Die Zahl HIV-Infizierter nimmt zu
Was den Aids-Virus angeht, war Tschechien lange Zeit eine Art idyllische Insel. Trotz weit verbreiteter Prostitution und Schwulenstrich waren die nachgewiesen Zahlen an Aidserkrankungen relativ gering. Nun zeigt eine Statistik allerdings, dass die Zahl der HIV-Infizierungen im vergangenen Jahr stark zugenommen hat. Und die Tendenz ist weiterhin steigend. Renate Zöller berichtet.
Im vergangenen Jahr wurden in Tschechien 90 Aidserkrankungen diagnostiziert, das sind 18 Fälle mehr als im Jahr 2004. Damit leben derzeit offiziell 827 HIV Infizierte in Tschechien, davon 650 Männer und 177 Frauen. Zeit, Alarm zu schlagen, findet Miroslav Hlavaty, Direktor des Prager "Dum Svetlo", dem "Leuchtturm", der den Aidskranken beisteht. Er warnt:
"Man sieht bereits jetzt, dass die Zahlen weiter gestiegen sind. Die Statistik vom Januar etwa zeigt, dass schon wieder bei 16 Personen Aids nachgewiesen werden konnte. Und Ende Februar wiederum waren weitere zehn Fälle belegt. Das heißt 26 Fälle in den ersten zwei Monaten des Jahres. Versuchen Sie einmal, das hochzurechnen, wenn man im Januar 31 und im Februar 28 Tage hat, das sind insgesamt 59 Tage, dann heißt das, jeden zweiten Tag wird in Tschechien festgestellt, dass ein Mensch HIV positiv ist."
Damit steht Tschechien gemessen an den Nachbarländern immer noch sehr gut da. Die Zahl der HIV-Neu-Infektionen in Deutschland stieg 2005 gegenüber 2004 sogar um 30 Prozent, wie das Robert Koch Institut bekannt gab. Rechnet man die tschechischen Zahlen auf Deutschland mit seiner rund achtmal größeren Bevölkerung hoch, so ließen sich etwa 7000 HIV-Patienten erwarten. Tatsächlich aber wurden 2005 in Deutschland 49.000 HIV-Positive registriert. In anderen westeuropäischen Ländern ist die Zunahme der Neuinfektionen teilweise noch dramatischer. Tschechische Mediziner befürchten, dass Tschechien sich in dieser Sandwichposition längerfristig nicht wird abgrenzen können.
Schützen kann nur Informiertheit. Miroslav Hlavaty sieht das Problem vor allem darin, dass die Immunschwächenkrankheit in der Bevölkerung langsam in Vergessenheit gerät und damit auch die Achtsamkeit nachlässt. In den 90er Jahren wurde noch massiv in die Aufklärung investiert, das Thema Aids war ständig in den Medien präsent und so ließ auch der Tod von Queen-Sänger Freddy Mercury bei Jugendlichen ein klares Bewusstsein für die Gefahr entstehen. Das allerdings ist dann im Laufe der Zeit wieder eingeschlafen. Hlavaty warnt, dass gerade die jungen Leute das Risiko von ungeschütztem Sex häufig unterschätzen.
"Wenn Sie zwanzigjährigen Mädels und Jungen erzählen, dass ein HIV-Positiver noch etwa zehn, 15, höchstens 20 Jahre zu leben hat, dann wird so ein junger Mensch natürlich sagen: Meine Gute, das ist doch ein ewig langer Zeitraum. Ich dagegen weiß, ich bin nur ein paar Mal schlafen gegangen und schon hatte ich graue Haare. Tatsächlich hapert es hier ein bisschen bei der Prävention, dabei ist das wirklich die einzige Chance für die jungen Leute: Kondome, Kondome, Kondome."