Diskussion um Eingliederung ukrainischer Mediziner ins tschechische Gesundheitssystem
Tschechische Arztpraxen bieten Arbeitsmöglichkeiten für jene ukrainischen Geflüchteten, die eine medizinische Ausbildung haben. Unter dem Titel „Projekt Ukrajina“ können sie etwa als Dolmetscher eingesetzt werden. Gesundheitsminister Válek schlägt zudem ein umfangreiches Praktikumssystem vor.
Schon mehr als 300.000 ukrainische Geflüchtete sind bisher in Tschechien angekommen. Dies bedeutet unter anderem eine steigende Zahl an Patienten für die hiesigen Arztpraxen. Aber auch eine mögliche personelle Verstärkung durch ankommende Ärzte und Krankenschwestern. Vor allem die Sprachbarriere könnte dank ihnen überwunden werden.
Die tschechische Gesellschaft für Allgemeinmedizin hat deswegen Anfang des Monats das „Projekt Ukrajina“ gestartet. Insgesamt eine Million Kronen (41.000 Euro) stehen zur Verfügung, um Geflüchtete in hiesigen Arztpraxen anzustellen. Die Finanzierung beschränkt sich allerdings auf eine Beschäftigung von zwei Stunden täglich für die Dauer von einem Monat. Da ukrainische Ärzte ohne die Anerkennung ihrer Ausbildung beziehungsweise ohne eine Approbation hierzulande ihren Beruf nicht ausüben dürfen, werden sie vor allem als Dolmetscher arbeiten. Svatopluk Býma ist der Vorsitzende der Gesellschaft für Allgemeinmedizin. Mit dem Projekt will er das Potential der Zugezogenen nutzen:
„Bisher arbeiten sie in nicht-qualifizierten Berufen, wie etwa im Gartenbau. Wir halten das für Verschwendung. Vielmehr sollten wir es zu nutzen wissen, dass diese Fachkräfte hier sind, und sie in unser System einbinden.“
Experten begrüßen die Initiative, weil sich andersherum auch die aushelfenden Ärzte damit das nötige Vokabular auf Tschechisch aneignen können. Das ist allerdings erst ein Anfang. Gesundheitsminister Vlastimíl Válek (Top 09) will darum am Mittwoch dem Kabinett ein Konzept vorlegen, wie medizinische Arbeitskräfte aus der Ukraine langfristig in das tschechische Gesundheitssystem integriert werden können. In einer Diskussionssendung des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens sagte er dazu am Sonntag:
„Das System ermöglicht es, dass sie als Auslandspraktikanten eingesetzt werden. Dazu ist keine Anerkennung des Abschlusses nötig. Dieses Praktikum kann bis zu drei Monate dauern.“
Wird der Ausbildungs- oder Hochschulabschluss dann zudem anerkannt, könne das Praktikum auf ein Jahr ausgedehnt werden, so der Minister weiter. Dieser Vorschlag trifft allerdings auf Kritik. Der Präsident der tschechischen Ärztekammer, Milan Kubek, äußerte am Dienstagmorgen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Dieses Praktikumssystem, das Minister Válek so hartnäckig verteidigt und anscheinend mit aller Kraft durchsetzen will, hat wenig Sinn. Ein Praktikant ist nur ein Beobachter, und in einer Gesundheitseinrichtung ist er eher eine Belastung. Er hat dann auch keine Zeit, sich auf seine Prüfungen vorzubereiten. Dadurch verschiebt sich die Approbation zeitlich nach hinten.“
Vielmehr sei eine baldige Prüfung der Kandidaten angebracht, um sie schnell als vollwertige Arbeitskräfte einsetzen zu können, meint Kubek:
„Wir wollen den Prozess maximal beschleunigen. Darum schlägt die Ärztekammer vor, das sogenannte Fachpraktikum vor der Approbationsprüfung zu streichen. Es ist nämlich nicht die Praxis, die den Ärzten aus der Ukraine fehlt. Vielmehr sollte der Staat ihnen einen Intensivsprachkurs finanzieren.“
Mit den nötigen Sprachkenntnissen könnten sich die Mediziner dann zum Vorbereitungskurs für die Approbationsprüfung in Tschechien anmelden. Damit, so Kubek weiter, würden die Betreffenden ihrer existenziellen Sorgen entledigt.
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