Die Olmützer Moritzkirche und die bewegte Geschichte der größten Orgel Tschechiens

Mauritiuskirche in Olomouc im Jahr 2021

Die Mauritiuskirche in Olomouc / Olmütz stammt eigentlich aus dem 13. Jahrhundert und wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebaut. Allgemein bekannt ist sie als Moritzkirche. Sie gilt als eines der bedeutendsten Zeugnisse spätgotischer Architektur in Mähren. Dieser Sakralbau beherbergt die größte Orgel Tschechiens, die ebenfalls auf eine lange Geschichte zurückblicken kann.

Jan Gottwald | Foto: Jitka Mládková,  Radio Prague International

Schon von außen ist die Moritzkirche in Olmütz besonders: Sie hat zwei asymmetrische Türme mit unterschiedlichen Proportionen. Der Sakralbau ist aus der Geschichte der Stadt nicht wegzudenken und genauso wenig seine Orgel – seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist sie die größte im Lande und mittlerweile auch eine der größten in Europa.

An der Stelle der heutigen Moritzkirche im historischen Stadtzentrum stand ursprünglich ein wesentlich älterer Sakralbau, erstmals erwähnt im Jahr 1078. Auf Initiative des Olmützer Bischofs Bruno von Schauenburg wurde dort 1257 eine neue Kirche gebaut und dem von ihn geliebten Hl. Mauritius geweiht. Im Lauf der Zeit wurde das Gotteshaus allerdings mehrfach von Bränden heimgesucht und musste wieder erneuert werden. Unser Begleiter durch die bewegte Geschichte der Kirche und ihre berühmte Orgel ist der studierte Musikwissenschaftler und bekannte Organist Jan Gottwald:

„1540 wurde die altehrwürdige Kirche, die infolge einer Feuersbrunst beschädigt war, im gotischen Stil fertiggebaut. Sie galt als Hauptkirche der Stadt. 1709 entflammte im Stadtzentrum schon wieder ein großer Brand, dem mehrere Häuser zum Opfer fielen – und betroffen war auch die Moritzkirche. Nach der Instandsetzung des Baus wurde der Innenraum im Barockstil umgestaltet. Das war das Verdienst des italienischen Pfarrers und Kunstliebhabers Giannini, der aus dem italienischen Modena nach Olmütz gekommen war. Später wurde er zum Propst der Moritzkirche erhoben. Giannini setzte sich auch für den Bau einer neuen Orgel im Hauptchor ein.“

Besonderes Instrument

Größte Orgel von Michael Engler | Foto: Michal Maňas,  Wikimedia Commons,  public domain

Gottwald zufolge wurde 1496 erstmals erwähnt, dass die Moritzkirche einen Organisten habe. Seit jeher gab es hier wohl eine ausgezeichnete Orgel. Derzeit gebe es übrigens ihrer zwei, so der Musikologe:

„Im Presbyterium befindet sich eine kleine Orgel, sie war ursprünglich als Provisorium gedacht. Dieses Instrument wurde 1716 nach dem großen Brand vom Olmützer Orgelbauer Anton Schack geschaffen. Die Orgel ist bis heute in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten und gilt als die älteste in der Stadt. Die andere Orgel im Hauptchor wurde von 1740 bis 1745 von Michael Engler erbaut. Er entstammte einer berühmten Orgelbauer-Familie aus Breslau. Auf Einladung von Probst Giannini kam er nach Olmütz, um den Stand der im Bau befindlichen Orgel zu beurteilen. Mit den Arbeiten waren schon zuvor mehrere Orgelbauer beschäftigt gewesen. Sie schafften es aber nicht, dem Instrument die geplante Größe zu geben. Michael Engler entschied sich letztlich, eine neue Orgel für das große, seit 1730 leer stehende barocke Gehäuse zu bauen. Sie erhielt drei Manuale, 44 Register und 2500 Pfeifen. Am 21. September 1745, dem Vorabend des Tags des Schirmherrn der Kirche, wurde die Orgel eingeweiht. Es war ein besonderes Instrument und das größte seiner Art in Mähren. Doch nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch wegen des schönen Klangs bürgerte sich bald der Name ‚Königin der mährischen Orgeln‘ ein“, so Gottwald.

Foto: Lukáš Lehotský,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0

Die Kosten für den Bau der Orgel einschließlich des Chors beliefen sich auf ungefähr 19.000 Gulden. Das war damals ein stolzer Preis. Und obwohl Engler nicht Hauptinvestor war, geriet er Gottwald zufolge in finanzielle Schwierigkeiten. Denn die tatsächlichen Kosten dürften die ursprünglichen Voranschläge so sehr überstiegen haben, dass dies auch Engler vor Probleme stellte. Und letztlich beeinträchtigten sie die weitere Karriere des Instrumentenbauers.

„Die Orgel wurde nichtsdestotrotz als eine Art musikalische Offenbarung wahrgenommen. Die meisten der damaligen Orgeln hierzulande waren nur halb so groß und verfügten dementsprechend über wesentlich geringere Klang- und Ausdrucksmöglichkeiten. Nicht einmal in Prag oder Brünn gab es ein vergleichbares Instrument. Kurzum, Olmütz hatte die größte Orgel im Böhmischen Königreich“, so Jan Gottwald.

Lange Zeit glaubte man, dass im 18. Jahrhundert nur noch kleinere Reparaturen und Änderungen an der großen Orgel durchgeführt wurden. Erst wesentlich später bestätigte sich jedoch etwas anderes. Denn der Zahn der Zeit und der Holzwurm begannen schon damals, an dem Instrument zu nagen.

Fehlerhafte Restaurierung

Foto: Jitka Mládková,  Radio Prague International

Mitte des 20. Jahrhunderts war die Orgel fast nicht mehr funktionsfähig. In den 1950er Jahren entschloss man sich daher zu einer umfassenden Restaurierung. Zunächst hieß es, dass die Orgel ihre barocke Gestalt behalten sollte. Doch wenig später wurde vermutlich in höheren Parteietagen eine andere Entscheidung getroffen: Demnach sollte auf der barocken Grundlage ein noch größeres Musikinstrument entstehen. Damals kam hierzulande an manchem Ort die Idee auf, Kirchenräume in Konzertsäle umzuwandeln. So weit wollte man in Olmütz im Unterschied zu anderen Städten offenbar aber nicht gehen. Anderswo wurden solche Vorhaben allerdings umgesetzt. So wurden zum Beispiel im mährischen Uničov / Mährisch Neustadt oder in Ústí nad Labem / Aussig an der Elbe jeweils Klosterkirchen in Konzertsäle verwandelt. Musikwissenschaftler Gottwald:

„In Olmütz sollte einfach ein großes Musikinstrument entstehen. Und zwar ein noch größeres als das bisherige, damit auf ihm jegliche Orgelmusik interpretiert und auch eingespielt werden konnte. Von 1959 bis 1971 war das ‚volkseigene Unternehmen Rieger/Kloss für den Orgelbau‘ mit Sitz in Krnov damit beauftragt. Zwar handelte es sich um eine renommierte Firma, doch für einen solchen Auftrag hatte sie nicht das entsprechende Know-how. Im Rahmen der Restaurierungsarbeiten war sie bemüht, möglichst wenig in Englers Orgelwerk einzugreifen. Einige Arbeiten wurden jedoch nicht sorgfältig genug durchgeführt, wie sich erst viel später herausstellte.“

Innenraum der St. Mauritiuskirche in Olmütz | Foto: Daniel Baránek,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED

Damals wurde aber nicht nur Englers Orgel restauriert. Sondern man baute in ungefähr derselben Größe noch eine neue Orgel hinzu. Dadurch entstand ein wesentlich erweitertes Gesamt-Instrument. Dieses verfügte über 95 Register und 8012 Pfeifen und wurde über zwei Klaviaturen gespielt.

Das gesamte Instrument vergleicht Gottwald mit einem Haus mit vier Etagen. Die Lufttechnik der Orgel befindet sich im Keller, darüber wurden all die Tausende Pfeifen und Teile des Orgelsystems installiert. Und in der obersten Etage ragen die Pfeifen bis zu 14 Metern über den Chor hinaus.

2020 wurde eine neue Sanierung der Orgel gestartet. Das Ende der Arbeiten hat sich zum Teil wegen der Corona-Pandemie verzögert. Hinzu kam, dass man auf Mängel stieß, die bei der vorletzten Orgelrenovierung von 1950 bis 1970 entstanden waren. Eine der Ursachen dafür vermutet Gottwald in der politischen Isolierung der damaligen Tschechoslowakei. So habe es hierzulande nur wenige Möglichkeiten gegeben, sich zum Beispiel in Deutschland oder weiteren Ländern mit den neuesten Erkenntnissen im Orgelbau vertraut zu machen.

Die seit 2020 laufende Renovierung der größten Orgel Tschechiens und einer der größten in Europa ist nach Informationen von Jan Gottwald ungefähr zu 80 Prozent vollendet. Derzeit wird noch der restliche Teil der Pfeifen, die von einer fachspezialisierten Firma in Slowenien eine gründliche „Schönheitskur“ erhalten haben, in den Orgelkorpus eingefügt. Nachfolgend müssen unter anderem die Pfeifen gestimmt und ihr Zusammenspiel geprüft werden.

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