Die unvollendete Vertrauensfrage

Andrej Babiš (Foto: Filip Jandourek, Archiv des Tschechischen Rundfunks)
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Nach teils turbulenter Debatte wurde die Abstimmung über die Regierung von Premier Andrej Babiš auf Dienstag verschoben.

Storchennest | Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Neun Stunden bereits lief die Sitzung zur Vertrauensfrage, da wurde sie auf Antrag der Bürgerdemokraten unterbrochen. Grund ist der Betrugsfall „Storchennest“, bei dem es um die mögliche Veruntreuung von EU-Fördergeldern durch Babišs Ex-Konzern Agrofert geht. Bevor die Vertrauensfrage auch tatsächlich gestellt wird, soll der Mandats- und Immunitätsausschuss zu einer außerordentlichen Sitzung zusammentreffen. Dieser soll entscheiden, ob die Polizei freie Hand bekommt bei den Ermittlungen gegen Andrej Babiš und Ano-Vize Jaroslav Faltýnek wegen ihrer eventuellen Verstrickung in die „Storchennest“-Affäre. Die Abstimmung über das Vertrauen für die Regierung ist für kommenden Dienstag angesetzt.

Diese Entwicklung nach einer turbulenten Debatte ist von den Parteien unterschiedlich aufgenommen worden. Aus Sicht der Kommunisten hätte es zum Aufschub gar nicht kommen müssen. Dazu Parteichef Vojtěch Filip:

Vojtěch Filip und Andrej Babiš  (Foto: ČTK)
„Für mich ist das ganz schlicht eine Verzögerungstaktik. Man hätte die Sitzung auch einfach verlängern können, es hatten sich ja sowieso noch viele Abgeordnete mit Redebeiträgen angemeldet. Ich weiß wirklich nicht, warum gerade die Bürgerdemokraten die Verschiebung der Sitzung ins Spiel gebracht und warum die anderen Parteien zugestimmt haben.“

Obwohl die Bürgerdemokraten (ODS) die neue Ausgangslage mit ihrem Antrag eigentlich verursacht haben, sehen sie die Schuld bei der Partei Ano.

„Die Partei Ano und Andrej Babiš waren nicht einmal fähig, uns am Ende die Abstimmung zu ermöglichen. Wenn der Mandats- und Immunitätsausschuss plötzlich während der Sitzung tagen muss, bei der das Vertrauen für die Regierung beraten wird, dann kann man einfach nicht abstimmen“, so ODS-Fraktionschef Zbyněk Stanjura.

Bei den Sozialdemokraten ist man fassungslos über die Unfähigkeit aller Beteiligten. Auf den Punkt brachte das Jan Chvojka, der in der vorigen Regierung Menschenrechtsminister war:

Jan Chvojka  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Das hier ist meine dritte Legislaturperiode im Parlament. Und bisher ist es noch nie passiert, dass Regierung und Abgeordnete eine Vertrauensabstimmung nicht durchgezogen haben. Es hat sich ganz deutlich gezeigt, dass das Abgeordnetenhaus in dieser Zusammensetzung einfach nicht funktioniert.“

Dabei hätte die Minderheitsregierung des Ano-Parteichefs das Vertrauen der Abgeordneten ohnehin nicht bekommen. Im Vorfeld hatten alle anderen Parlamentsfraktionen erklärt, nicht für das Kabinett Babiš zu stimmen. Die Partei Ano verfügt nur über 78 der 200 Sitze im Unterhaus des Parlaments.

Am lautesten waren dabei die konservativen Parteien des „Demokratischen Blocks“, also die Bürger- und Christdemokraten, die Top 09 sowie die Bürgermeister-Partei Stan. Im Vorfeld der Abstimmung sagte Christdemokraten-Chef Pavel Bělobrádek:

Petr Fiala  (Foto: ČTK)
„Ich wüsste nicht, dass irgendjemand aus unseren Reihen die Regierung Babiš unterstützen will. Wir Christdemokraten werden der Minderheitsregierung nicht das Vertrauen geben, wir wollen ganz klar eine stabile Mehrheit.“

Auch die Bürgerdemokraten bekräftigten ihren Standpunkt, dass Andrej Babiš nie ernsthaft Koalitionsgespräche führen wollte. Dazu Parteichef Petr Fiala, nachdem Staatspräsident Miloš Zeman mit seiner Rede die Minderheitsregierung im Plenarsaal unterstützt hatte:

„Bei der ganzen Debatte wird die Absicht von Präsident Zeman und Andrej Babiš deutlich, eine Minderheitsregierung durchdrücken zu wollen. Die Regierung eines politischen Subjekts also, das zwar überzeugend bei den Parlamentswahlen gewonnen hat, aber nicht die nötige Mehrheit erlangen konnte, die für eine Ein-Parteien-Regierung nötig gewesen wäre.“

Foto: JAn Dudík  (nick),  CC BY-SA 3.0
Für eine kleine Überraschung sorgten die SPD, die offen rechtsradikale und migrationsfeindliche Positionen vertritt, und die Kommunisten – beide Parteien verweigerten Andrej Babiš das Vertrauen, auch wenn sie noch vorher ein Ja signalisiert hatten.

Die SPD beispielsweise fand sich im vom Ano-Parteichef vorgelegten Regierungsprogramm kaum wieder. Bei den Kommunisten war die Ablehnung sogar noch verwunderlicher, war doch Babiš in seinem Programm stark auf die linke Seite des politischen Spektrums zugegangen. Beispielsweise zeigte sich der Milliardär bereit, kostenlose Bahnfahrten für Senioren und Studenten zu ermöglichen und über den sozialen Wohnungsbau zu verhandeln. Sogar die Besteuerung der Kirchenrestitutionen fasst die Partei Ano ins Auge, ein Kernanliegen der Kommunisten. Das sei zu wenig, fanden diese aber. Weder die von ihnen geforderten ganzstaatlichen Referenden seien im Programm für die Legislaturperiode zu finden, noch ein kontinuierlicher Anstieg des Mindestlohns. Außerdem kritisierte Kommunisten-Chef Filip:

Milan Chovanec  (Foto: Martijn Beekman,  CC BY 2.0)
„Unserer Meinung nach stellen die Aussagen einiger Minister nicht sicher, dass die im Regierungsprogramm festgelegten Punkte auch wirklich umgesetzt werden. Aus diesem Grund haben unsere zuständigen Parteigremien entschieden, der Regierung nicht das Vertrauen auszusprechen.“

Ähnlich sehen es die Sozialdemokraten. Interims-Parteichef Milan Chovanec will die Tür zu neuen Gesprächen jedoch offenlassen.

„Wie es aussieht, sollen bestimmte Züge für Senioren und Studenten doch nicht kostenlos werden. Wie soll es denn dann überhaupt werden? Mir scheint, als ob gerade dieser Vorschlag in letzter Minute nur deswegen gekommen ist, damit die Zeitungen voll davon sind. Sollte die Partei Ano aber doch noch ernsthafte Gespräche führen wollen, die zur Stabilität der Republik beitragen, wollen wir als Sozialdemokraten uns dem nicht sperren“, so Chovanec.

Nun steht aber die Frage im Raum, wie es weitergehen soll. Wobei niemand bisher die Möglichkeit auf der Rechnung zu haben scheint, dass Premier Babiš vielleicht seine Abgeordnetenimmunität verlieren könnte. Alle Vorstellungen von der weiteren Entwicklung gehen wohl vom Gegenteil aus. Das würde heißen, dass das Ano-Minderheitskabinett nicht das Vertrauen erhält und die Regierung darauf ihren Rücktritt einreicht.

Miloš Zeman  (Mitte). Foto: ČTK
Andrej Babiš würde dann eine zweite Chance zur Regierungsbildung erhalten. Dafür hat sich Staatspräsident Miloš Zeman am Mittwoch erneut ausgesprochen, auch wenn er den nächsten Versuch klar an Bedingungen knüpfen will. So sollen Verhandlungen mit allen Parteien folgen, um irgendwie doch noch eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu erzielen. Immerhin haben sich beispielsweise die Bürgerdemokraten und die Sozialdemokraten gesprächsbereit gezeigt, aber auch die Kommunisten.