Donau-Oder-Elbe-Kanal – unverwirklichter Traum seit Jahrhunderten

Denkschrift über die Donau-Main-Wasserstrasse 1903 (Foto: Public Domain)

Es ist eines der Lieblingsprojekte von Präsident Miloš Zeman: der Bau eines Kanals zwischen Donau, Oder und Elbe. Das tschechische Staatsoberhaupt bringt dieses Thema auch bei Treffen mit österreichischen und polnischen Politikern auf den Tisch, denn ohne eine Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten wäre das Projekt überhaupt nicht denkbar. Doch bei vielen weiteren tschechischen Politikern ist das Kanalprojekt umstritten. So stellte sich auch der Verkehrsminister dagegen, mittlerweile will er zumindest eine Machbarkeitsstudie anfertigen lassen. Doch das kontroverse Vorhaben ist nicht neu, schon seit Jahrhunderten wird darüber diskutiert.

Kanał Gliwicki mit breiter Mündung,  ein 6-km Teilstück des Oder-Donau-Kanals und ein Stichkanal zur chemischen Fabrik in Kędzierzyn  (Foto: Jaroslav Kubec,  CC BY-SA 3.0)
In Südböhmen und quer durch Mähren verläuft die Wasserscheide zwischen Ostsee beziehungsweise Nordsee und dem Schwarzen Meer. Die Flüsse in dieser Gegend wurden bereits im Mittelalter für den Warentransport genutzt, daher entstand die Idee, die Wasserwege in beiden Ablaufrichtungen miteinander zu verbinden. Die erste Erwähnung eines solchen Vorhabens stammt aus dem 14. Jahrhundert, als Kaiser Karl IV. eine Trasse für den Warentransport ins belgische Brügge suchte. Zu einem weiteren Versuch kam es 1653, als die Mitglieder des Mährischem Landtags beschlossen, den Fluss March schiffbar zu machen. Damals dachte man auch darüber nach, über die Mährische Pforte eine Verbindung zur Oder herzustellen. Die Idee wurde sogar von König Ferdinand III. unterstützt, und deswegen begann man auch schon mit Planungen. Doch der Österreichische Türkenkrieg verhinderte letztlich eine Umsetzung.

Erst im 19. Jahrhundert ergab sich ein neuer Anlass, zur Zeit der Industrialisierung. 1873 wurde das Projekt in beiden Kammern des Wiener Reichstags verabschiedet und noch im selben Jahr erhielt sogar eine österreichisch-englische Bank die Baukonzession für einen Schifffahrtskanal. Diesmal kam aber die Wirtschaftskrise in die Quere. Darüber hinaus bestand bereits die Kaiser-Ferdinands-Nordbahn von Wien nach Krakau, für die der Kanal eine Konkurrenz gewesen wäre. Doch die Idee war trotzdem nicht tot, sagt Jiří Janáč, Historiker an der Prager Karlsuniversität:

Denkschrift über die Donau-Main-Wasserstrasse 1903  (Foto: Public Domain)
„Die Befürworter des Projektes waren vor allem Ingenieure aus Böhmen und Mähren, darunter auch der Abgeordnete Jan Kaftan. Auf ihre Initiative hin wurde 1901 das Österreichische Wasserstraßengesetz verabschiedet, in dem die Verbindung Donau – Oder – Elbe zu einer der Prioritäten der Regierung erklärt wurde. Dazu muss man aber sagen, dass dieses Gesetz ein politischer Handel war. Österreichische Politiker drängten damals vor allem auf den Bau neuer Eisenbahnstrecken durch die Alpen, wozu sie aber auch die Zustimmung der böhmischen und polnischen Abgeordneten benötigten. Als Kompensation sollte die Subventionierung der Wasserwege in den slawischen Teilen der Monarchie dienen, damit auch diese Regionen des Reiches nicht zu kurz kamen.“

Das Hauptargument für den Kanal war die Möglichkeit, Kohle aus den schlesischen Industriegebieten nach Wien zu befördern. Dazu kam der Hochwasserschutz: Die March stieg damals oft über die Ufer, daher dachte man an eine Regulierung. Der Bau sollte binnen 15 Jahren fertiggestellt werden. Tatsächlich wurde begonnen, mit den Anrainern über den konkreten Verlauf der Wasserstraße zu verhandeln und an einigen Stellen den Baukorridor sogar schon abzustecken, die wirklichen Bauarbeiten wurden jedoch nicht aufgenommen. Bereits 1907 wurde das Projekt still und leise wieder zu den Akten gelegt, die Baukosten hätten einfach die Kräfte der Monarchie überstiegen.

Donau-Oder-Kanal bei Wien  (Foto: Tomáš Kolařík,  CC BY-SA 3.0)
Die Idee erlebte dann nach dem Ersten Weltkrieg in der Tschechoslowakei eine Wiedergeburt. Prag sollte der Zentralhafen des Kanals werden, daher wurde auch die Schiffbarmachung der Moldau geplant. Es schien so, als ob der Realisierung des Projektes nichts mehr im Wege stehe. Begonnen wurde mit der Regulierung der Flüsse. Ein neues Wehr bei Koblov an der Oder erhielt sogar ein Schild, auf dem stand: „Erstes Stauwerk am Donau-Oder-Kanal“. Weitere Arbeiten liefen vor allem an der March an, und darum machte sich besonders der Schuh-Unternehmer Tomáš Baťa verdient. Seine Firma übernahm die Hälfte der Kosten für die Errichtung eines 51 Kilometer langen Schwemmkanals zwischen Rohatec / Rohatetsch und Otrokovice / Otrokowitz. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre stieß das Projekt jedoch auf ein unerwartetes geopolitisches Problem.

„Zu dieser Zeit wurde darüber spekuliert, dass das Projekt auch der deutschen Expansion in Mitteleuropa dienen könnte. Die Tatsache, dass Adolf Hitler ein großer Anhänger des Vorhabens wurde, verkomplizierte die Position der tschechoslowakischen Befürworter. Auf Druck von Wirtschaftskreisen gingen die Arbeiten jedoch immer weiter. Staatspräsident Edvard Beneš beteiligte sich sogar 1936 an der feierlichen Eröffnung der deutsch-tschechoslowakischen Gesellschaft für den Donau-Oder-Elbe-Kanal. Nazi-Deutschland verfolgte damit aber andere Ziele als die Tschechoslowakei. Das Interesse Berlins war vor allem, den Transport von Getreide, Kohle und anderen Rohstoffen vom Balkan zu verbilligen. Prag beziehungsweise Böhmen und Mähren sollten der deutschen Wirtschaft als große Verladestelle dienen“, so Historiker Janáč.

Baťa kanal  (Foto: Archiv Radio Prag)
Deswegen wurde das Projekt auch durch die nachfolgenden politischen Veränderungen nicht bedroht. Im Gegenteil: Die deutsche Besetzung der tschechoslowakischen Grenzgebiete im September 1938 und die Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren ein halbes Jahr später beschleunigten den Ausbau noch. Zwischen Oder und Elbe wurde sogar kurz nach dem Überfall auf Polen im Jahr 1939 eine Verbindung fertiggestellt. Adolf-Hitler-Kanal hieß damals dieser neue Abschnitt. Zugleich begannen die Arbeiten an einer Wasserstraße zwischen Oder und March. Jiří Janáč:

„Das Bauprojekt wurde aber in technischen Aspekten wesentlich verändert. Ursprünglich war es vor allem für die Bedürfnisse der Anrainerfirmen konzipiert, die Nazis wollten hingegen eine leistungsfähige Wasserstraße schaffen. Um den Kanal deutlich breiter und tiefer machen zu können, wurde eine ganze Reihe von kleinen wasserzuführenden Kanälen projektiert. Dies führte aber zu ernsten Sorgen, dass der Flurabstand des Grundwassers in der ganzen Region zerstört werden könnte.“

Die Verwirklichung der alten Idee, die Donau mit Oder und Elbe zu verbinden, stand damit wieder am Anfang. Der Zweite Weltkrieg bedeutete natürlich das Ende jeglicher Bauarbeiten, und diese wurden auch nie wieder aufgenommen. Interessant ist, dass das Projekt zwar aufgegeben, aber nie offen abgelehnt wurde. Die Planer des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW), also der Wirtschaftsorganisation der kommunistischen Staaten, hielten Wasserwege für einen Industrialisierungsfaktor. Sie gingen davon aus, dass Kanäle nicht nur der Schifffahrt dienen sollten, sondern auch der Stromerzeugung und der Bewässerung.

„In den 1960er Jahren wurde ein neues konkretes Projekt namens ‚Generallösung‘ in Angriff genommen. Seine erste Version wurde 1968 verabschiedet und sollte in den folgenden drei Jahren ausgearbeitet werden. Die Niederlage der politischen Reformbewegung in der Tschechoslowakei und die Besetzung des Landes durch die Truppen des Warschauer Paktes beeinträchtigten jedoch die notwendige politische Zusammenarbeit. Die neue Regierung in Prag legte das Projekt auf Eis. Die finanziellen Mittel, die für den Kanalbau bereits bereitgestellt worden waren, wurden für den Bau des Gabčíkovo-Staudamms an der Donau verwendet“, sagt Jiří Janáč.

Foto: Tschechisches Fernsehen
Der Donau-Oder-Elbe-Kanal wurde also mehrmals geplant, aber nie verwirklicht. Oder anders gesagt: Obwohl die Umsetzung der Idee so viele Male gescheitert ist, blieb sie für bestimmte Kreise immer faszinierend. Das ist auch der Fall des heutigen tschechischen Präsidenten Miloš Zeman, aber auch vieler Wasseringenieure und Wirtschaftsvertreter hierzulande. Gegner sind heutzutage vor allem Naturschützer, aber auch zahlreiche Ökonomen und Politiker. Der Historiker Jiří Janáč ist der Meinung, dass sich immer Argumente für und gegen den Bau finden ließen und keine objektive Studie diese Frage endgültig lösen könne. Am Ende steht aber immer die Frage der Kosten. Und am enormen finanziellen Aufwand des Projektes könnte auch das derzeitige Engagement der Kanalanhänger wieder scheitern.