Die Tschechen altern zu schnell

Foto: Europäische Kommission

Dass die tschechische Gesellschaft zunehmend älter wird, ist kein Geheimnis, und allgemein gesehen, unterscheidet sie sich darin wohl kaum von anderen, namentlich den westeuropäischen Gesellschaften. Nun zeigt sich aber, dass das Alterungstempo der Tschechen extrem hoch ist. Mehr dazu im nachfolgenden Beitrag von Jitka Mladkova:

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In der Tat! Wenn es so weiter geht, dürfte das Durchschnittsalter der Tschechen in 50 Jahren über 54 Jahre betragen. Mit dieser Prognose wird der Rahmen aller bisher weltweit gemachten Erfahrungen in diesem Bereich gesprengt, warnt das Tschechische Statistikamt in seiner Studie, betitelt "Entwicklung der Alterstruktur der Bevölkerung und ihr Trend". Untermauert wird diese Prognose mit verschiedenen Fakten: Von Jahr zu Jahr sinkt hierzulande die Zahl der Eheschließungen und parallel dazu auch die der geborenen Kinder. Nach Auswertung der Volkszählung von 2001 wurde zum ersten Mal ein unterhalb der 20Prozent-Grenze liegender Anteil der Kinder an der gesamten Bevölkerungszahl festgestellt.

Darin äußert sich wiederum der seit bereits mehreren Jahren anhaltende Geburtenrückgang. Jährlich kommen in Tschechien rund 90 Tausend Kinder zur Welt, da aber gleichzeitig mehr als 100 Tausend Menschen sterben, sinkt auch seit den vergangenen acht Jahren die gesamte Bevölkerungszahl. Diese wird an der relativ stabilen Grenze von 10 Millionen Einwohnern nur durch einen, wenn auch limitierten Ausländerzustrom gehalten.

Die negative Entwicklung des Bevölkerungsalters zieht natürlich zahlreiche Probleme nach sich, deren Auswirkungen sich am gravierendsten beim Renten- und Sozialsystem zeigen. Die erwähnte Studie des tschechischen Statistikamtes stellt in diesem Zusammenhang durchaus neue Trends in Aussicht wie z.B. einschneidende Änderungen der Einkaufsgepflogenheiten der Bevölkerung, der Freizeitgestaltung, des Angebots in der Tourismusbranche und nicht zuletzt Schritt für Schritt damit z.B. auch die Änderung der Werbung, in der die schlanken Jungschönheiten von heute durch die Präsentation warmer Pullover und orthopädischer Utensilien von morgen ersetzt werden dürften.

Auch die tschechische Regierung ist sich mittlerweile der unerfreulichen Entwicklung bewusst. Spitzenvertreter der Koalitionsparteien präsentierten im Dezember auf einem Treffen mit Wirtschaftsexperten und Journalisten einen neuen Entwurf zur Rentenreform, der - wie zu erwarten war - auf keine eindeutig positive Resonanz gestoßen ist, sowohl in den Fachbranchen als auch bei der Opposition. Dasselbe Dokument lag wieder am Mittwoch dieser Woche auf der Tagesordnung der Regierungssitzung, seine Behandlung wurde jedoch vertagt, angeblich nur um 14 Tage. Diese Tatsache begründete Arbeitsminister Skromach mit dem Hinweis, das Kabinett wolle noch die Harmonisierung einiger Parameter des Reformentwurfs vollenden, um ihn auch außerhalb der Regierungskoalition akzeptabel zu machen. Das in typisch wenig verständlicher Amtssprache formulierte Vorhaben hat ein klares Ziel: Im Abgeordnetenhaus will sich die Koalition bei der vorgesehenen Abstimmung über die für die Zukunft des Landes ausschlaggebenden Reform nicht nur auf ihre hauchdünne Mehrheit um eine einzige Stimme verlassen bzw. stützen. Gefragt ist offensichtlich auch die Unterstützung der beiden Oppositionsparteien, und da wird man sich auf mehrere wichtige Grundprinzipien einigen müssen, darunter aber wohl an erster Stelle auf das Maß der gesellschaftlichen Solidarität mit den Senioren. Diese Solidarität aber, wie die jüngste Studie bezeugt, fängt an zu schrumpfen.