Die Tschechen auf Reisen
Von Jahr zu Jahr entscheiden sich immer mehr Bürger Tschechiens ihren Urlaub im Ausland zu verbringen. Über ihre Reiseziele und die Angebote der führenden heimischen Reiseunternehmen erfahren Sie mehr im folgenden Schauplatz von Dagmar Keberlova und Robert Schuster.
Für Viele ist die Urlaubszeit überhaupt die schönste Zeit des Jahres. Sie bietet Gelegenheit dem Alltag den Rücken zu kehren, auszuspannen, auf andere Gedanken zu kommen und vor allem zu reisen. Auch die Tschechen kommen immer stärker auf den Geschmack des Verreisens. Zwar werden sie es wohl in naher Zukunft nicht schaffen den Deutschen den symbolischen Titel "Reiseweltmeister" strittig zu machen, aber noch nie war die Reiselust der Tschechen so groß.
Wie sind denn nun die Reisegewohnheiten in Tschechien und wie haben sie sich in den letzten Jahren verändert? Das fragten wir den Pressesprecher des zweitgrößten heimischen Reiseveranstalters Cedok, Petr Ulrych:
"Wenn wir das mit der Zeit vor 1989 vergleichen würden, so kann man schon in den vergangenen 12 Jahren von ziemlich großen Veränderungen sprechen. Vor 1989 durften nur die wenigsten Bürger ins Ausland reisen. Dann fand fast über Nacht auch eine Revolution auf dem Reisemarkt statt. Das hatte die Gründung von zahlreichen kleinen Reisegesellschaften zur Folge, welche die Kunden mit vielen neuen Angeboten lockten. In einer ersten Phase wurde natürlich die unmittelbare Nachbarschaft der damaligen Tschechoslowakei bereist. Häufig in klapprigen Bussen, in denen oft auch übernachtet wurde, um Geld zu sparen. Wenn die Tschechen heute verreisen, dann schon oft zu entfernteren Zielen und dann fast ausschließlich mit dem Flugzeug. Auch bei der Auswahl der Unterkunft sind die Ansprüche gestiegen und der allgemeine Mindeststandard liegt heute irgendwo bei einem Drei-Sterne-Hotel."
Zu den beliebtesten Reisezielen der Tschechen gehört laut Petr Ulrych nach wie vor Kroatien. Das hat mehrere Gründe. Zum einen liegt natürlich die kroatische Adriaküste von der Heimat relativ wenig entfernt und ist für viele ziemlich bequem mit dem Auto erreichbar. Zum anderen sind aber die dortigen Preise für Unterkünfte auf Camping-Plätzen oder in Pensionen auch für durchschnittlich verdienende Tschechen erschwinglich. Aber auch die sprachliche Barriere wird jedoch von vielen tschechischen Urlaubern in Kroatien geringer empfunden, als z.B. in Spanien oder Griechenland.
Dennoch erwarten immer mehr tschechische Urlauber von ihren Reisen auch etwas Ungewöhnliches und scheuen dabei keine Kosten und Mühen. Besonders hoch im Kurs sind bei diesen Kunden laut Petr Ulrych Reisen nach Ägypten - in ein Land also, das für viele Tschechen immer noch etwas Exotisches an sich hat. Aber auch Kreuzfahrten in der Karibik sind keine Seltenheit mehr. Obwohl im Grossen und Ganzen immer noch eine nicht unbeträchtliche Zahl der Tschechen ihren Urlaub in der Heimat verbringt, überwiegt laut Cedok-Sprecher Ulrych das Interesse für Auslandsreisen im Verhältnis von drei zu eins.
Seit einigen Jahren bahnt sich jedoch z.B. in Deutschland oder in anderen westlichen Ländern in Sachen Urlaub eine neue Entwicklung an. Immer mehr Menschen kehren nämlich dem Massentourismus den Rücken. Sie wollen nicht mehr nur zusammen mit anderen Landsleuten an überfüllten Stränden liegen und sind auch gerne bereit dafür tiefer in die Tasche zu greifen. Kann man von einer solchen Entwicklung auch in Tschechien sprechen?, fragten wir Cedok-Sprecher Petr Ulrych:
"In gewisser Weise schon. Man kann zwar noch nicht von einem ausgeprägten Trend sprechen, aber in den letzten Jahren wird diese Tendenz immer stärker. Besonders oft ist sie bei Kunden anzutreffen, die sich ihr Urlaubsmenu quasi maßgeschneidert selber zusammenstellen, etwa übers Internet und andere moderne Kommunikationsmittel. Es gibt aber auch Bestrebungen, zumindest bei den größeren Reiseveranstaltern, spezielle Angebote für Urlauber parat zu haben, die eben fernab vom Massentourismus ihre freien Tage genießen wollen."
Für die tschechischen Urlauber von heute ist aber auch ein weiteres Merkmal charakteristisch. Sie suchen sich nicht nur ihr Urlaubsziel, sondern vor allem den Reiseveranstalter sehr sorgfältig aus. Grund dafür sind die negativen Erfahrungen mit einigen kleineren Reisebüros, welche vor allem Mitte der 90.Jahre während der touristischen Hauptsaison in Konkurs gingen und ihren Verpflichtungen gegenüber den Kunden nicht mehr gerecht werden konnten. Viele Urlauber sind zwar an ihre Reisezeile gelangt, für die Rückfahrt, obwohl natürlich vorher gebucht, mussten sie dann oft noch einmal in die Tasche greifen. Seit Beginn diesen Jahres sollten jedoch solche Fälle endgültig der Vergangenheit angehören. Mit dem Inkrafttreten des neuen Fremdenverkehrsgesetzes müssen sich alle tschechischen Reiseveranstalter gegen eine mögliche Pleite versichern. So soll ausgeschlossen werden, dass die Kunden wieder das Nachsehen haben. Dennoch wollen Beobachter des heimischen Reisemarktes nicht gänzlich ausschließen, dass in naher Zukunft noch das eine oder andere Reisebüro in Konkurs gehen wird, wie auch Herr Ulrych bestätigt:
"Es wird vielleicht noch der eine oder andere tschechische Reiseveranstalter Pleite gehen, aber es wird sich bestimmt nicht diese lawinenartige Entwicklung vom Sommer 1997 wiederholen, als fast jede Woche ein Reisebüro in Konkurs ging. Der Markt ist seit jener Zeit übersichtlicher geworden und zwar nicht nur auf Grund dieser eher negativen Entwicklungen. Man muss auch sehen, dass viele vor allem kleinere Reisebüros, deren Tätigkeit sich auf bestimmte Regionen des Landes beschränkte und die nicht das ganze Jahr über aktiv waren, nicht zuletzt auch wegen des enormen Konkurrenzdrucks ihre Pforten schließen mussten."
Das frühere staatliche Reisebüro Cedok ist der zweitgrößte Reiseveranstalter in Tschechien. Eindeutiger Spitzenreiter und Marktführer ist das Reiseunternehmen Fischer. Obwohl der tschechische Markt für sich relativ klein ist und die großen Reiseanbieter bald an seine Grenzen stoßen werden, hat bislang noch keine Fusionswelle eingesetzt, so wie sie in anderen Ländern Europas oder in den USA bereits der Fall ist. Es gibt höchstens vereinzelte Kooperationen - z.B. zwischen mehreren Unternehmen aus der Reisebranche und Charter-Gesellschaften. So ist etwa Cedok vor kurzer Zeit eine Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft Travel Service eingegangen. Auch das Reisebüro Fischer verfügt bereits über ähnliche Verbindungen mit Unternehmen, die nicht ausschließlich aus der Reisebranche kommen. Erwähnt sei hier die sehr ausgeprägte Zusammenarbeit mit dem Versicherungskonzern Allianz. Im Gegensatz zur Entwicklung in anderen früheren sozialistischen Ländern ist es aber den großen Reisekonzernen aus Westeuropa bislang nicht gelungen auf dem tschechischen Markt Fuß zu fassen. Abschließend kommt noch einmal Petr Ulrych vom Reisebüro Cedok zu Wort, der für diese Entwicklung folgende Gründe sieht:
"Dafür gibt es mehrere Gründe. Vor ein paar Jahren gab es schon Versuche von einigen dieser Firmen auch Kunden in der damaligen Tschechoslowakei zu erreichen und eventuell auch eine stabile Stammklientel aufzubauen. Diese großen Unternehmen sind jedoch damit vorerst gescheitert, vor allem deshalb, weil sie kein eigenständiges, auf die Tschechen geschneidertes Konzept vorlegen konnten. Daneben gab es noch zahlreiche andere Schwierigkeiten technischer Art. So waren z.B. die wenigen Reisenden aus Tschechien gezwungen von ausländischen Charterflughäfen aus in ihren Urlaub zu fliegen. Der Trend geht jedoch in die genau entgegengesetzte Richtung - nämlich die Flüge im wahrsten Sinn des Wortes so nahe wie möglich an die Reisenden zu bringen.