Jahrestag: Vor 85 Jahren verwandelte sich Opletals Begräbnis in Protest gegen NS-Besatzung

Demonstration am 28. Oktober 1939 in Prag

Vor 85 Jahren, am 15. November 1939, verwandelte sich das Begräbnis des Prager Medizinstudenten Jan Opletal in eine große Demonstration gegen die NS-Besatzung Böhmens und Mährens.

Begräbnis von Jan Opletal | Foto: Archiv der Karlsuniversität in Prag

Am 28. Oktober 1939 wurde bei einigen Kundgebungen in Prag an den 21. Gründungstag der Tschechoslowakischen Republik erinnert und gegen die Nationalsozialisten protestiert. Bei den Zusammenstößen mit der Polizei wurde der Medizinstudent Jan Opletal angeschossen und schwer verletzt. Am 11. November erlag er seiner Verletzung. Am 15. November fand sein Begräbnis statt. Opletal wurde aufgebahrt und durch Prag zum Bahnhof gefahren. Zahlreiche Studenten begleiteten damals den Sarg. Josef Andrýs studierte in den 1930er Jahren genauso wie Opletal Medizin. Vor elf Jahren erinnerte er sich im Gespräch für das Zeitzeugenprojekt Paměť národa (Memory of Nation) an den 15. November 1939:

Das Grab von Jan Opletal in Náklo | Foto: Barbora Weinekötter,  Tschechischer Rundfunk

„Einige Tausend Studenten trafen dort damals zusammen. Viele Menschen haben uns zugewinkt, Straßenbahnen sind stehen geblieben. Es schien, dass plötzlich Freiheit herrsche. Das war jedoch ein Irrtum.“

Die Nationalsozialisten reagierten mit großer Härte auf das Begräbnis von Jan Opletal. Prokop Tomek ist Historiker. Er arbeitet im Prager Institut für  Militärgeschichte.

Prokop Tomek | Foto: Karolína Němcová,  Tschechischer Rundfunk

„Das Begräbnis wurde zu einer weiteren Demonstration gegen die Besatzer. Dadurch sahen sich die NS-Behörden vermutlich in ihrer Vermutung bestätigt, dass das Widerstandspotenzial unter den Studierenden groß ist und dass Opletal zum Symbol und zum Märtyrer geworden ist. Die Behörden beschlossen, das Problem radikal zu lösen und die Hochschulen zu schließen.“

Die Vergeltung kam sehr schnell. In der Nacht vom 16. zum 17. November gab es Razzien in den Studentenwohnheimen nicht nur in Prag, sondern auch in Brno / Brünn und in Příbram. Der damalige Medizinstudent Vladimír Raška schilderte die Ereignisse 1979 in einer Sendung des Tschechoslowakischen Rundfunks:

Deutsche Truppen auf dem Wenzelsplatz | Foto: Tschechisches Fernsehen

„Am 17. November bin ich etwa um halb fünf morgens wach geworden. Aus dem Flur hörte ich viel Lärm, Schläge und Schüsse. Da war mir klar, dass es Deutsche sind. Bevor sie kamen, habe ich mich schnell angezogen. Aus dem Fenster schaute ich in den Hof hinunter. Ich sah dort nur Maschinengewehre. Einige von uns versuchten, am Blitzableiter hinunterzuklettern, doch es wurde auf sie geschossen.“

Neun führende Vertreter der Studentenverbände wurden noch am selben Tag hingerichtet. 1200 Studierende wurden ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Mindestens 35 von ihnen haben nicht überlebt. Ursprünglich sollten die Hochschulen für drei Jahre geschlossen werden. Sie wurden jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder geöffnet.

Autoren: Martina Schneibergová , Kristýna Vašíčková
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