Die Stadt Zlín und der Schuhhersteller Baťa
Wenn man in Tschechien die Stadt Zlín erwähnt, dann fällt den meisten Menschen hierzulande der Name Baťa ein. Das geht zurück auf den wohl berühmtesten Vertreter der Unternehmerfamilie, Tomáš Baťa, der in dem mährischen Ort seinen weltumspannenden Konzern aufbaute. Mehr zu dem erfindungsreichen Industriellen nun im Rahmen unserer Serie über die tschechischen Kreise.
Die Firma Baťa entstand 1894 in Zlín, doch die gleichnamige Schuster-Familie war spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in der Gegend ansässig. Auch der Vater von Tomáš Baťa war Schuster, zog aber nach dem Tod seiner ersten Frau weg. Seine Kinder aus dieser Ehe kehrten indes in ihre Heimatstadt zurück, um ihre eigene Firma aufzuziehen. Hana Kuslová ist Historikerin am Museum Südostmährens in Zlín:
„Vom Vater erhielten sie das Erbe ihrer Mutter, das waren 800 Goldtaler. Damit gründeten sie in Zlín ihre Schuhmanufaktur. Diese wurde auf den älteren Bruder Antonín eingetragen, weil Tomáš nach damaliger Gesetzgebung mit 18 Jahren noch minderjährig war. Die Volljährigkeit erreichte man erst mit 21 Jahren. Tomáš Baťa schrieb später in seinen Memoiren, dass die Firma nach einem Jahr am Rand des Bankrotts stand.“
Die Zahlungsunfähigkeit konnte jedoch abgewendet werden und auch noch ein zweiter wirtschaftlicher Tiefschlag. Langsam stellte sich der unternehmerische Erfolg ein. Der erste große Coup gelang zu Beginn des Ersten Weltkrieges.
„1914 zog Tomáš Baťa mehrere Großaufträge für die k. u. k. Armee an Land. Diese Aufträge verteilte er unter allen Schuhfabriken in Zlín. Nach dem Krieg wurde Tomáš dann alleiniger Unternehmenseigentümer, weil seine Schwester Anna ihre Anteile aufgab und er sie ausbezahlte. Und sein Bruder Antonín war schon 1908 gestorben“, so Kuslová.
Bereits 1905 hatte Tomáš Baťa ein halbes Jahr in den USA verbracht, um sich weiterzubilden. Dort lernte er die amerikanische Weise der Firmenführung kennen und ließ sich von dieser inspirieren. Historikerin Kuslová über Baťas Konzept:
„Die Leitung der Firma ruhte auf drei Säulen. Ab 1924 wurden nach und nach alle Angestellten an Gewinnen und Verlusten beteiligt. Tomáš Baťa betonte dabei, dass er dieses System nicht aus Gutherzigkeit einführe, sondern weil dies den Gesamtgewinn des Unternehmens erhöhe. Zugleich, und das war die zweite Säule, gab er den einzelnen Fabriken die Freiheit, selbst die beste Form der Arbeitsorganisation zu wählen. Auch dies sollte die Produktivität befördern. Und als Drittes investierte er in großem Stil in die technische Rationalisierung. Dies bedeutete vor allem Fließbandfertigung mit der größtmöglichen Nutzung von Maschinen.“
Laut der Geschichtswissenschaftlerin ergaben sich dadurch niedrige Schuhpreise für die Kunden, hohe Löhne für die Angestellten sowie angemessene Gewinne für das Unternehmen. Obwohl Baťa bereits 1931 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, zahlte diese aber bis 1942 keine Dividenden aus an die Gesellschafter, sondern reinvestierte konsequent in den Ausbau der Fertigungsstätten.
Weltweiter Konzern
In den 1920er und 1930er Jahren wuchs das Unternehmen Baťa zu einem großen Konzern. Heute könnte man von einem Cluster reden, denn alle Firmen hatten irgendwie mit Schuhen zu tun…
„Zur Herstellung von Schuhen kam die Verarbeitung von Leder hinzu sowie Papierfabriken, sodass man eigene Kartons fertigen konnte. Des Weiteren wurden Chemiefabriken gekauft, und man konnte auch eigene Schuhcreme produzieren. Ebenso fertigte Baťa Schuhbürsten, Schnürsenkel und später sogar Socken und Strumpfhosen“, sagt Kuslová.
Besonders bekannt wurde ein Filmatelier, das in Zlín entstand und für die damaligen Zeiten als sehr progressiv galt. Auch dieses war angebunden an das Firmenimperium:
„Das Atelier arbeitete zwar auf eigener Basis und produzierte dabei Dokus und Unterrichtsmaterial für Schulen. Doch seine Aufgabe war ebenso, in bestimmtem Umfang Reklame- und Instruktionsfilme für die Firma herzustellen. In den 1930er Jahren mietete man dann Ateliers im Prager Stadtteil Hostivař und drehte erste Spielfilme. Und die ersten beiden Jahrgänge des ältesten Filmfestivals auf tschechischem Boden, das heute in Karlsbad angesiedelt ist, fanden in Zlín statt. Erst nach dem Krieg wurde das Festival nach Westböhmen verlagert, zuerst 1946 nach Marienbad und der nächste Jahrgang nach Karlsbad. Das internationale Filmfestival dort ist also eigentlich wegen der Firma Baťa entstanden.“
Der Konzern trug aber nicht nur zur Entwicklung des Films in der Tschechoslowakei bei, sondern veränderte in der Zwischenkriegszeit auch das Gesicht von Zlín. Aus einem eher bedeutungslosen Städtchen wurde ein dynamisches Industriezentrum. Typisch waren die Bauten aus unverputzten Ziegeln, die Baťa errichten ließ. Dieser Stil dominiert bei den Fabrikgebäuden wie den Wohnhäusern, die auch heute noch dort stehen.
Die Erben übernehmen
Firmengründer Tomáš Baťa starb 1932 bei einem Flugzeugabsturz. Am 12. Juli des Jahres wollte er in seiner Privatmaschine, einer Junkers F-13, in die Schweiz fliegen. In der Gemeinde Möhlin am Hochrhein sollte eine neue Filiale eröffnet werden. Doch kurz nach dem Start auf dem Firmenflugplatz in Otrokovice / Otrokowitz stürzte die Maschine im Nebel ab. Dabei kamen sowohl der Pilot als auch der Unternehmer Baťa ums Leben.
Der Konzern wurde danach vom Halbbruder Jan Antonín geleitet. Und er baute diesen weiter aus, so kam zum Beispiel die Fabrikation von Reifen, Flugzeugen und Fahrrädern hinzu. 1939 bestand Baťa aus 63 Unternehmen mit unterschiedlicher Ausrichtung. Weiterhin blieb aber die Schuhfertigung der zentrale Teil. Der Absatz lag bei 60 Millionen Paaren pro Jahr in 30 Ländern der Welt. Gefertigt wurde aber längst nicht mehr nur im heimischen Zlín, sondern auch in zahlreichen ausländischen Produktionsstätten. Dafür wurden unter anderem ganze Viertel oder eigenständige Orte hochgezogen und in einheitlichem Stil gestaltet:
„Wenn eine ganze Stadt auf der grünen Wiese gebaut wurde – wie Borovo Naselje (heute Stadtteil von Vukovar in Kroatien, Anm. d. Red.) im damaligen Jugoslawien, East Tilbury in England oder Batawa in Kanada –, dann hielt man sich an das Schema aus Zlín. Das waren die Ziegelhäuser, relativ viel Grün und eine räumliche Trennung von Produktionsstätten und Arbeitersiedlung, am besten durch den Lauf eines Flusses dazwischen“, sagt Kuslová.
Die Zäsur kam mit dem Einmarsch der Deutschen in Prag im März 1939. In der Folge wurde Jan Antonín Baťa kurz verhaftet. Zusammen mit seiner Familie flüchtete er daraufhin nach Übersee. Den Konzern baute er in der Folge aus den ausländischen Teilen wieder auf. Der tschechoslowakische Teil wurde unmittelbar nach dem Krieg verstaatlicht. Dem Konzernchef wurde sogar Kollaboration mit den Nationalsozialisten vorgeworfen, doch ein Gericht sprach ihn vollumfänglich frei.
Dennoch konnte Baťa sein Unternehmen hierzulande nicht weiterführen. Dieses wurde zu kommunistischen Zeiten in Svit umbenannt. Zwar stellte man auch weiterhin Schuhe her, hatte aber längst nicht den Erfolg von früher. Und nach der politischen Wende von 1989 erwies sich Svit nicht als konkurrenzfähig auf dem Markt. Deswegen wurde im Jahr 2000 dort das letzte Paar Schuhe gefertigt.
In Zlín ist allerdings die Erinnerung an den wichtigsten Unternehmer der Stadt weiter lebendig. Historikerin Hana Kuslová:
„Der Name Baťa ist für Zlín wichtig und wird es auch immer bleiben. Natürlich betrifft dies nach der Schließung von Svit nicht mehr die wirtschaftliche Entwicklung. Die Stadt baut heute auf andere Steine. Der Name hat weiterhin einen Klang. Er steht für den früheren Reichtum von Zlín, an den sich die Stadt auch bemüht, wieder anzuknüpfen.“
Weltweit steht Baťa – oder international Bata – zudem weiterhin für Schuhe. Denn die Nachfahren von Tomáš Baťa knüpften in Kanada an dessen Firmenidee an. Obwohl die Bata Shoe Organisation, wie der Konzern heute heißt, die größten Zeiten wohl bereits hinter sich hat, ist man immer noch auf allen bewohnten Kontinenten vertreten. Der Firmensitz ist mittlerweile in Lausanne in der Schweiz, registriert ist der Konzern aber in Luxemburg. In Tschechien betreibt man allerdings nur eine kleinere Fabrik in Dolní Němčí / Dolniemtsch in Südmähren.
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