Die Rolle der Medien im tschechischen Wahlkampf

Für die Medien gibt es wohl keinen anderen Zeitpunkt, an dem sie in ihrer Rolle mehr gefordert sind als während eines Wahlkampfs. Sie werden unter anderem mit einer großen Menge an Informationen überhäuft, müssen aber auch mit häufigeren Interventionsversuchen von Seiten der Politiker rechnen. Bleibt da den Journalisten überhaupt noch ausreichend Zeit diese zu verarbeiten und für die Wähler zu analysieren, oder kann es nicht passieren, dass die Medien dann unfreiwillig in den Wahlkampf der Parteien eingespannt werden?

Der Kampf um Stimmen und Mandate neigt sich in Tschechien seinem Ende zu. Kommendes Wochenende werden die Wahllokale für die Wahlen des Abgeordnetenhauses ihre Pforten öffnen. Für die tschechischen Medien heißt das, dass ihre Wahlberichterstattung in den nächsten Tagen noch einmal Hochsaison haben wird.

Schon jetzt vergeht kaum ein Tag, an dem die Zeitungen nicht spezielle Beilagen mit Vergleichen der einzelnen Programme und den Wahlversprechen der Politiker veröffentlichen. Besonders beliebt bei den Internetmedien sind zum Beispiel Ratgeber für unentschlossene Wähler, die dann anhand der Beantwortung von Fragebögen selber herausfinden können, welche Partei ihnen am nächsten steht beziehungsweise ihren Standpunkten am ehesten entspricht.

Vergangenes Wochenende fand zudem erstmals ein Fernsehduell der beiden Hauptkontrahenten des diesjährigen Wahlkampfs, Premier Jiri Paroubek von den Sozialdemokraten und Oppositionschef Mirek Topolanek von den Bürgerdemokraten, statt. Kommendes Wochenende werden die beiden Politiker, diesmal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, erneut aufeinander treffen. Weitere TV-Konfrontationen der beiden Politiker in der letzten Woche vor den Wahlen sollen noch folgen.

Jiri Paroubek  (CSSD) und Mirek Topolanek  (ODS) in TV-Duell  (Foto: CTK)
Auf den ersten Blickt scheint es also, als ob die tschechischen Medien bei diesem Wahlkampf ihrer Rolle des Vermittlers von Nachrichten besonders gerecht werden würden. Unterscheidet sich aus der Sicht der Medien der diesjährige Wahlkampf irgendwie von jenem vor vier Jahren? Das fragten wir Petr Fischer von der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny:

"Was die Printmedien angeht, dort würde ich keinen großen Unterschied zum Jahr 2002 sehen. Die Wahlberichterstattung war damals, wie auch jetzt natürlich dominierend, es wurden große Interviews mit den führenden Politikern veröffentlicht, aber ein Unterschied besteht sicherlich darin, wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen diesmal im Vorfeld der Wahlen agiert. Dort ist es zu einer sehr interessanten Entwicklung gekommen, weil die einzelnen Parteien im Leitmedium des Landes einen weitaus größeren Raum bekommen haben als in der Vergangenheit und dieser auch zu einer stärkeren Debatte unter einander genutzt wurde. Positiv ist, dass auch die Bürger bei diesen Vorwahldebatten, die in den 14 Regionen des Landes stattfanden, diesmal weitaus stärker mit einbezogen wurden, im Gegensatz zu vergangenen Jahren. So etwas fehlte bislang in Tschechien und ich denke, dass das Tschechische Fernsehen hier auch einen gewissen Rest aus der Vergangenheit nachgeholt hat."

Blicken wir aber nun auf die einzelnen Parteien, bzw. deren Bild in den Medien. Dabei lässt sich feststellen, dass die Spitzenpolitiker diesmal kaum ohne große Beraterteams im Hintergrund ausgekommen sind. Im Gegensatz dazu, hatten die früheren Wahlkämpfe eines Milos Zeman, Vladimir Spidla, oder nicht zu vergessen eines Vaclav Klaus in den 90er Jahren, eher den Charakter von Ein-Mann-Veranstaltungen. Die Unterschiede in diesem Zusammenhang sind auch laut Petr Fischer diesmal besonders markant:

"Dann wäre da noch ein Punkt, den ich bislang nicht erwähnt habe und zwar, dass wir diesmal einen Wahlkampf erleben, bei dem die politischen Parteien in vollem Umfang den Zauber des politischen Marketings für sich entdeckt haben. Die Sozialdemokraten haben eine renommierte Werbeagentur engagiert, die in den USA und Großbritannien an Wahlkämpfen beteiligt war, auch bei den oppositionellen Bürgerdemokraten ist ein Team beteiligt, welches mit detaillierten Marketingstudien arbeitet und das muss sich natürlich auch im eigentlichen Wahlkampf bemerkbar machen. Natürlich werden dann die jeweiligen Vorsitzenden detailliert auf Fernsehdebatten vorbereitet. Die Rolle der so genannten Spindoktoren ist in diesem Wahlkampf so groß, wie noch nie zuvor. Es ist natürlich fraglich, in wie weit das bei einer Änderung des politischen Klimas behilflich sein kann, aber das wäre schon ein Thema für eine ganz andere Debatte."

Handelt es sich bei dieser Marketingwelle lediglich um eine Modeerscheinung, oder wird das künftig zur Grundausrüstung jeder wahlkämpfenden Partei, die Erfolg haben will, gehören müssen? Petr Fischer:

"Ich denke, dass es sich dabei vielleicht um eine Faszination durch politisches Marketing handelt. Natürlich sind diese Mittel notwendig, weil es in Zeiten der Massenmedien die einzige Möglichkeit ist, wie man erfahren kann, was die Wähler denken und was sie sich wünschen. Die Frage ist aber, was die Parteien aus den Ergebnissen dieser Studien mitnehmen, wie sie diese Ergebnisse verwerten. Dabei besteht die berechtigte Gefahr, dass sie dann auf einer populistischen Welle schwimmen und versuchen die Wähler mit billigen Versprechen für sich zu gewinnen. Diese Bezauberung wird sich mit der Zeit auflösen und bei den nächsten Wahlen wird politisches Marketing nur eines von vielen Mitteln sein, aber nicht das einzige und wichtigste."

Die Medien werden ja oft plakativ als Wachhunde der Demokratie bezeichnet mit der Aufgabe, den Politikern auf die Finger zu schauen und sofort zu Informieren, wenn diese ihrem Auftrag nicht gerecht werden. Wie ist aber um diese Rolle in Wahlkampfzeiten bestellt? Werden die Medien dann nicht von den Parteien und Politikern ganz bewusst in großen Mengen mit Informationen überhäuft, denen sie nicht mehr analytisch nachgehen können? Entsteht dann nicht das Risiko, dass die Medien die erhaltenen Informationen unfiltriert - quasi in Form von Werbebotschaften - an die Leser, Hörer oder Fernsehzuschauer weitergeben? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Journalisten Petr Fischer von der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny:

"Ich denke, dass dieser Filter notwendig ist und zwar insbesondere während des Wahlkampfs, weil das große Maß an Informationen ansonsten die Medien völlig überfluten würden. Das Problem ist aber, dass jede Information - zum Beispiel über die Affäre eines Politikers, oder auch negative Informationen, die veröffentlicht werden, im Wahlkampf sofort ausgenutzt werden können. Deshalb müssen in der Zeit von Wahlkämpfen die Medien weitaus sensibler mit Meldungen umgehen, als sonst. Die Redaktionen müssen der Versuchung standhalten wirklich alles zu veröffentlichen, was zu ihnen gelangt ist. Auch in den vergangenen Monaten ist es zu einigen Fällen gekommen, wo die Medien diese Filter nicht eingesetzt hatten und eine auf den ersten Blick interessante Meldung veröffentlicht haben. Es bleibt die Frage im Raum stehen, ob die Journalisten ihre Schlüsse daraus ziehen werden und beim nächsten Wahlkampf bedächtiger vorgehen werden. Ich denke, dass man in Tschechien in diesem Zusammenhang immer noch nicht vorsichtig genug ist, zumindest im Vergleich mit dem Ausland."