Die unbekannten Opfer des 17. November 1939

Beerdigung von Jan Opletal (Foto: Wikimedia Commons, Public Domain)

Am 17. November wird in Tschechien nicht nur der Samtenen Revolution von 1989 gedacht. Ebenso wird an die Verhaftung und Ermordung tschechischer Studenten durch die Nazis im Jahr 1939 erinnert. Ein Historiker aus Prag ist allerdings darauf gestoßen, dass an diesem Tag vor 79 Jahren noch mehr Menschen umgebracht wurden, als bisher bekannt war.

Beerdigung von Jan Opletal  (Foto: Wikimedia Commons,  Public Domain)
Im Herbst 1939 gehen tschechische Studierende auf die Straße. Sie protestieren gegen die Besetzung durch Hitler, gegen die deutsche Verwaltung im sogenannten „Protektorat Böhmen und Mähren“. Die Nazis versuchen, die Unruhen zu unterdrücken, dabei wird der Student Jan Opletal angeschossen. Zwei Wochen später erliegt er seinen Verletzungen. Am Trauerzug zum Begräbnis in Prag nehmen viele Tausend Menschen teil. Erneut kommt es zu Kundgebungen gegen die Besatzer.

Für die Deutschen ist das der Anlass, um mit brutaler Härte vorzugehen. Über 1200 Studenten werden verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Neun Hauptorganisatoren werden am 17. November erschossen. Doch dies sind nicht die einzigen Opfer des Tages, wie der Historiker Vojtěch Kyncl herausgefunden hat. In einer Straßenbahn in Prag kommt es am Abend zu einem Handgemenge. Darin verwickelt sind zwei mitfahrende Tschechen und ein Angehöriger der Presseabteilung der nationalsozialistischen Verwaltung.

Vojtěch Kyncl  (Foto: Jan Ptáček,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Gegen die beiden Tschechen wurde ein hartes Vorgehen gefordert. Sie hatten sich aber eigentlich nur gegen das grobe Benehmen des SS- Mannes verwahrt. Ein Schutzmann, der eingriff, wollte die Sache auf sich beruhen lassen. Doch der Pressechef der Protektoratsbehörde, Wolfgang Wolfram von Wolmar, ließ die beiden Mitfahrenden und den Schutzmann verhaften. Sie wurden mit seinem Privatauto in die SS-Kaserne in Prag-Ruzyně gebracht. Dort wurden diese drei Unschuldigen um drei Uhr morgens hingerichtet“, so Kyncl.

Wie der Historiker von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften weiter ausführt, hatte das Ereignis nichts direkt mit den Studentenprotesten zu tun:

„Es kam dazu aber am Abend des 17. November, als die Lage sehr angespannt war. Zuvor hatte es Massenverhaftungen in den Studentenwohnheimen gegeben. Das nutzten die Nazis aus, um die Bevölkerung weiter einzuschüchtern.“

Wolfgang Wolfram von Wolmar  (ganz links). Foto: Wikimedia Commons,  Public Domain
Wolfgang Wolfram von Wolmar stammte aus Wien. Ihm unterstand die Pressezensur im „Protektorat Böhmen und Mähren“. Später war er mitverantwortlich dafür, dass die Juden aus Böhmen und Mähren ins Ghetto Terezín / Theresienstadt gesperrt wurden.

1971 wurde Wolfram von Wolmar wegen der Mittäterschaft im Fall der drei ermordeten Tschechen aus Prag angeklagt. Doch ein Gericht in Düsseldorf, wo er damals lebte, sprach ihn frei. Aus Mangel an Beweisen. Später versuchte es die kommunistische Tschechoslowakei noch einmal.

„Ich habe die Ermittlungen in der Tschechoslowakei, die etwa 1975 abgeschlossen wurden, mit jenen der westdeutschen Polizei verglichen. Es dürfte kein Geheimnis sein, dass die meisten ehemaligen Nazis in Westdeutschland ihre Beteiligung an Verbrechen geleugnet haben. In dem Fall aus Prag waren aber die Beweise eindeutig, die die tschechoslowakischen Behörden finden konnten. Deswegen stellten sie einen Antrag, um ein Verfahren gegen Wolfgang Wolfram von Wolmar einzuleiten“, sagt Historiker Kyncl.

Prag bat um die Auslieferung des Nazi-Verbrechers – doch ohne Erfolg. Letztlich ist Wolfgang Wolfram von Wolmar niemals wegen seiner Verbrechen während der Nazizeit verurteilt worden. Er starb 1987 in Düsseldorf.

Autor: Till Janzer
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