Dirigent Jakub Hrůša: Die Orchester mögen es, Smetana zu spielen

Jakub Hrůša

Jakub Hrůša gehört zu den gefragtesten Dirigenten der Gegenwart. Der mit vielen Preisen bedachte Hrůša ist Chefdirigent der Bamberger Symphoniker und Erster Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie. Ab 2025 wird er Musikdirektor des Royal Opera House in London. Hrůša ist 2024 zudem einer der Paten des Jahres der tschechischen Musik und Schirmherr des Projektes Smetana 200. Am Samstag, den 2. März, wird hierzulande an den 200. Geburtstag von Bedřich Smetana erinnert. Im Juni und Juli findet dann im Geburtsort des Komponisten, in Litomyšl, ein weiterer Jahrgang jenes Musikfestivals statt, das Smetanas Namen trägt. Auch Jakub Hrůša wird dabei sein. Auf einer Pressekonferenz zum Festivalprogramm entstand am Donnerstag das folgende Gespräch mit dem Dirigenten.

Herr Hrůša, wie bedeutend ist Bedřich Smetana als Komponist für Sie, und welche Rolle spielt er im Repertoire der Orchester in der Welt?

Foto: Tschechischer Rundfunk Vltava

„Natürlich ist Smetana für mich, generell gesagt, ein wenig wichtiger als allgemein für die Welt. Im Vergleich mit Antonín Dvořák beispielsweise ist er durch weniger Stücke bekannt – meistens dank ‚Mein Vaterland‘ oder im Theater durch ,Die verkaufte Braut‘. Aber trotzdem muss ich sagen, dass Smetana insbesondere in der letzten Zeit sehr willkommen ist. ,Mein Vaterland‘ ist ein Werk, um das ich immer wieder gebeten werde. Sehr oft wollen die Veranstalter eher Auszüge, natürlich hauptsächlich die ,Moldau‘ oder die ersten vier sinfonischen Dichtungen, die mit Tschechien und der Natur und weniger mit der Geschichte verbunden sind. Trotzdem würde ich sagen, dass die Reaktion auf Smetana sehr positiv ist.“

Wie ist nach Ihrer Meinung die Beziehung der Musiker zu Smetanas Werken?

„Die Orchester selbst mögen es, Smetana zu spielen. Ich erinnere mich nicht an eine Situation, bei der ich Musiker getroffen habe, die gesagt hätten, es sei nicht interessant oder warum nicht etwas anderes gespielt werde. Es sind eher die Kritiker, die manchmal einen Grund finden wollen, warum Smetana wegen eines gewissen Nationalismus oder Patriotismus kritisiert werden sollte.  Die Musiker mögen Smetana sehr, weil er einfach ein toller Komponist ist. In seiner Musik gibt es viel Vergnügen und Freude, sie ist sehr heiter, hell und positiv. Smetana ist zudem auf dem Gebiet der Musikarchitektur – beispielsweise im Zyklus ,Mein Vaterland‘ oder in den Opern – ein wirklicher Meister. Es ist unglaublich, was für ein Denker er war. Er wusste seine Ziele durch eine lebendige Musik zu erfüllen.“

Festival Smetanas Litomyšl | Foto: Magdalena Hrozínková,  Radio Prague International

Wie erklären Sie sich, dass von Smetanas Opern praktisch nur „Die Verkaufte Braut“ im Ausland bekannt ist? Ab und zu wird zwar noch „Dalibor“ gespielt, aber das ist dann schon eher etwas für Feinschmecker…

'Dalibor' | Foto: Národní divadlo Brno

„Ich denke, das liegt an den Inhalten. Die Geschichten und Handlungen in den Stücken sprechen ein Publikum im Ausland nicht immer so sehr an, wie das in Tschechen der Fall ist. Smetanas Werk wird dadurch aber ein wenig Unrecht getan. Denn musikalisch hat er wirklich viel zu bieten. Aber es geht eben auf dem Gebiet der Oper leider auch immer um die Handlung. Die drei Opern im Zentrum seines Lebens, ‚Die verkaufte Braut‘, ‚Dalibor‘ und ‚Libuše‘, sind musikalisch auf dem höchsten Niveau der Zeit. Menschen, die die Handlung vielleicht kritisieren möchten, will ich deshalb raten, diese ein wenig zu vergessen und stattdessen einfach nur die Musik zu genießen. Es gibt im Übrigen auch viele Leute, die sagen, dass Smetanas überhaupt reifste Oper ‚Das Geheimnis‘ sei. Denn die Libretti der drei anderen, bereits genannten Opern, die Smetana in Zusammenarbeit mit Eliška Krásnohorská erstellte, sind im heutigen Kontext etwas lokal und naiv. Für mich, der ich in der Zukunft auch mehr Oper machen werde, wird Smetana aber weiterhin ein Thema sein – und das viel mehr als Dvořák. Dann Smetana war ein toller, dramatischer Komponist mit dem richtigen Instinkt und gutem Geschmack. Ich werde also in Zukunft auch weiter zu ihm stehen. Mal sehen, wie erfolgreich ich damit sein werde.“

Sie bereiten sich derzeit auf „Libuše“ vor, die sie beim Festival „Smetanas Litomyšl“ aufführen werden. Sie haben bereits erwähnt, dass Ihnen diese Oper viel bedeutet…

Libuše | Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

„Das Stimmt, und vor allem hat diese Oper Smetana viel bedeutet. Sie war für ihn das Wichtigste, was er überhaupt komponiert hat. ‚Libuše‘ ist sein Dialog mit den besten Opernwerken seiner Zeit – und das bedeutet natürlich vor allem mit Wagner. Denn Wagner war eine Figur, die alle, aber auch wirklich alle Anderen beobachtet hat. Er hat viele Kollegen kritisiert und manche auch bewundert. Er war die absolute Hauptfigur. Und Smetana hat in ‚Libuše‘ ein Werk geschaffen, das auf einem ähnlichen Niveau liegt, wenn wir uns darüber unterhalten, wie Musik funktionieren kann.“

schlüsselwörter:
abspielen