Die Liechtensteiner in Tschechien – eine Geschichte des Streits

Die Tschechische Republik und das Fürstentum Liechtenstein haben vor kurzem diplomatische Beziehungen geknüpft. Zuvor hatte Liechtenstein es abgelehnt, Tschechien offiziell anzuerkennen. Es ging um das Eigentum auf tschechischem Boden, das Prag der Fürstenfamilie nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der „Beneš-Dekrete“ weggenommen hatte. Mittlerweile besteht das Fürstentum nicht mehr auf die Rückgabe der Besitzungen. Es handelt sich um ein historisches Ereignis, weil die Kontakte zwischen den Tschechen und den Liechtensteinern seit Jahrhunderten sehr belastet waren.

Mikulov
Die Liechtensteiner gehören zu den ältesten Adelsgeschlechtern in Mitteleuropa. Sie stammen aus Österreich, aber schon seit dem Mittelalter besaßen sie große Ländereien auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik. Dies begann in der Hälfte des 13. Jahrhundertes. Der böhmische König Přemysl Otakar II. schenkte damals den südmährischen Ort Nikolsburg, heute Mikulov, samt umliegender Dörfer an Heinrich I. von Liechtenstein.

Das Adelsgeschlecht der Liechtensteiner siedelte sich danach in Schlesien an. Bis heute ist der schlesische Adler ein Bestandteil des Liechtensteiner Familienwappens. Große Bedeutung für die tschechische Geschichte hatte vor allem Fürst Karl von Liechtenstein. Anfang des 17. Jahrhundertes kam es in Böhmen zum Ständeaufstand. Der Fürst blieb fest an der Seite von Kaiser Ferdinand von Habsburg. Wie wohl bekannt, besiegten die Habsburger 1620 in der Schlacht am Weißen Berg die Ständearmee. Karl wurde danach fürstlich belohnt für seine Dienste dem Kaiser gegenüber, sagt der Historiker Milan Hulík.

„Fürst Karl war früher Protestant und ist dann zum Katholizismus übergetreten. Er wurde vom Kaiser zum Statthalter in Böhmen ernannt. Durch diese Funktion bekam er vielfältige Möglichkeiten, sich zu bereichern. Er hat dies ausgenutzt. Mit anderen Adligen zusammen, zum Beispiel Albrecht von Wallenstein, gründete er sogar ein Finanzkonsortium, das falsche Münzen geprägt hat. Dadurch haben diese Leute großen Gewinn gemacht.“

Karl von Liechtenstein kam damals auch in den Besitz zahlreicher Besitzungen evangelischer Adliger, die nach der Schlacht am Weißen Berg vor der religiösen Verfolgung flohen. Auf diese Weise stiegen die Liechtensteiner zur reichsten Familie auf in Böhmen und Mähren. Kein Wunder, dass die Familie in den Augen vieler dortiger Bewohner das Unrecht der Habsburger verkörperte.

Wappen des Fürstentums Liechtenstein
Es siedelten sich aber auch andere Liechtensteiner an, deren Ruf nicht so negativ war. Sie haben sich beispielsweise um den Ausbau der Parkanlagen der Schlösser von Eisgrub und Feldsberg gekümmert. Heute stehen Lednice und Valtice, wie die beiden Orte auf Tschechisch heißen, auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes. Das gesamte Areal mit seinen prunkvollen Gebäuden und reichen naturwissenschaftlichen Sammlungen galt schon seit dem 18. Jahrhundert als einzigartig und wurde weltweit berühmt.

Das alles wurde nach dem Ersten Weltkrieg bei der Erstehung der Tschechoslowakei in Betracht gezogen. In Rahmen der Agrarreform in den 20er Jahren wurde bereits ein Teil des Liechtensteiner Eigentums verstaatlicht, aber in geringerem Umfang als ursprünglich geplant. Die Fürstenfamilie wurde zudem entschädigt. Dennoch war es frostig zwischen der damaligen Tschechoslowakei und dem Fürstentum Liechtenstein:

„Die Liechtensteiner Besitzungen in der Tschechoslowakischen Republik hatten eine spezielle territoriale Stellung. Deswegen konnten keine diplomatischen Beziehungen geknüpft werden. Um dies möglich zu machen, hätte die Tschechoslowakei die Sonderstellung der Liechtensteiner Domäne anerkennen müssen. Das war für sie natürlich unmöglich.“

Anders gesagt: Laut internationalem Recht hätte Liechtenstein mitten in der Tschechoslowakei ein Gebiet eigener Souveränität gehabt. Zur Zeit der Habsburger Monarchie war dies kein Problem gewesen - das Fürstentum galt als politischer Satellitenstaat Österreichs. Für die neu entstandene Tschechoslowakei kam dies indes nicht in Betracht.

Diplomatische Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und Liechtenstein gab es dennoch eine kurze Zeit lang. Und zwar während der so genannten Zweiten Republik - also zwischen dem Münchner Abkommen 1938 und der Entstehung des Protektorats Böhmen und Mähren 1939. Das wurde durch zwei Sachen ermöglicht: Erstens wurden die Liechtensteiner Besitzungen nach dem Münchner Abkommen überwiegend ins Deutsche Reich eingegliedert. Und zweitens erkannte die tschechoslowakische Regierung wieder die Adelstitel an, die 1918 aufgehoben worden waren. Dieser Schritt bedeutete praktisch die Anerkennung des fürstlichen Staates. Vielleicht auch deshalb verhielten sich die Liechtensteiner gegenüber die Tschechen während des Krieges korrekt, meint Milan Hulík.

„Sie haben die Nazis nicht unterstützt. Die Angehörigen des Fürstentums sind aus der Tschechoslowakei nach Liechtenstein gegangen, und meinen Informationen nach haben sie sogar die tschechoslowakische Exilregierung von Edvard Beneš in London unterstützt.“

Jene Liechtensteiner, die im Protektorat blieben, erfreuten sich jedoch besserer Behandlung durch die Nazis als die Tschechen, behauptet der Jurist und Historiker.

„Liechtenstein war seit 1919 ein politischer Satellitenstaat der Schweiz. Die Nationalsozialisten hatten in der Schweiz Geld und deshalb auch keinen Grund die Schweiz zu besetzen. Diese Spezielle Stellung übertrug sich auch auf Liechtenstein und sogar auch auf die Juden, die im Protektorat die Liechtensteinsche Staatsbürgerschaft hatten. Ein Beispiel ist Baron Königswarter. Er lebte auf Schloss Šebetov. Er hat die nazistische Okkupation überlebt und sein Eigentum wurde von den Nazis nicht konfisziert.“

Dennoch oder gerade deswegen wurde das ganze Liechtensteiner Eigentum in der Tschechoslowakei nach dem Krieg enteignet – und das ohne Entschädigung. Argumentiert wurde damit, dass die Mitglieder der Fürstenfamilie nicht die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft besäßen und sich zu Deutschen erklärt hätten. Das war aber nur teilweise wahr – denn die Liechtensteiner hatten die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft eben nie, weil sie sich einfach für Liechtensteiner hielten. Auch bei der Volkszählung 1930 bezeichneten sie sich als Liechtensteiner. Mit Deutschland verband sie nur die deutsche Sprache.

Der Streit um das Eigentum hat das Verhältnis zwischen Prag und Vaduz auch nach der Samtenen Revolution noch belastet. Das Fürstentum klagte beispielsweise erfolglos vor deutschen Gerichten auf die Herausgabe eines Gemäldes, das aus Tschechien nach Köln verliehen wurde. Fürst Hans Adam II. erklärte vor kurzem aber bei seinem Besuch in Tschechien, dass sein Land auf solche Schritte in Zukunft verzichten werde. Den freundschaftlichen Kontakten zwischen beiden Ländern steht also nichts mehr im Wege.