Verfall nach Besitzerwechsel und Restaurierung – Villa Primavesi in Olmütz, 2. Teil
Fünf Generationen lang lebte die Unternehmer- und Bankiers-Familie Primavesi in Olomouc / Olmütz. Anfang des 20. Jahrhunderts ließ sie sogar inmitten eines barocken Stadtteils eine eigene Villa bauen. Doch nach dem Zerfall der Habsburger Monarchie 1918 verließen die Primavesis die Stadt in Mähren. Und ohne ihre ursprünglichen Besitzer wartete auf die einzigartige Jugendstil-Villa eine wechselhafte Zeit.
Es war ein schrittweiser Abschied: Das Ehepaar Primavesi mit seinen vier Kindern zog sich zwischen 1918 und 1922 aus Mähren zurück. 1923 verkaufte Otto Primavesi die Villa in Olmütz an eine zuckerproduzierenden Firma im nahen Přerov / Prerau. Drei Jahre später hatte das Gebäude einem neuen Besitzer: den Arzt František Koutný. Er richtete in dem Haus eine Privatklinik für Gynäkologie und Urologie ein. Der entsprechende Umbau erforderte allerdings tiefe Eingriffe in die Struktur und Raumgestaltung des Hauses, insbesondere auf zwei Etagen. Jana Krausová führt die Besucher durch das Haus und erzählt:
„Zum Teil wurde der Wohnraum im Erdgeschoss verändert, in dem sich 14 Jahre lang das Leben der Familie Primavesi abgespielt hatte – und das oft auch im Beisein von prominenten Künstlern und Freunden aus Wien. Nun aber sollte vieles den Bedürfnissen der entstehenden Klinik angepasst werden. Im ersten Stockwerk wurden die ehemaligen Kinderzimmer, das Schlafzimmer sowie das Zimmer für die Erzieherin so umgebaut, dass Frauen vor und nach der Entbindung dort bleiben konnten. Neu angelegt wurden ein Kreiß- und ein OP-Saal für Patienten der Urologie und Gynäkologie beziehungsweise mit Problemen im Bauchereich. Für die postoperative Betreuung waren die umgebauten Gästezimmer bestimmt. Auf dem Dachboden richtete man eine Dreizimmerwohnung samt einer Kapelle ein – und zwar für zehn Nonnen, die die Patienten vor und nach der OP betreuten. Dadurch wurde das Olmützer Kleinod des Wiener Jugendstils schwer beschädigt.“
Privatklinik zieht ins Haus
František Koutný führte die Klinik bis zu seinem Tod. Danach war die Witwe gezwungen, diese zu verkaufen. Noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs übernahm Koutnýs Freund und Kollege Robert Pospíšil die medizinische Einrichtung. Er betrieb die Klinik bis 1952, als sie verstaatlicht wurde. Pospíšil erhielt keine Entschädigung und wurde zwangspensioniert. Danach wurde das Haus in das „Institut für Volkgesundheit“ (Ústav národního zdraví) eingegliedert. Anstatt der früheren Klinik funktionierte es dann als Ärztehaus weiter. Das heißt, man verzichtete auf die stationäre Betreuung von Patienten. Sie wurde durch Ambulanzen von Fachärzten und Therapeuten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ersetzt.
1991 wurde die Villa restituiert. So wurde Pavla Honzíková, die Enkelin des letzten Privatbesitzers Robert Pospíšil, zur neuen Besitzerin. Nach 40 Jahren als sozialistisches Ärztehaus war das Gebäude jedoch so heruntergekommen, dass eine Restaurierung notwendig war.
„Als die neue Besitzerin noch keinen konkreten Plan für die Villa hatte, wandte sich die firma ‚Primavia‘ mit einem Vorschlag an sie. So sollte die Villa in einen luxuriösen Klub für Olmützer Unternehmer umgestaltet werden. Die Besitzerin willigte ein, allerdings unter der Bedingung, dass der Unternehmerverband jährlich eine Million Kronen in den Umbau investieren würde. Die Firma ‚Primavia‘ erhielt einen Mietvertrag für zehn Jahre. Doch dem Unternehmen gelang nicht viel. Zwar ließ es die fehlenden Teile des einmaligen Speiseraummobiliars aus der Wiener Werkstätte von Anton Hanak anhand von Fotos neu anfertigen. Und auch die Fenster mit den schönen Glasmalereien wurden restauriert. Danach wurde jedoch eine Baugesellschaft in das Projekt einbezogen. In diesem Zusammenhang lagerte man die restlichen Original-Möbel aus der Villa ohne das Wissen der Hausbeitzerin in mehreren Restauratorenwerkstätten im Lande ein. Zwei Jahre später meldete ‚Primavia‘ Insolvenz an und konnte die Miete nicht mehr zahlen. Die Bauarbeiten wurden darauf eingestellt. Letztlich blieb das Gebäude völlig unbeaufsichtigt, sodass mehrmals Diebe einbrachen. Dabei wurden zum Beispiel historische Gussheizkörper, die neuen Elektroinstallationen oder die Fußbodenabdeckung gestohlen“, erzählt Krausová.
Im nachfolgenden Gerichtsverfahren behaupteten sowohl Primavia als auch die Baugesellschaft, bei ihrem Auszug sei die Einrichtung noch komplet gewesen und sie hätten das Objekt auch ausreichend gesichert.
Letztlich befand sich die Villa 1996 dann in einem noch schlechteren Zustand als nach dem Ende des Kommunismus. Dennoch entschieden sich Pavla Honzíková und ihr Mann für eine Restaurierung auseigenen Kräften. Das ging allerdings nur in ihrer Freizeit. Konkret hieß das an Wochenenden und im Urlaub, weil sie selbst im mittelböhmischen Příbram / Pribram wohnten. Das berufstätige Ehepaar und seine zwei Kinder waren damit für mehrere Jahre ausgelastet. Die Arbeiten begannen mit dem einsturzgefährdeten Dach und den Hauseingängen. Jana Krausová:
„Die Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten am Haus finanzierte die Besitzerin zum Großteil aus eigenen Quellen sowie mithilfe der ganzen Familie. Die ersten zusätzlichen Einkünfte erreichte sie durch die Sanierung der vierten Etage unter dem neu reparierten Mansardendach. Dort wurden vier neue kleinere Wohnungen eingerichtet, die man dann alle in kürzester Zeit vermietete. Der Ertrag wurde in die folgenden Reparaturen gesteckt.“
Danach kamen weitere Etagen an die Reihe. Einen gewissen Zuschuss zur Reparatur des Daches gewährten die Stadt und der Kreis Olmütz. Diese Beihilfe soll angeblich davon abhängig gewesen sein, dass ein Teil der historischen Räumlichkeiten der Villa – besonders das Erdgeschoss – künftig auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Originalmöbel kehren zurück
Im Rahmen der Restaurierungsarbeiten fahndeten die Besitzer auch mühsam nach den fehlenden Möbeln. Letztlich gelang es, einen Großteil von ihnen aufzuspüren und reparieren zu lassen. Einiges zum Beispiel, was einst zur Ausstattung des Jugendstil-Speiseraums gehört hatte, fand sich in einem erbärmlichen Zustand im ehemaligen Pferdestall des Schlosses Chudobín in der Nähe von Olmütz. Mühsam wurde auch, die ursprüngliche Ausstattung des sogenannten „roten Zimmers“ von Eugenia Primavesi zurückerhalten. Dies gelang erst nach einem jahrelangen Gerichtsverfahren. Bereits seit den 1960er Jahren hatte sich die Ausstattung im Depositar zweier Olmützer Museen befunden. Anders fiel die Suche nach dem Mobiliar aus dem Privatbüro von Otto Primavesi aus:
„Angeblich war dieser Raum ursprünglich mit schwarzen Möbeln der Wiener Werkstätte ausgestattet. Bis heute ist es aber nicht gelungen, auch nur einen Teil der Ausstattung zu finden. Was hier aktuell zu sehen ist, sind die Kopien einiger Möbelteile aus dem Speisesaal, die in den 1990er Jahren angefertigt wurden. An den Wänden hängen Kopien der Bilder von Gustav Klimt. Mit 17 Originalwerken des Künstlers galten die Primavesis seinerzeit als Besitzer der weltweit größten Privatsammlung von Klimts Gemälden“, sagt Fremdenführerin Krausová.
Heutzutage kann man in Begleitung der Fremdenführerin die erste Etage der Villa Primavesi besuchen, die sich als Galerie bezeichnen lässt. In der ehemaligen Wohnhalle der Familie Primavesi, die vor 1989 zeitweise auch als Turnhalle diente, werden zum Beispiel Kammerkonzerte veranstaltet. Und wer will, kann in dem historischen Raum auch heiraten – selbst das lässt sich dort arrangieren. Aus diesem Saal kommt man wieder wie früher in den Speiseraum mit den Jugendstilmöbeln aus dem Jahr 1912 oder ins ehemalige Zimmer von Eugenia Primavesi, in dem seit 2017 die restaurierten Möbel bewundert werden können.
Außer den vier Einzimmerwohnungen im Dachgeschoss befinden sich in der zweiten Etage noch einige Büroräume, die in den früheren Schlafzimmern der Kinder und in Räumlichkeiten der späteren Klinik eingerichtet wurden. Im einstigen Kreißsaal hat zum Bespiel die Olmützer Filiale der Tschechischen Presseagentur ČTK ihren Sitz. Im Untergeschoss gibt es zudem ein Café. Besucher können zudem auf die Terassen gehen oder in den Garten, der wieder im ursprünglichen Stil hergerichtet wurde. Keinen enzigen Quadratzentimeter der Villa hätte die Besitzerin trotz der langjährigen und anspruchsvollen Restaurierierungsarbeiten verkauft, betont Jana Krausová. Ihr zufolge meldete sich schon kurze Zeit nach der Restitution einer der Nachkommen der Familie Primavesi mit dem Vorschlag, die Villa zu kaufen. Schon damals habe Pavla Honzíková nein gesagt. Dass es im Rahmen der Möglichkeiten gelungen ist, „wenigstens“ die historisch wertvolle erste Etage der Olmützer Jugendstilvilla in ihrer ursprünglichen Gestalt zu retten, darüber freuen sich heute viele Besucher.
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Villa Primavesi in Olmütz: Perle des Wiener Jugendstils mit wechselhaftem Schicksal
Anfang des 20. Jahrhunderts ließ die Industriellen- und Bankiersfamilie Primavesi in Olmütz eine neue Villa bauen. Das Haus ist heute eines der Kulturdenkmäler der Stadt.