Die Thaya – Zeitreise an einem Grenzfluss

Thaya (Foto: Tomasek332, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Überfälle, Kriege, Grenzstreitigkeiten, Seuchen oder Migrationswellen – im Mittelalter litten darunter viele Regionen Europas. Von all dem blieb auch Südmähren seit dem frühen Mittelalter nicht verschont.

Thaya  (Foto: Tomasek332,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
Nachdem die Habsburger 1526 den böhmischen Thron bestiegen hatten, bildete die Thaya bis 1919 innerhalb der Donaumonarchie eine Verwaltungsgrenze zwischen dem heutigen Tschechien und Österreich. Die Gebiete auf beiden Seiten des Flussverlaufs waren seit dem Frühmittelalter strategisch wichtig. Am Hoftag zu Regensburg im Jahr 1041 musste der böhmische Fürst Břetislav I. die Gebiete südlich der Thaya an den römischdeutschen Kaiser Heinrich III. abtreten. Die zuvor verfeindeten Herrscher wurden aber letztendlich Verbündete. Ein Jahr später unternahmen sie gemeinsam einen Feldzug gegen die Ungarn.

Teile der ehemals böhmisch beherrschten Region wurden in der Folge von Heinrich III. als Lehen vergeben. Miroslav Geršic ist Historiker im südmährischen Břeclav / Lundenburg.

„Das Gebiet südlich der Thaya wurde durch die Passauer und die Regensburger Bischöfe kolonisiert. Erstere verwalteten die Region um das heutige Valtice (Feldsberg, Anm. d. Red.). Der bewaldete Landstreifen zwischen Valtice und der Thaya, also das Gebiet, auf dem später die kroatisch besiedelten Gemeinden Poštorná, Charvatská Nová Ves und Hlohovec entstanden, gehörte den Regensburgern. Selbstverständlich kamen damals auch die ersten Siedler mit. Im unbesiedelten Raum zwischen Valtice und Lednice (Eisgrub, Anm. d. Redaktion) wurde im 13. Jahrhundert vom Passauer Bistum zum Beispiel Alach gegründet.“

Motiv an der Thaya  (Foto: Public Domain)

Grenzbrücke über die Thaya  (Foto: BuschBohne,  Wikimedia Commons,  CC0 1.0)
Dem böhmischen und polnischen König Vratislav II gelang es, die Expansionsbestrebungen der um das Jahr 1000 entstandenen Mark Ostarichi aufzuhalten. Nach einem Sieg in der Schlacht bei Mailberg 1082 gewann er unter anderem die inzwischen verlorene Region von Mikulov (Nikolsberg, Anm. d. Red) für das Fürstentum Böhmen zurück. Die Grenze an der Thaya und der March, in die die Thaya mündet, blieb bis 1920 unverändert. In diesem Jahr bekam die junge Tschechoslowakei im Vertrag von Saint-Germain eine richtige Staatsgrenze, die sich mehr oder weniger an der ehemaligen Verwaltungsgrenze orientierte. Und das den Protesten von Grundbesitzern zum Trotz.

Die Frühe Neuzeit – ein dunkles Kapitel

Das 15. und 16. Jahrhundert waren eine düstere Epoche für Südmähren. Den Hussitenkriegen folgten gegen Ende des 15. Jahrhunderts blutige Konflikte zwischen dem ungarischen König Mathias Corvinus und den böhmischen Königen Georg von Podiebrad und Władysław Jagiełło. Bald danach begann zudem die Expansion des Osmanischen Reichs nach Europa. Deren Folgen bekam auch Südmähren zu spüren:

Belagerung Wiens  (Foto: Wikimedia Commons,  Public Domain)
„1529 belagerten die Türken Wien. Von dort aus drangen sie bei Plünderungszügen auch in Südmähren ein. In der Umgebung von Valtice / Feldsberg, Anm.d. Red.)wurden viele mährische Dörfer ausgelöscht. Der wahre Startschuss zu den mehr als 150 Jahre andauernden Heimsuchungen Mitteleuropas durch die Osmanen fiel aber schon drei Jahre vorher, und zwar nach der Schlacht bei Mohács am 29. August 1526. Im heutigen Dreiländereck zwischen Serbien, Ungarn und Kroatien besiegten die Türken das Heer des böhmischen und ungarischen Königs Ludwig Jagiełło. Den dadurch frei gewordenen Thron bestiegen anschließend die Habsburger, und von da an hatte die Kaiserarmee die größte Last der nachfolgenden Kämpfe zu tragen. An den Kriegsfronten des Balkans kämpften auch Angehörige des Hauses Liechtenstein.“

Die Spur der Liechtensteiner

Valtice  (Foto: CzechTourism)
Die Liechtensteiner kamen schon im Jahr 1391 nach Valtice, damals kauften sie einen Teil der dortigen Ländereien samt der Burg Feldsberg. Damit begründete Johann I. das Zentrum der Liechtensteiner Herrschaft auf mährischem Gebiet. Viele wertvolle Informationen über die nachfolgende Entwicklung finden sich im 1414 angelegten Liechtensteinischen Urbar. Es beinhaltet ein Verzeichnis der zu dem Zeitpunkt bestehenden Ansiedlungen, auch wenn einige davon bereits verlassen waren.

Im Urbar des vorhin erwähnten Alach findet man hingegen nur einen Eintrag mit dem Namen Bischofwarth. Nach Miroslav Geršic handelt es sich hierbei nicht um einen besiedelten Ort, sondern den Namen einer Aue. Zu dem Zeitpunkt habe Alach offenbar nicht mehr existiert. Als eine vom Passauer Bistum gegründete Siedlung namens Bischofswarth sei der Ort erstmalig um 1570 erwähnt worden. Doch auch andere Siedlungen hatten ein ähnliches Schicksal wie Alach. Über die Ursachen schreibt Geršic in seinem Buch, in dem er sich mit den kroatischen Siedlern in der Region und dem Fürstenhaus von Liechtenstein beschäftigt.

Miroslav Geršic  (Foto: YouTube)
„Um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert gab es zahlreiche Gebiets- und Besitzrechtsstreitigkeiten zwischen den Feudalherren an der südmährischen Grenze. Sie hatten oft fatale Folgen. Mancherorts führten diese Konflikte zu massiver Landflucht und dem nachfolgenden Niedergang ihrer Dörfer.“

Es gab allerdings auch andere Ursachen für das Ende vieler Siedlungen, die jedoch in einem globalen Kontext zu suchen sind. Miroslav Geršic:

„Im 16. Jahrhundert ist die Bevölkerungszahl deutlich gesunken. Bei der Suche in Urbaren der Liechtensteinischen Herrschaften stößt man auf viele leer stehende Siedlungen. Viele Todesopfer forderten zum Beispiel wiederholte Pestepidemien. Hinzu kamen laufende Verwüstungen südmährischer Gebiete durch ungarische Truppen. Diese kämpften unter Führung des ungarischen Adels bis weit ins 17. und 18. Jahrhundert hinein gegen die Habsburger. Während des Dreißigjährigen Krieges versuchten sich die Ungarn bei einem dieser antihabsburgischen Aufstände sogar den schwedischen Truppen in Mähren anzuschließen. Dabei wurde das Städtchen Valtice Opfer beider Kriegsparteien. 1619 wurde es von kaiserlichen Truppen geplündert und 1645 von schwedischen Soldaten erobert. Zwischen 1660 und 1710 folgten schon wieder Auseinandersetzungen mit Heeren des osmanischen Reiches. Jedes Mal hatten selbstverständlich vor allem die einfachen Menschen darunter zu leiden.“

Viel Platz für neue Bewohner

Mährischer Kroate  (Foto: Lidus1,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
Im 16. und 17. Jahrhundert waren viele Landstriche im Nordosten Mitteleuropas wüst und verödet, die Voraussetzungen für neue Siedler waren also ideal. In jener Zeit flüchteten massenhaft Kroaten vor allem aus Istrien und Norddalmatien vor den Türken, die ihre ursprüngliche Heimat besetzt hatten. Außer im heutigen Burgenland, der Steiermark und Niederösterreich ließen sie sich auch in Südmähren nieder. Ihre Umsiedlung organisierten oft Grundherren, insbesondere Adelsfamilien, die neue Arbeitskräfte für ihre Ländereien brauchten. So war es auch im Fall der Liechtensteiner. Zum Beispiel Hartmann I. oder seine Enkel Georg Erasmus und Georg Hartmann II., die sich aktiv an den Kämpfen auf dem Balkan beteiligt hatten. Sie nahmen die kroatischen Auswanderer in zwei Wellen mit sich. Die älteste Erwähnung der Kroaten in Südmähren stammt aus dem Testament von Hartmann I. aus dem Jahr 1539. Um das Jahr 1570 ereignete sich dann die zweite Migrationswelle statt. Damals fanden kroatische Umsiedler zum Beispiel in Lednice ein neues Domizil. Das Haus Liechtenstein hatte dort seine Sommerresidenz. Der Historiker Geršic:

„Im dritten Viertel des 16. Jahrhunderts entstand ein besonders hoher Bedarf an Arbeitskräften auf den Ländereien von Lednice. Dort wurde mit dem Ausbau groß angelegter Teichanlagen begonnen. Einige Dörfer, die sich einst in der Region befanden, existierten in jener Zeit nicht mehr. Nicht weit von Valtice waren es Königsbrunn, Alach, Gernscheins und Pottendorf. In Lednice begründeten die Kroaten ein Dorf unter liechtensteinischer Patronanz. Das Gelände mit dem Namen Bischofswarte grenzte an das Gebiet des Regensburger Besitztums und an die Markgrafschaft Mähren.“

Charvátská Nová Ves  (Foto: tomil2002,  Panoramio,  CC BY 3.0)
Die Lichtensteiner wussten die neuen Arbeitskräfte zu schätzen. Zum Großteil waren es erfahrene Landwirte und Winzer. Um ihnen den Start zu erleichtern, wurden sie in der Regel fünf Jahre von den üblichen Pflichtabgaben befreit. Dank der erhalten gebliebenen Liechtensteinischen Urbare, die sorgfältig über die einzelnen Gemeinden und Gehöfte geführt wurden, sind viele Details über die Ankunft der Kroaten bekannt. Sei es über die Zahl der Hausbewohner und ihrer Angehörigen, das Ausmaß der von ihnen bewirtschafteten Grundstücke, ihre Pflanzen-, Tier- oder Fischzucht und vieles mehr. Die Siedlungen, in denen kroatische Kolonisten ihre Wurzeln schlugen, wurden in den Quellen nicht selten unter unterschiedlichen oder etwas abgeänderten Namen eingetragen. Zum Beispiel die Dörfer Unnder Krabattn und Obern Krabaten, die späteren Poštorná und Charvátská Nová Ves. Heute sind es zwei Vorstädte von Břeclav.