Diplomatin Ivana Červenková: Als Vizeministerin die einzige Frau unter sieben Männern

Petr Pavel, Ivana Červenková und Jiří Čistecký
  • Diplomatin Ivana Červenková: Als Vizeministerin die einzige Frau unter sieben Männern
0:00
/
14:23

Der Anteil der Frauen in führenden Positionen im tschechischen Auswärtigen Dienst liegt zwischen 15 und 20 Prozent. Eine davon besetzt Ivana Červenková, eine Diplomatin, deren Karriere eng mit den deutschsprachigen Ländern verbunden ist. In der tschechischen Botschaft in Bonn hat Červenková in den 1990er Jahren die Verhandlungen über die Deutsch-Tschechische Erklärung miterlebt. Sie war später als Staatssekretärin im Prager Außenministerium tätig. Und 2018 wurde sie als Botschafterin nach Wien gesandt. Heute vertritt Červenková ihr Land als Generalkonsulin in München. 

Heute versteht es sich als selbstverständlich, dass Frauen im diplomatischen Dienst auftreten. Bis zur Wende von 1989 hatte die Tschechoslowakei aber überhaupt keine Botschafterinnen. Frau Červenková, Sie sind seit Mitte der 1990er Jahre im diplomatischen Dienst tätig. Wie war Ihr Weg in die Diplomatie?

Ivana Červenková | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

„Sie haben Recht, es gab nicht so viele Frauen in der Diplomatie. Ich bin seit dem Jahr 1993 im Ministerium, aber das war nicht mein Traum. Ich habe Jura an der Karlsuniversität studiert und wollte Richterin werden. Aber nach der Wende hat man neue Leute für die Diplomaten gesucht, die vorher nicht im kommunistischen Regime tätig waren. Ich habe zufällig einen Mitarbeiter im Justizministerium getroffen, und er hat mich gebeten, eine Position im neuen tschechischen Außenministerium zu übernehmen. Ich habe in der Völkerrechtsabteilung als Referatsleiterin angefangen. Dort habe ich zwei Jahre gearbeitet, und dann gab es schon wieder einen Zufall: Der damalige Botschafter in Deutschland, Jiří Gruša, äußerte den Wunsch, mit ihm in der tschechischen Botschaft in Bonn zu arbeiten. Ich sollte mich in der politischen Abteilung mit den Vergangenheitsfragen beschäftigen. Damals war die Situation zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland ein bisschen angespannt, und die Problematik der Sudetendeutschen spielte eine große Rolle. Ich sagte zu und ging nach Bonn. Es war nicht einfach, weil ich zwei kleine Kinder hatte, die kein Wort Deutsch sprachen. Das war eine riesige Herausforderung. Aber ich muss sagen, es war auch eine große Erfahrung für mich in meiner Karriere, weil Gruša ein sehr berühmter und gefragter Botschafter mit viel Erfahrung in den deutsch-tschechischen Beziehungen war. Ich habe die spannenden Zeiten der Deutsch-tschechischen Erklärung miterlebt.“

Die spannenden Zeiten der Deutsch-tschechisch Erklärung

Das war wahrscheinlich der Grund, warum Sie in der Diplomatie geblieben sind. Oder haben Sie noch daran gedacht, in die Justiz zurückzukehren?

Andreas Künne und Ivana Červenková | Foto: Jan Růžička,  Tandem

„Nein. Ich war auch bei geheimen Gesprächen mit der deutschen Seite unter Außenminister Alexandr Vondra dabei. Und bei dem Besuch des tschechischen Präsidenten Václav Havel im Deutschen Bundestag, als diese Erklärung gebilligt wurde. Ich habe diese wunderschönen Zeiten in den deutsch-tschechischen Beziehungen miterlebt. Danach war mir klar, dass ich in der Diplomatie bleiben möchte, weil die Arbeit so spannend und so interessant ist. Und auch für meine Kinder war es schön. Am Anfang war es kompliziert, aber nach vier Jahren in Deutschland haben sie die Sprache gelernt, die andere Kultur kennengelernt und neue Leute getroffen. Es hat für die ganze Familie viel gebracht.“

Die Entscheidung für eine diplomatische Karriere ist eigentlich nicht nur die Entscheidung für einen Beruf, sondern für eine Lebensform. Denn Diplomaten werden ungefähr alle vier Jahre versetzt. Neben der Arbeit in der Zentrale in Prag werden sie ins Ausland auf verschiedene Posten geschickt. Und dies bringt große Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit sich. Inwieweit hat Ihr Familienleben Ihre Entscheidungen beeinflusst?

„Sehr. Negativ, aber auch positiv. Denn mein Mann ist in Bonn zu Hause geblieben. Er hat nicht gearbeitet, und das war nicht gut für die Familie. Wir blieben noch vier Jahre zusammen, aber auf die nächsten Posten ging ich allein mit den Kindern. Für sie war es jedoch hervorragend. Gleich nach der Rückkehr aus Deutschland fragten sie, wann wir wieder ins Ausland fahren würden. Bis heute leben sie von diesen Erfahrungen und sind offene, multikulturelle Menschen. Nach Bonn, wo ich zwei Jahre blieb, war es mein Wunsch, nach Frankreich zu kommen. Ich wurde damals für Paris vorbereitet, aber wegen der Kinder habe ich mich für die Schweiz entschieden, weil sie ja Deutsch sprachen. Dort mussten sie allerdings wieder eine neue Sprache lernen, diesmal Französisch. Aber ich muss sagen, sie haben es geschafft. Mein älterer Sohn spricht vier Sprachen, der jüngere zwei. Sie erinnern sich sehr positiv an unsere Vergangenheit im Ausland.“

Nomaden im Dienste des Staates

Kommen wir jetzt zur Stellung der Frauen im Außenministerium. Der Anteil der Frauen in führenden Positionen, also der Botschafterinnen und Generalkonsulinnen, liegt in Tschechien ungefähr zwischen 15 und 20 Prozent. Finden Sie, dass das genug ist?

Wir haben immer noch nicht viele Stellen für Frauen. Es ist in den letzten Jahren besser geworden, aber der Weg in eine führende Position ist nicht einfach.

„Ich finde es nicht genug. Wir haben immer noch nicht viele Stellen für Frauen. Es ist in den letzten Jahren besser geworden, aber der Weg in eine führende Position ist nicht einfach. Eine Bedingung ist auch hier, zunächst in der Zentrale in einer Führungsposition zu arbeiten. Ich konnte dank meiner Position als Leiterin des Völkerrechtsbüros schon damals eine Stelle als Botschafterin antreten, aber aus Familiengründen habe ich die Nummer zwei in Wien genommen. Danach war ich Chefin des Ministerkabinetts und Vizeministerin. Ich muss sagen, die schwierigsten Zeiten waren die als Vizeministerin, weil ich die einzige Frau unter sieben Männern plus Minister war. Es war nicht so einfach, mich durchzusetzen, ich musste manchmal sehr assertiv sein. Aber ich glaube, ich habe es geschafft. Bis heute erinnern wir uns alle sehr gerne an diese Zeiten. Und dann war ich die erste Botschafterin der Tschechischen Republik in Wien. Dort habe ich die Frauenfrage nicht so stark gespürt, denn es gab viele andere Botschafterinnen aus verschiedenen Staaten. Österreich hat eine sehr offene Frauenpolitik, es gab damals auch viele Frauen in der Regierung. Dort war es ziemlich normal, aber in Tschechien war dies nicht der Fall. Es gab zwar viele Frauen im hiesigen Außenministerium, auch in mittleren Positionen. Aber in den Führungspositionen war es nicht immer so wie heute, wo wir viele Sektionsleiterinnen haben.“

Die Frauen in Führungspositionen

Ich habe gelesen, dass Frauen, die im diplomatischen Dienst im Ausland waren, dort bis 2014 nicht ihre Kinder zur Welt bringen durften. Das ist jetzt aber schon möglich …

Ivana Červenková und Kamal Farhan | Foto: Krajský úřad Plzeňského kraje

„Ja, das ist ein großer Schritt. Heutzutage ist die Geburt des Kindes im Ausland ziemlich normal. Die Mutter bleibt in dem jeweiligen Land, hat Mutterschaftsurlaub und kehrt dann in dieselbe Position zurück. Aber zu meinen Zeiten war es nicht einmal normal, dass das Ministerium die Schule für die Kinder bezahlte. Ich konnte damals keine englische internationale Schule aussuchen, beziehungsweise hätte sie selbst zahlen müssen. Das ist schon seit vielen Jahren anders. Das Ministerium unterstützt auch die Familien und die Kinder. Es ist eine andere Zeit, muss ich sagen.“

Sie haben gesagt, die Arbeit war vielleicht härter als für die Männer. Sind Sie in Ihrer diplomatischen Karriere auch auf Vorurteile oder Ungleichheiten gestoßen?

Eine Voraussetzung, ein Diplomat zu sein, ist Geduld.

„Nein, nie. Ich glaube, bei mir wäre das nicht möglich gewesen. Ich kann mich durchsetzen. Ich habe keine Angst, direkt mit jemandem zu sprechen. Und wenn mir etwas nicht gefällt, bin ich in der Lage, meine eigene Meinung zu sagen.“

Gibt es etwas, das Sie als Frau nervt?

„Nein. Man muss alles lernen. Eine Voraussetzung, ein Diplomat zu sein, ist Geduld. Man muss sehr oft bei verschiedenen Veranstaltungen in der ersten Reihe sitzen und stundenlange Reden hören. Trotzdem muss man ruhig sitzen, lächeln und höflich sein. Ich bin sehr diszipliniert. Wenn mich etwas nervt, sieht das niemand. Und ich liebe meine Arbeit sehr. Sie ist nicht meine Arbeit, es ist mein Lebensstil. Ich bin sehr kontaktfreudig und liebe Menschen. Ich rede gerne und treffe gerne Leute. Meine Arbeit bringt mir so viel Spaß, dass sich sagen muss: Alles ist super.“

Mein erster Posten in Bonn war die größte Herausforderung

Sie haben die Arbeit in der Prager Zentrale erwähnt, die Arbeit in der Botschaft in Bonn und später in Bern. Sie waren auch in Berlin und dann sogar als Botschafterin in Wien tätig. Gibt es Meilensteine in der tschechisch-deutschen und tschechisch-österreichischen Geschichte, bei denen Sie dabei waren und an die Sie sich besonders gerne erinnern?

Ivana Červenková | Foto: Krajský úřad Plzeňského kraje

„Ich bin eine große Ausnahme, weil meine Auslandsposten immer ausschließlich in deutschsprachigen Ländern waren. Ich war zweimal in Wien, zudem in Bonn, in der Schweiz und in München. Die größte Herausforderung war wahrscheinlich mein erster Posten in Bonn, in den turbulenten Zeiten der Deutsch-Tschechischen Erklärung. Ich musste viele Besuche – unter anderem von Präsident Václav Havel – von protokollarischer Seite aus vorbereiten und mit der Gattin des Präsidenten durch die Stadt bummeln... Normalerweise ist es nicht so. Man fängt nicht auf solch gefragten Posten an, sondern steigt in der Karriere langsam höher. Aber bei mir war es gleich ein Sprung ins kalte Wasser. Die ersten sechs Monate waren schwierig, ich habe viel geweint. Ich bin jedoch sehr diszipliniert und zielstrebig. Ich wollte es schaffen, weil das eine gute Schule für meine Karriere war. In der Schweiz habe ich dann in der Konsularabteilung gearbeitet und wollte verschiedene Abteilungen der Botschaft kennenlernen. Ich habe Erfahrungen in der politischen Abteilung, der Konsularabteilung, in der Kultur und beim Protokoll. Ich glaube, es ist die beste Schule für einen jungen Diplomaten, alle diese verschiedenen Arbeiten auszuprobieren.“

Wir sprechen von Frauen in der Diplomatie. Haben Sie vielleicht zum Schluss einen Rat an Ihre Kolleginnen, die am Anfang ihrer Karriere stehen?

„Man muss diese Arbeit aus Überzeugung machen, denn sie ist nicht einfach. Es ist nicht einfach für die Kinder, die Familie oder den Ehemann. Es ist nicht ein normales Leben. Wir sind Nomaden, wechseln ständig Städte und Länder. Die Kinder haben keine festen Freunde, weil sie alle vier Jahre in eine andere Schule kommen. Auch für die Partner ist es nicht einfach, speziell für Männer, die entweder zu Hause bleiben oder eine Arbeit auf Distanz machen müssen. Aber es lohnt sich. Es ist eine einzigartige Erfahrung im Leben. Ich würde nie tauschen und bin sehr glücklich in meiner Arbeit.“

schlüsselwörter:
abspielen

Verbunden

  • Ženy! Starke Tschechinnen und ihre Berufe

    Inspirierende Geschichten von Frauen, die sich in ungewöhnlichen Berufsfeldern durchgesetzt haben

  • Tschechische Heldinnen

    Malerinnen, Schriftstellerinnen, Politikerinnen, Wissenschaftlerinnen oder Sportlerinnen – ganz unterschiedliche Frauen haben die tschechische Geschichte mitgeschrieben.