DTIHK will Tschechien für Entwicklung von Industrie 4.0 sensibilisieren
Die neue Welle der industriellen Revolution macht auch vor Tschechien nicht Halt. Das Land hat jedoch beste Voraussetzungen, um von der Entwicklung Industrie 4.0 nicht überrollt zu werden, sondern aktiv daran teilzunehmen. Die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer will die hiesige Politik und Wirtschaft dafür sensibilisieren. Denn auch für DTIHK-Präsident Rudolf Fischer ist dies genau der richtige Schritt zur rechten Zeit. Das bekräftigte er in einem Gespräch für Radio Prag.
„Der Begriff ‚Industrie 4.0‘ ist für Laien etwas schwierig zu verstehen. Es ist nicht anderes, als dass eine weitere Entwicklungsstufe in den Wertschöpfungsprozessen integriert wird. Damit einhergehen wird eine intelligente Vernetzung und Digitalisierung der Produktionsprozesse.“
Wie darf man sich das in der Praxis vorstellen? Wie laufen die Vorgänge ab, wenn ‚Industrie 4.0‘ eingesetzt wird?
„Das Bild der ‚Industrie 4.0‘ wird so aussehen, dass nicht nur Fabriken miteinander vernetzt werden, sondern auch die Kunden und Lieferanten mit den Fabriken. Wir erleben schon heute am Beispiel der Automobilindustrie, dass Privatpersonen ihren Kundenwunsch über einen Konfigurator definieren und sich so ihr Auto selbst darstellen können. Ein Auto, das letztlich auch bestellt wird. In Zukunft werden solche Prozesse noch wesentlich mehr automatisiert ablaufen. Der Kunde hat im Prinzip dieselbe Oberfläche, aber das was im Hintergrund abläuft, wird noch schneller und integrierter in den Produktionsprozess einfließen. Zudem wird die Produktion flexibler auf kurzfristige Änderungen des jeweiligen Kundenwunsches reagieren können. Das, was der Privatverbraucher heutzutage bereits als Nutzer des Internets, Smartphones oder Bestellwesens miterlebt, wird künftig noch professioneller und schneller werden. Die Tools und Software-Applikationen sind bereits vorhanden, sie werden aber noch stärker vernetzt und implementiert werden.“
Warum ist die Einführung der ‚Industrie 4.0‘ gerade so wichtig für Länder wie Tschechien und Deutschland?„Es geht darum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Wettbewerbssicherheit auch in Zukunft sicherzustellen. Für Deutschland als Hochkosten- und Hochlohn-Land ist es eine Selbstverständlichkeit, immer schneller, produktiver und innovativer zu werden. Für ein Land wie Tschechien, das noch einen gewissen Kostenvorteil hat, ist das Thema derzeit etwas neu und die Gefahr liegt darin, dass man sagt: ´Wir haben ja noch Kostenvorteile´. Die Herausforderung aber besteht darin, dass Länder, die auf der Kostenposition ähnlich dastehen wie Tschechien, diese Themen bereits vorantreiben. In Asien sind das zum Beispiel China oder Korea. Dort werden diese Themen stärker vorangetrieben als bei uns in Europa. Die Tschechische Republik und ihre Unternehmen stehen deshalb in der Pflicht, sich die eigene Position gegenüber Wettbewerbern abzusichern. Und dies gerade gegenüber Ländern, die heute noch auf der gleichen Position stehen, aber morgen eventuell schon in punkto Digitalisierung und Vernetzung vorbeiziehen könnten. Unternehmen, die bereits flexibel auf Kundenwünsche eingehen, werden auch in Zukunft einen Kundenvorteil haben. Und dieser Vorteil wird sich auch in der Flexibilität der Fertigungen niederschlagen.“
Digitale Vernetzung von Produktionsabläufen heißt aber auch, dass die Gefahr von Industriespionage steigt. Wie schützt man sich davor?„Diese Thematik wird derzeit in vielen Ländern diskutiert. Darunter fallen sowohl Datensicherheit als auch Datenzuverlässigkeit und Datenschutz. Klar ist: Das Internet wird das Backbone zum Thema ‚Industrie 4.0‘ sein. Folglich ist der Datenschutz für die Unternehmen eine elementare Voraussetzung. Dazu sind technologische wie auch legislative Schutzmechanismen gefragt. Diese Mechanismen müssen greifen, um solch ein Thema überhaupt in die Praxis umsetzen zu können.“
Die Tschechische Republik ist beim Thema Datenschutz schon weit vorangeschritten. Den tschechischen Fachkräften auf diesem Gebiet wird ein gutes Knowhow nachgesagt. Stimmt das?„Das ist korrekt. Auf diesen Kräften sollte Tschechien auch aufbauen. Doch nicht nur Datenschutz und Internet werden Kernthemen der Zukunft sein, sondern auch die Informationstechnik (IT). Die Bereiche IT und Kommunikationstechnologie werden mit der traditionellen Industrie zusammenwachsen. Daher wird es neue Chancen und neue Aufgaben in neuen Geschäftsfeldern geben, die letztlich auch eine neue Form von Interdisziplinarität im Berufsbild hervorbringen.“
Parallel zur Entwicklung von ‚Industrie 4.0‘ dürfte aber auch der Abbau von Arbeitsplätzen einhergehen. Trifft die Aussage zu, dass in Zukunft immer weniger Menschen an der Werkbank, aber immer mehr Menschen am Computer arbeiten werden?„Abbau von Arbeitsplätzen ist immer ein sensibles Thema, das die Unternehmen auch mit Sorgfalt behandeln. Auf der anderen Seite muss man jedoch auch sehen, dass sich die Technologie nicht stoppen lässt. Sollten sich also Deutschland, Tschechien oder ganz Europa diesem Thema verweigern, andere Länder werden es nicht tun. Es muss eine Balance zwischen neuer Technologie, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und dem sozialen Aspekt der Arbeitsplätze hergestellt werden. In den Bereichen IT und Automatisierung wird es neue Arbeitsplätze geben, dafür werden andere Arbeitsplätze wegfallen. Auch das Berufsbild innerhalb der Fertigung wird sich wandeln. Hier wird es zu einem Rückgang beim sogenannten ‚Doing‘ und stattdessen zu einem Anstieg beim ‚Monitoring‘ kommen. Um aufzuzeigen, wie sich das alles konkret entwickeln soll, müssen sich die die Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und die Politik zusammensetzen und einen Konsens finden.“
Ist in Tschechien die politische Bereitschaft vorhanden, diese Prozesse auch voranzutreiben? Was ist Ihre Meinung?„Gerade diese Frage hat uns dazu bewogen, ‚Industrie 4.0‘ zu unserem Jahresthema zu machen. Auf diese Weise wollen wir die Thematik sensibilisieren und auch ein Stück weit herausfordern. In Partnerschaft mit dem tschechischen Industrieverband sind wir da schon aktiv geworden. Auch mit dem Verband für Informations- und Kommunikationstechnologie und mit dem Maschinenbau stehen wir in engem Kontakt. Doch die Weichen müssen auf der politischen Seite gestellt werden, deshalb wollen wir das Thema auch rechtzeitig platzieren. So wie wir es schon im Bereich Bildung mit der dualen Ausbildung getan haben. Gerade das Berufsfeld in der IT-Branche und der Software-Technologie wird für Tschechien in Zukunft ein großes Thema sein. Je früher man es sensibilisiert, desto schneller wird die Umsetzung erfolgen.“