste Absicht der US-Regierung, ihren Soldaten das Rauchen in Uniform zu verbieten. Es reicht, wenn ich hier die Überschrift zitiere. Es ist eine Aufforderung und sie lautet: „Amerikanische Soldaten, bittet um Asyl in Tschechien!“

Moderator: Ja, hier haben die Raucher noch relative Ruhe.

C.R.: Richtig. Das liegt vielleicht auch daran, dass Tschechen manchmal Regeln erfinden, gerade um sie zu umgehen. Das hat eben was Sportliches.

Am Ende der drei K´s könnten wir eigentlich noch ein letztes aktuelles „K“ mit hinein nehmen: K – wie Karel. Gott ist ja am Dienstag 70 Jahre alt geworden.

Jakub Horák – nicht gerade ein Gott-Fan - meint in der „Lidové Noviny“, gegen einen Menschen wie Karel könne man einfach nicht ankämpfen:

„Karel Gott ist nämlich der einzige authentische Vertreter des tschechischen Adels. Und seine Beliebtheit verhält sich proportional zu den Unzulänglichkeiten der anderen Adeligen im tschechischen Königreich. Woher hat der Gott das bloß? Das ewige Lächeln, das vollendete Benehmen, die Etikette und den unerschütterlichen Glauben an sich selbst?“

Moderator: Und die Antwort?

C.R.: Karel Gott sei ein Adliger, der immer dem gerade herrschenden König treu geblieben sei. Er habe überlebt, aber keine Botschaft hinterlassen“, so Jakub Horák. Und das war´s für heute auch von mir im Medienspiegel.