Die Mentalität Tschechiens in kleinen Bildchen

Quelle: Archiv von Soňa Juríková

Das ganze Wesen der Tschechen in Emojis. Das ist eines der bekanntesten Projekte der jungen Grafikdesignerin Soňa Juríková. Dabei hat sie noch viel mehr vor – unter anderem die Grafik von tschechischen Schulbüchern in Tschechien zu revolutionieren.

Quelle: Archiv von Soňa Juríková

Soňa Juríková  (Foto: Archiv von Soňa Juríková)
Bier, Babiš und Socken in den Sandalen – unter anderem das findet man unter den rund 180 „Czemojis“. Diese ganz besonderen Emoticons sollen das Wesen der Tschechen festhalten. Entworfen hat sie die junge Designerin Soňa Juríková. Wobei die 24-Jährige einen klaren Favoriten hat:

„Ich habe insgesamt fünf Serien von Czemojis entworfen. Sie ordnen sich alle nach bestimmten Themen, zum Beispiel Traditionen oder Essen. Am meisten haben mir aber die Emoticons zum echt tschechischen Urlaub in Kroatien Spaß gemacht. Da sind wirklich alle Stereotype dabei, die man so zu Tschechen auf dem Weg ans Meer im Kopf hat: die Leberwurst-Döschen, die Schnitzelbrote mit Essiggurke oder das Schlumpf-Eis am Strand. Das fand ich selbst recht witzig.“

Typisch tschechische Speisen und Getränke finden sich unter den Czemojis – vom Bier über den Inländerrum bis hin zum Schnitzelsandwich – ebenso wie die Lieblingsaktivitäten der Tschechen – vom Wandern übers Zelten bis hin zum Pilze sammeln. Soňa Juríková hat aber auch aktuelle politische Debatten in die kleinen Bildchen gepackt, ebenso wie berühmte Tschechen von damals und heute. Doch gerade am blinzelnden Präsidenten Zeman oder dem goldgekrönten Karel Gott hat sich die Designerin die Zähne ausgebissen:

Quelle: Archiv von Soňa Juríková
„Einerseits waren Schimpfworte schwer darzustellen. Wobei ich nur ganz leichte und einfache projiziert habe, sowas wie eine dumme Ziege oder Gans. Noch schwerer waren aber die menschlichen Figuren. Denn Porträts habe ich davor nur ganz selten gemalt. Ich habe dazu Fotos genommen und sie stark vergrößert. So konnte ich spezifische Details finden, die dann eine gewisse Ähnlichkeit zu den realen Vorbildern aufwiesen. Damit hatte ich ganz oft wirklich zu kämpfen.“

Ein humorvoller Code für das tschechische Wesen

Soňa Juríková will mit ihren Bildchen vor allem humorvoll die Eigenarten der Tschechen festhalten. Sie sind ein Code, den jeder hierzulande versteht. Für Ausländer könnte er aber unlesbar sein, gibt die Nachwuchskünstlerin zu:

Quelle: Archiv von Soňa Juríková
„Mir hat eine Frau aus Dänemark geschrieben. Ich weiß wirklich nicht, wie sie von meinem Projekt erfahren hat. Die fand meine Arbeit super und wollte das ein oder andere Bild kaufen. Irgendwann habe ich auch ein Interview für einen englischsprachigen Radiosender gegeben, so hatte ich auch ein bisschen Publicity im Ausland. Doch glaube ich kaum, dass meine Czemojis die Kultur der Tschechen im Ausland irgendwie verständlich machen könnten. Viele Bilder sind so fest mit dem Leben hier verflochten, dass man sie nicht einfach so verstehen kann.“

Bisher gibt es die Czemojis – im übertragenen Sinne – nur auf dem Papier. Man kann sie also noch nicht bei WhatsApp, Viber oder Facebook verschicken. Soňa Juríková will das aber schon bald möglich machen:

Quelle: Archiv von Soňa Juríková
„Damit muss ich mich gerade auseinandersetzen, aber das ist wirklich eine harte Nuss. Bisher habe ich einfach immer nur meine Werke geschaffen, in die Öffentlichkeit hat sie dann jemand anderes gebracht – egal, ob es sich nun um ein Buch oder Plakat handelt. Auf einmal liegt die Arbeit nur bei mir. Ich muss also irgendwelche IT-Leute kontaktieren und mit ihnen alles richtig besprechen.“

Kontakte habe sie schon, meint Juríková. Möglich wäre beispielsweise ein Plug-In für verschiedene Chat-Apps und -Programme. Die Czemojis könnte man dann wie die sogenannten Aufkleber bei Facebook in die Konversation einfügen. Die technische Seite ist aber nicht das einzige Problem. Der Künstlerin stehen auch lange Copyrightverhandlungen bevor. Denn manche der Bilder zeigen konkrete Marken, die sich tief in das tschechische Bewusstsein eingebrannt haben:

„Das wird noch ein großes Problem für mich. Eigentlich war das Ganze nur ein Schulprojekt und ich habe nie so ein großes Interesse erwartet. Bei allem, was in der Schule geschaffen wird, sind Sachen wie Markenrechte vollkommen egal. Nun ist es aber so, dass ich meine Czemojis in die Öffentlichkeit bringen will, und da ist die Frage plötzlich relevant. Ich könnte mich mit den Firmen, deren Marken in meiner Arbeit vorkommen, in Verbindung setzen und eine Art Zusammenarbeit verabreden. Dann gibt es natürlich die Möglichkeit, dass ich problematische Bildchen lösche. Bei einer Verfremdung bin ich mir noch nicht sicher, ob das funktionieren könnte. Also den Gegenstand erkenntlich darzustellen aber ohne Markennamen.“

Gegen Schulbücher mit schlechtem Design

Quelle: Archiv von Soňa Juríková
Soňa Juríková will die Tschechen jedoch nicht nur rührselig zum Lachen bringen, sondern sie auch erziehen. Ein weiteres Projekt der Grafikdesignerin ist nämlich eine Fibel für Grundschulkinder:

„Ich wollte eine Fibel entwerfen, da man dabei noch die größte Freiheit hat. Da gibt es generell viele Bilder, ich konnte da meine Illustrationen einfügen und alle meine Künste schön verbinden. Die Fibel sollte eigentlich so eine Art Brücke zu anderen Schulbüchern werden. Für mich war das Projekt insgesamt sehr interessant. Vor allem die Verbindung der Aufgaben mit dem dazugehörigen Design. Ich bin mir bewusst geworden, dass Schulbücher zu gestalten nicht gerade einfach ist. Deshalb braucht meine Fibel sicher noch einige Korrekturen – auch bei der Grafik. Mit etwas Abstand sehe ich heute schon, dass einige Dinge dort nicht ganz ausgegoren sind.“

Das Buch ist aus der Motivation heraus entstanden, es den Schülern von heute leichter zu machen. Die junge Designerin selbst konnte laut eigener Aussage nämlich nicht wirklich aus den bestehenden Schulbüchern lernen. Schuld daran war vor allem die grafische Aufmachung von Lektüreheften oder Formelsammlungen:

Quelle: Archiv von Soňa Juríková
„Ich war sehr überrascht darüber, wie viele verschiedene Fibeln und Schulbücher es eigentlich gibt. Jeder Verlag will dabei irgendwie einzigartig sein. Das Problem dabei ist, dass den Schulbüchern in Tschechien eine gewisse Einheitlichkeit fehlt. Sie sind überladen mit Elementen und überflüssig bunt. Das lenkt ab vom Lerninhalt, was in einem Schulbuch eigentlich das Wichtigste sein sollte.“

Soňa Juríková meint, dass die Autoren ihre Bücher zu fröhlich gestalten wollen. Dabei würden sie aber viel zu viel Design verwenden, was am Ende eher schiefgeht. Ihre eigene Fibel gibt es derzeit nur als eine Art Vorabdruck. Auf die Schulbänke wird das Büchlein so schnell wahrscheinlich nicht kommen. Doch Soňa Juríková arbeitet mit ihrem Verlag schon an einem etwas anderen Projekt:

„Über meiner Fibel hängt nach wie vor ein großes Fragezeichen. Ich arbeite mit einem Verlag zusammen, der alle Rechte an dem Buch hält. Ich kann es also nicht einfach so irgendwo anders veröffentlichen. Nun wurde mir dort aber klargemacht, dass für einen Start auf dem Markt noch viel zu viele Probleme in der Fibel bestehen. Wir wollen aber so ein Ergänzungsbüchlein herausgeben mit meinen Bildern zu den jeweiligen Buchstaben und Gedichten. Das wird dann so ein Begleitschulbuch zur Fibel.“

Die Zukunft liegt in guten Illustrationen

Mongolische Schriftzeichen  (Foto: Wikimedia Commons,  Public Domain)
Derzeit studiert Soňa Juríková noch an der Kunstakademie Bratislava:

„Ich habe da Freunde und mit den Lehrern dort bin ich sehr zufrieden. An der Schule unterrichten wirklich interessante Persönlichkeiten. Auch das Atelier and der Hochschule, das sogenannte ‚Typolab‘, liegt mir mit seiner konzeptuellen Ausrichtung. Da kann ich eigentlich alles machen, was ich will. Ich bin ja Illustratorin und keine Typografin. In der Werkstatt ist das kein Problem, obwohl sie eigentlich eher auf Schrift ausgerichtet ist.“

An Buchstaben hat sich Soňa Juríková aber dann doch versucht. In einem Projekt schuf sie eine Symbiose von lateinischem Alphabet mit mongolischen Schriftzeichen. Die Inspiration dazu habe sie sich in der Mongolei vor Ort geholt, erläutert die Designerin. Mit dem Land sei sie bei zwei Studienreisen zu buddhistischen Klöstern in Berührung gekommen. Wie sieht sie aber ihre Zukunft als Designerin in Tschechien?

„Wie überall ist wohl das Geld eine große Hürde beim Einstieg in die Branche. Vielen Leuten ist einfach nicht bewusst, wie viel Arbeit hinter einer Illustration steckt und wie viel Zeit man dafür im Studio verbringt. Insgesamt ist die Lage derzeit aber recht gut. Immer mehr Menschen wollen nämlich hochwertig gestaltete Bücher kaufen. Außerdem kommen auch immer mehr Werke aus dem Ausland hier auf den Markt, und die verlangen alle ein schönes Design.“