Die Kultur von drüben kennen lernen

0:00
/
0:00

Politische Diskussionen, literarische Lesungen oder ein spannender Film - das alles und noch viel mehr auf Tschechisch oder Deutsch, manchmal sogar gleichzeitig - aber Hunderte Kilometer voneinander entfernt versteht sich. Die Tschechischen Kulturinstitute in Deutschland und ihr Pendant - das Goethe Institut in Prag - sprechen Leute an, die sich für die Kultur des jeweiligen Nachbarlandes interessieren. Bara Prochazkova schaut in die Programme der Kulturinstitute auf beiden Seiten der Grenze:

Das Goethe Institut ist für viele Prager ein bekannter Begriff, entweder lernen sie dort Deutsch oder sie kommen zu den vielen Veranstaltungen. Und was interessiert die Tschechen am meisten? Monika Loderova aus der Programmabteilung des Goethe Institutes dazu:

"Es sind in erster Linie Lesungen. Literarische Lesungen werden bei uns immer sehr gut besucht. Wir veranstalten diese Reihe ganz regelmäßig und versuchen oft, tschechische und deutsche Autoren zusammen zu bringen. Dann sind es Veranstaltungen, wo die gemeinsame Geschichte verarbeitet wird. Wir arbeiten oft und gerne mit dem Verlag ARGO zusammen, sie bringen viele Bücher zu historischen Themen in tschechischer Übersetzung heraus. Dann laden wir die Autoren ein und diskutieren darüber. Das sind bei uns die gefragtesten Veranstaltungen."

Eine große Welle von Interessenten kam am Anfang der 90er Jahre ins Goethe Institut, das seit 1992 im Prager Zentrum residiert. Heute sind die Besucherzahlen eher konstant, beschreibt Monika Loderova:

"Man konnte am Anfang der 90er Jahren merken, dass hier eine gewisse Lücke war, ein gewisser Nachholbedarf. Wir wussten von der damaligen Bundesrepublik Deutschland sehr wenig, das war vor allem im Kulturbereich spürbar. Die Leute hatten das Bedürfnis, dies schnellstmöglich nachzuholen und wichtige Namen und Themen kennen zu lernen. Das ist inzwischen nicht mehr so. Wir sehen jeden Tag, wie eng und intensiv die Kontakte zwischen den tschechischen und deutschen Künstlern und Kulturträgern sind und wie sie sich entwickeln."

Illustrationsfoto
Dies kann auch Hana Klabanova bestätigen. Sie arbeitet seit zehn Jahren für die Zentrale der Tschechischen Zentren, die Hälfte der Zeit war sie im Prager Büro tätig, dann wurde sie zur Leiterin des Tschechischen Zentrums in Wien. Nun ist sie seit einigen Wochen in Dresden. Bereits jetzt kann die neue Leiterin des Tschechischen Kulturzentrums in der sächsischen Hauptstadt die Unterschiede in der Struktur der Gäste feststellen:

"In Wien gibt es eine größere und stärkere tschechische Minderheit. In Wien haben wir deshalb viel mir Tschechen kooperiert, in Dresden nicht, weil es dort fast keine tschechische Minderheit gibt. In Dresden kommt eher ein jüngeres Publikum, zum Beispiel Studenten, in Wien kamen eher Leute im mittleren Alter, obwohl wir auch mit Bohemistik-Studenten zusammen gearbeitet haben. In Wien ist es sicher schwieriger, weil es dort eine riesige Auswahl an Veranstaltungen gibt. In Dresden gibt es das sicherlich auch, aber nicht in dem Umfang wie in Wien."

Während die breite Konkurrenz in Wien zum Problem wird, ist in Berlin das Markenzeichen "Osteuropa" zum Renner geworden, bestätigt die Leiterin des Kulturzentrums am Checkpoint-Charlie, Blanka Mouralova:

"Das kann auch etwas Positives sein. Es ist auch so, dass wir hier viele gute Partner finden können. Wir machen auch gerne Werbung für unsere Veranstaltungen auch unter dem Titel Mitteleuropa, weil es hier viele Interessenten für die Kultur aus Mitteleuropa gibt. Es gibt hier auch viele Newsletter oder Netzwerke, durch die man die Information dann weiter leiten kann."

Jedes Zentrum passt das eigene Programm auf die jeweilige Stadt an. Das Tschechische Kulturzentrum in Dresden bereitet sich vor, im nächsten Jahr an den Feiern zu 800 Jahre der Stadt mitzumachen. Auf dem Programm stehen viele besondere Ausstellungen. Zu nennen wären zum Beispiel Spuren der Prager Architektur in Mode und Design, die Erfolge der tschechischen Ägyptologie sowie ein Kunstprojekt Orbis pictus Europa. Dort malen Künstler auf eine unendliche Leinwand ihre Botschaften für das dritte Jahrtausend. Entstanden ist das Projekt vor fünf Jahren im mittelböhmischen Pribram. Das Tschechische Kulturzentrum in Berlin nimmt im kommenden Jahr wiederum an den Veranstaltungen zur Fußball-Weltmeisterschaft teil. Die Zentren reagieren also auf ihre Umgebung, bestätigt auch Blanka Mouralova aus Berlin:

"Man muss immer versuchen, durch etwas, was schon in Berlin bekannt ist, die Leute anzusprechen. Die Studenten haben grundsätzlich ein Interesse an der tschechischen Kultur, es ist aber ein sehr unzuverlässiges Publikum. Man weiß nie, ob sie Lust und Zeit haben werden und ob sie dann tatsächlich kommen. Da gibt es keine Zuverlässigkeit."

Und gerade Studenten betrifft das neuste Projekt des Zentrums in Berlin, ab Sommersemester wird es eine Ringvorlesung an der Humboldt-Universität geben. Das Thema: Geschichte der Prager Karlsuniversität und die dortigen Spannungen zwischen Tschechen und Deutschen in der Geschichte. Im Prager Goethe Institut gehören die Studierenden jedoch zum Stammpublikum. Rund Hundert Leute passen in den Saal hinein, bei bestimmten Themen ist das Haus voll, so Monika Loderova:

"Es ist sehr unterschiedlich je nach dem, was für Themen wir bieten. Wenn wir es ein bisschen verallgemeinern, dann kann man sagen, dass die Zahl der jungen Leute steigt. Es kommen viele Studenten der Germanistik, Theaterwissenschaften und der Filmhochschule und der Fakultät für Sozialwissenschaften. Dann kommt so eine Alterslücke. Und dann kommen die älteren, zum Teil die Zeitzeugen des damaligen deutsch-tschechischen Zusammenlebens, die das Bedürfnis haben, dieser Kultur nahe zu sein. Aber die mittlere Generation fehlt bei uns."

Eine gewisse Regelmäßigkeit in der Besucherstruktur beobachtet auch Hana Klabanova aus dem Kulturzentrum in Dresden. Es kommen meistens zwei Drittel Deutsche und ein Drittel Tschechen in das Haus an der Hauptstraße, insgesamt kommen 80 bis 100 Gäste, so Klabanova:

"Die ein bisschen politisch orientierten Veranstaltungen interessieren vor allem Studenten und intellektuelles Publikum. Was die anderen Veranstaltungen betrifft, dann kommen wirklich sehr breite Schichten. Die Filmvorstellungen interessieren verschiedene Schichten des Publikums, es ist nicht so begrenzt."

600 Personen im Semester lernen Deutsch im Goethe Institut
Rund 600 Personen im Semester lernen Deutsch im Goethe Institut, das 20-köpfige-Pädagogenteam bietet sowohl allgemeinen als auch Fachsprachenunterricht, die anderen 20 Mitarbeiter kümmern sich um das Kulturprogramm des Hauses. Das Motto des Goethe Institutes lautet: Deutsch lernen, Deutschland kennen lernen. Auch die Bibliothek mit aktueller Presse wird oft nicht nur von Sprachstudenten aufgesucht. Zu den pädagogischen und kulturell-politischen Tätigkeiten gehört noch ein weiterer Bereich. Monika Loderova aus der Programmabteilung des Goethe Institutes verrät mehr:

"Es gibt noch einen Bereich, der eigentlich in der Öffentlichkeit am wenigsten sichtbar ist, der aber nicht weniger bedeutend ist. Das ist die so genannte pädagogische Verbindungsarbeit. Das heißt, dass wir Fortbildung für Deutschlehrer in Form von pädagogischen Seminaren veranstalten. Dieses Programm ist nicht öffentlich, sondern nur für Deutschlehrer. Sie können im Rahmen der Programme auch nach Deutschland fahren, wo sie sich weiter bilden können. Das wird auch viel benutzt. Der Bedarf ist viel größer als die Nachfrage, die wir überhaupt nicht befriedigen können."

Das Goethe Institut ist in der ganzen Republik aktiv, vor allem in Brünn, Olmütz und Pilsen findet man in den örtlichen deutschen Bibliotheken gute Kooperationspartner, sagte Loderova. Zu den weiteren Kooperationspartnern gehören Universitäten, Tschechische Akademie der Wissenschaften, das Theaterinstitut, Programmkinos sowie internationale Festivals. Auch die Tschechischen Kulturzentren arbeiten mit vielen Organisationen in Deutschland eng zusammen, und nicht nur in Deutschland, verrät Hana Klabanova:

"Ich möchte auch etwas mit unseren Kollegen aus Warschau vorbereiten. Denn an der gemeinsamen Grenze zwischen Tschechien, Polen und Deutschland ein einen gemeinsamen Verband Trojzemi / Dreiländereck gibt. Und wir möchten für nächstes Jahr etwas zusammen vorbereiten."

Und für nächstes Jahr hat auch das Goethe Institut eine Überraschung für seine Gäste: Ab Januar werden wieder die monatlichen Filmabende mit neuen und älteren Vorstellungen am Moldau-Ufer stattfinden.