Die tschechoslowakische Justiz 1948-1953

Am 25. Februar 1948 verkündete der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Klement Gottwald feierlich die Machtübernahme seiner Partei. Diese erfolgte auf allen Ebenen des Staates. Auch im Justizwesen war nun die führende Rolle der Kommunistischen Partei zu respektieren. Die Behörde zur Erforschung und Dokumentation kommunistischer Verbrechen hat dieser Tage einen Band vorgelegt, in dem anhand von Originalmaterial die totale Machtübernahme der Kommunisten im Justizwesen und deren Missbrauch in den Jahren 1948 bis 1953 dokumentiert werden. Während jener ersten fünf Jahre der kommunistischen Regierung kam es zu hunderten von politischen Prozessen. 27.000 Menschen wurden verurteilt, allein zwischen 1950 und 1952 wurden 189 Todesurteile gefällt und ausgeführt.

Band über die tschechoslowakische Justiz 1948 bis 1953
Adolf Razek ist einer der Mitarbeiter der Behörde zur Erforschung und Dokumentation kommunistischer Verbrechen und Mitautor des nun vorliegenden Bandes über die tschechoslowakische Justiz 1948 bis 1953. Ich fragte ihn, nach den Beweggründen für die jetzige Veröffentlichung:

"Uns führte die Erfahrung, dass die heutigen Nachfolger der Kommunisten sich stets bemühen zu erklären, dass das, was in den 50er Jahren alles an Unrecht passiert ist, lediglich ein paar Übergriffe waren, dazu, jene Dokumente über die Arbeit der Justiz herauszugeben. Dadurch, dass wir die Originaldokumente veröffentlichen, die zeigen, wie die Justiz mit der Zeit ganz eindeutig ausführendes Organ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei wurde, können wir ihre Lügen auf Grundlage ihrer eigenen Materialien widerlegen."

Als die Kommunisten im Februar 1948 die Macht endgültig übernahmen, hatten sie auf vielen Ebenen bereits gute Vorarbeit geleistet. Sowohl in den Reihen der Polizei als auch der Armee existierten ihre fünften Kolonnen, auch in der Verwaltung und einigen Ministerien und Behörden hatten die Kommunisten ihre treuen Anhänger untergebracht. Etwas anders sah es im Justizwesen aus. In einem Bericht der kommunistischen Partei vom Frühjahr 1948 wurde festgestellt, dass lediglich 6% der Richter der Arbeiterklasse entstammten und die anderen aufgrund ihrer bourgeoisen Abstammung als unzuverlässig einzuschätzen seien - es fehlten also Richter und Anwälte. Doch diesen Mangel behob das neue Regime schnell. In eigens eingerichteten Arbeiterschulen wurden binnen Monaten neue Richter und Anwälte ausgebildet, die der Arbeiterklasse entstammten und bald - zum Entsetzen der alten Richter und der Angeklagten - das Sagen in den Gerichtssälen hatten. Doch damit nicht genug. In einer Direktive des Justizministeriums vom April 1949 heißt es über die Aufgaben der Justiz u.a.:

"Der Februar 1948 hat die neue Führung des Justizwesen vor eine klare politische Aufgabe gestellt: den Justizapparat in eine scharfe Waffe gegen alle Schädlinge der Volksrepublik zu verwandeln und ihn in den Dienst des arbeitenden Volkes beim Aufbau des Sozialismus zu stellen."

Die nun vorliegenden Dokumente zeigen, wie diese Umwandlung der Justiz erfolgte, dazu Adolf Razek:

"Die Dokumente beinhalten verschiedene Anweisungen und Instruktionen, wie sie das Justizministerium oder z.B. die Generalstaatsanwaltschaft herausgegeben haben. Da sind Direktiven, wie Rechtssprüche oder die Organisation von Prozessen in einigen Fällen aussehen sollen. Wir erfahren z.B., dass bei Prozessen die Hauptperson der Staatsanwalt und nicht der Richter sein sollte - das alles zeigt, auf welche Art und Weise die Justiz nach 1948 sehr schnell zu einem Handlanger der Kommunistischen Partei degradiert wurde."

Zu den Anweisungen gehört zum Beispiel eine vom Juni 1949, der zufolge der soziale Hintergrund des Angeklagten festzustellen war. Die Rechtsprechung erfolgte also auf Grundlage der Klassenzugehörigkeit des Angeklagten. Im März 1950 wiederum forderte eine Anweisung eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft und der Staatssicherheit.

Einer der ersten Schritte der neuen Machthaber war im Oktober 1948 die Einrichtung der sog. Staatsanwaltschaft und des Staatsgerichtes. Der Staatsanwalt unterstand dabei direkt dem Justizminister und hatte dessen Direktiven zu befolgen bzw. weiterzuleiten. Zur gleichen Zeit wurde die Institution des Untersuchungsrichters abgeschafft, was eine klare Verletzung der damals gültigen Grundrechte darstellte. In ihrem Rechenschaftsbericht für das Jahr 1950 definierte die Staatsanwaltschaft ihre Rolle wie folgt:

"Während des Jahres 1950 zeigte sich die Staatsanwaltschaft als scharfes Instrument des Klassenkampfes in den Händen der Arbeiterklasse. Mit ihrer Arbeit trug sie zur Entlarvung und Unschädlichmachung antistaatlicher Elemente bei, die den Sturz der volksdemokratischen Ordnung anstrebten."

Sprich - in jenem Jahr wurden 4.780 Personen in politisch konstruierten Prozessen zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt und weitere 58 Angeklagte hingerichtet, darunter auch - als einzige Frau - Milada Horakova.

Auch Adolf Razek wurde 1950 wegen seiner religiösen Tätigkeit und Publikationen verurteilt:

"Ich selbst wurde erstmals 1950 verurteilt - da konnte ich in meinem eigenen Fall die Missstände in der Justiz beobachten. Dass heißt, für uns gab es bei der jetzigen Arbeit in den Archiven eigentlich keine Überraschungen, aber für andere Leute schon. Vor allem für die junge Generation sind dies neue Sachen. Wir machen diese Arbeit auch deshalb, damit die Jungen heute nicht mehr auf die Versprechungen der Kommunisten hereinfallen."

In dem nun vorliegenden Dokumentenband wurden auch Berichte von offiziellen Kommissionen aufgenommen, die bereits während des Prager Frühlings 1968 die Missstände im Justizwesen der frühen 50er Jahre aufdeckten. Die so genannte "Kabinettjustiz" der Jahre 1948 bis 1953, der Hunderte von Unschuldigen zum Opfer gefallen waren, wurde damals verurteilt, die zu Unrecht Verurteilten rehabilitiert. In einer 1969 vorgelegten Dokumentation über die Gesetzeswidrigkeiten der tschechoslowakischen Staatsanwaltschaft hieß es unter anderem:

"Die mehrjährige Verletzung grundlegender Menschenrechte und Bürgerfreiheiten von Seiten staatlicher Organe, deren Aufgabe eben deren Schutz und Einhaltung sein sollte, sowie die lange Jahre andauernde Skepsis und Abneigung, diese Deformationen einzugestehen und das geschehene Unrecht zu beseitigen, führte zu einem Misstrauen der Bürger in die Aufrichtigkeit der Bemühungen der Justizorgane, sich um die rechtliche Sicherheit in diesem Staate zu kümmern."

Wohl gemerkt, diese Kritik entstammt der Feder einer 1969 vom tschechoslowakischen Generalstaatsanwalt eingerichteten Kommission zur Untersuchung der Gesetzeswidrigkeiten von Seiten der Staatsanwaltschaft in den Jahren 1948-53.