Dunkle Wässer: Trotz Übergangsfrist fehlen weiter Kläranlagen in Tschechien
Ende Dezember läuft für Tschechien eine Frist der Europäischen Kommission aus. Es geht um die so genannte Richtlinie zur Behandlung von kommunalem Abwasser. Die Richtlinie schreibt vor, dass alle Gemeinden ab 2000 Einwohnern an die Kanalisation und eine Kläranlage angebunden sein müssen. 2005 trat diese Vorschrift in Kraft, doch Tschechien hatte sich fünf Jahre Zeit zur Umsetzung erbeten. Nicht alle Gemeinden werden indes die Frist einhalten können. Und das betrifft selbst Prag als größte Stadt des Landes.
Untätig, das sind die tschechischen Gemeinden sicher nicht gewesen. Fast 460 Projekte wurden bereits gestartet, um die Kanalisation in Städten und Dörfern zu erweitern sowie Kläranlagen zu errichten oder auszubauen. Umgerechnet fast zwei ein Viertel Milliarden Euro wird dabei in die Abwasserreinigung gesteckt. Jiří Hradec ist Leiter der Tschechischen Umwelt-Agentur, die Daten zu Natur und Umwelt in Tschechien sammelt. Bei einer Konferenz im Umweltministerium gab er im Dezember einen Überblick, in welchem Umfang Tschechien seinen europäischen Verpflichtungen nun nachgekommen ist:
„Für die Städte ab 10.000 Einwohnern sind wir praktisch bei 100 Prozent, für die Gemeinden ab 2000 Einwohner liegen wir bei rund 95 Prozent. Im Grunde lässt sich da nur über Verzögerungen reden, die bei den Anträgen für Gelder aus den EU-Strukturfonds entstanden sind.“Auch der Rest sei auf gutem Wege, wie Veronika Hunt Šafránková aus der Europaabteilung des Umweltministeriums hinzufügt. So würde entweder bereits gebaut oder der Baubeginn stünde bevor. Doch gibt es etwa ein Dutzend Gemeinden, die den Termin nicht einhalten werden, wie zum Beispiel die malerische Kleinstadt Hejnice in Nordböhmen. Dort müssen rund 500 Häuser an die Kanalisation angebunden werden, Kostenpunkt umgerechnet etwa 2,4 Millionen Euro. Ein teures Unterfangen, wie Bürgermeister Jiří Horák (ODS) aufschlüsselt:
„Die Kosten, um ein Haus an die Kanalisation anzuschließen liegen teilweise bei bis zu 100.000 Kronen (4000 Euro, Anm. d. Red.). Deswegen haben wir bis zuletzt gewartet, ob die Verordnung nicht doch noch geändert wird und uns das Ministerium etwas entgegenkommt. Leider ist das nicht geschehen.“Das Zögern in Hejnice könnte den tschechischen Staat teuer zu stehen kommen. Millionenstrafen drohen, wenn Gemeinden gegen die EU-Richtlinie verstoßen. So hat die Europäische Kommission zum Beispiel Italien und Spanien verklagt: 178 Städte in Italien und 38 in Spanien behandeln ihr Abwasser nicht ausreichend. Allerdings muss meist viel Abwasser die Flüsse herabfließen, bis die Kommission ein Land vor Gericht bringt. Hejnice zum Beispiel dürfte bis dahin schon längst seinen Pflichten nachgekommen sein.
Mehr Sorgen bereitet indes ausgerechnet die Hauptstadt des Landes. Die zentrale Kläranlage in Prag ist für die Agglomeration mit mehr als 1,2 Millionen Einwohnern nicht tauglich. In der Folge gerät zu viel Stickstoff in die Moldau. Doch die Modernisierung der zentralen Kläranlage auf der Kaiserinsel im Norden Prags steht in den Sternen. Gebraucht werden umgerechnet 800 Millionen Euro, die hat Prag aber nicht. Mindestens 240 Millionen sollen deswegen aus europäischen Fonds kommen. Brüssel hat jedoch Einwände gegen die bisherigen Planungen: zu groß dimensioniert und zu teuer sei das Projekt. Zudem verstößt die Prager Wasserwirtschaft gegen die Wettbewerbskriterien der EU. Martin Řimnáč leitet eine lokale Bürgerinitiative, die sich gegen das Projekt gestellt hat:
„Prag hat im Jahr 2004 einen Vertrag mit der Firma Veolia über die Vermietung der Kläranlage bis ins Jahr 2028 geschlossen. Das ist länger als erlaubt. Und der Vertrag wurde ohne öffentliche Ausschreibung vergeben. Brüssel drängt Prag dazu, den Vertrag zu ändern. Geschieht das nicht, will die EU keine Gelder geben.“Anstatt Gelder aus Brüssel zu erhalten, droht Prag nun das Gegenteil: dass man wegen Versäumnissen hohe Strafen zahlen muss. Denn bis Ende dieses Jahres müsste die Stadt eigentlich mit den Modernisierungsarbeiten beginnen, nur so lang gilt bisher die Ausnahmeregelung der EU. Doch Prag steckt derzeit noch mitten in der öffentlichen Ausschreibung des Projektes.