Ein analytischer Blick auf die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in der Slowakei
Liebe Hörerinnen und Hörer, unser heutiger Schauplatz befasst sich mit dem Ausgang der ersten Runde der slowakischen Präsidentenwahlen, die zu einem Comeback des in Europa weitgehend isolierten populistischen Politikers Vladimir Meciar führten. Näheres dazu erfahren Sie nun von Robert Schuster.
Das Pikante an diesem Tandem, welches sich für die alles entscheidende Stichwahl qualifizieren konnte, ist nicht zuletzt der Umstand, dass einige Tage vor dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union auf jeden Fall ein Politiker zum Staatsoberhaupt gewählt wird, der einen maßgeblichen Anteil an der Isolierung des Landes innerhalb Europas während der 90er Jahre hatte. Während Kandidat Vladimir Meciar in den Jahren 1992 bis 1998 slowakischer Regierungschef war und wegen seines autoritären Stils in Verruf geriet, stand sein damaliger enger Weggefährte und heutiger Rivale Ivan Gasparovic dem Parlament vor und unterstützte in letzter Instanz alle von Meciars Regierung lancierten antidemokratischen Gesetzesinitiativen.
Angesichts dieses unerwarteten Ergebnisses, waren nicht nur die Slowaken selber, sondern auch viele Beobachter in Tschechien überrascht. Wir baten deshalb die slowakische Politikwissenschaftlerin Maria Pesekova, von der Universität im slowakischen Trnava um eine erste Analyse der Ursachen für den überraschenden Ausgang des ersten Wahlgangs bei den slowakischen Präsidentenwahlen:
"An der ersten Stelle ist hier die extrem niedrige Wahlbeteiligung anzuführen, wobei lediglich 47 Prozent der Wähler von ihrem Recht Gebrauch machten. Für die Anhänger Kukans und von Ministerpräsident Dzurinda, unter denen sehr viele junge Menschen sind, war es ganz natürlich, dass der Außenminister Kukan gewinnt, und sie haben es nicht für notwendig gehalten an der Wahl teilzunehmen. Im Gegenteil: Meciars Wähler sind sehr stabil. Es handelt sich oft um ältere Menschen, die sehr diszipliniert sind."
Eine weitere wichtige Ursache lag laut Frau Pesekova auch bei der Regierung. Neben der Präsidentenwahl fand nämlich auch eine von Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbänden initiierte Volksbefragung statt, mit dem Ziel eine vorzeitige Auflösung des Parlaments und somit Neuwahlen zu erwirken. Die vier Regierungsparteien gaben ihren Anhängern die Empfehlung, diese Volksbefragung, für deren Erfolg eine Mindestteilnahme von 50 Prozent der Wahlberechtigten notwendig war, zu ignorieren:"Die Regierung hat die Menschen überzeugt, auf die Teilnahme am Referendum mit der Frage nach vorzeitigen Wahlen zu verzichten und das hat letztlich die niedrige Beteiligung an der Präsidentenwahl mit verursacht. Zweitens haben viele Menschen, die mit der Regierung und mit ihrer Reformpolitik unzufrieden sind, die Wahl genutzt, um der Regierung einen Denkzettel zu verpassen. Und ein letzter Grund könnte sein, dass die Partei des Premiers, die SDKU, in den vergangenen Tagen in die Schlagzeilen geraten ist. Sie steht unter Korruptionsverdacht und zudem sind kurz vor der Wahl Probleme mit fiktiven Geldgebern aufgetaucht."
Meciar hat sich während des bisherigen Wahlkampfs ungewohnt zahm gegeben. Wie wahrscheinlich ist aber, dass er dieses versöhnliche Gesicht, um das er seit längerem bemüht ist, auch nach seiner eventuellen Wahl beibehält? Politikwissenschaftlerin Maria Pesekova hält mit ihrer Skepsis nicht hinterm Berg:
"Ja, in letzter Zeit scheint Meciar wirklich sehr konstruktiv zu sein, und das bleibt so bis zum 17. April, wenn die zweite Wahlrunde stattfindet. Meciar will durch dieses Verhalten zusätzliche Stimmen von den Menschen erhalten. Er ist insgesamt bemüht sein Image zu verbessern und zwar nicht nur durch das neue Lifting, dass er sich im Gesicht hat machen lassen. Aber ich glaube, bei Meciar bleibt es nur bei äußerlichen Veränderungen, und gleich nach dem Sieg wird er so oft, wie möglich, von seinem Veto-Recht als Präsident Gebrauch machen, um der Regierung ihre Arbeit zu verkomplizieren. Für das Ansehen des Landes in Europa ist sein Name ein großes Handicap und kann somit das heute vorhandene gute Ansehen schädigen."
Die Reaktionen in Tschechien auf den Ausgang der ersten Wahlrunde bei den slowakischen Präsidentenwahlen waren gemischt. Während sich die Politiker mit ihren Wertungen zurückhielten, um nicht den Eindruck einer beabsichtigten Einflussnahme des Wahlausgangs zu erwecken, war bei einigen Kommentatoren die Verwunderung angesichts der beiden Kandidaten für die Stichwahl und insbesondere dem guten Abschneiden Meciars groß.Verhalten hingegen reagierte die Europäische Union auf die Ergebnisse, wohl in der stillen Hoffnung, die slowakischen Wählerinnen und Wählern würden sich bei der Stichwahl in einer Woche mehrheitlich für das kleinere Übel - sprich für Ivan Gasparovic - entscheiden und nicht für den auf europäischer Bühne weitgehend isolierten Meciar.
"Von inoffiziellen Quellen aus der Europäischen Union wissen wir, dass die Nachricht über den Sieg Meciars Bestürzung hervorrief. Bei der niedrigen Teilnahme, die für die zweite Runde vorausgesagt wird, ist es ganz real, dass Meciar den Zweikampf gegen Gasparovic gewinnt. Glücklicherweise geht es bei diesen Wahlen nur um die Rolle des Präsidenten, der in der Slowakei nur repräsentative Aufgaben hat."
Dennoch bleibt die Frage, wie sich im Fall einer tatsächlichen Wahl Meciars zum slowakischen Staatsoberhaupt die künftigen Partner der Slowakei in der EU verhalten würden? Schließlich reagierten die Regierungen der EU-Länder vor vier Jahren relativ schnell, als im Mitgliedsland Österreich eine neue Bundesregierung ernannt wurde, an der sich auch die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs beteiligte und legten alle bilateralen Beziehungen zu Österreichs neuem Kabinett auf Eis. Könnte sich also in Bezug auf die Slowakei und einen möglichen Präsidenten Vladimir Meciar nicht das gleiche Szenario wiederholen? Hören Sie dazu die Meinung der Politikwissenschaftlerin Maria Pesekova:
"Die Situation in Österreich war ein bisschen anders damals ging es um die Regierung, die viel stärker für die Richtung des Landes verantwortlich ist. Wenn in der Slowakei eine demokratische Regierung an der Macht bleibt, müssen wir keine Sanktionen erwarten."
Wenn wir im Bereich des Spekulativen bleiben und eine Erfolg des früheren Ministerpräsidenten Meciars bei der Wahl zum Staatsoberhaupt voraussetzen, ergäbe das gerade für die Beziehungen zwischen der Slowakei und Tschechien eine nicht uninteressante Konstellation. Denn schließlich wären dann mit Vladimir Meciar in der Slowakei und Vaclav Klaus in Tschechien gerade jene beiden Politiker Präsidenten, die im Jahr 1992 die Auflösung der einstigen Tschechoslowakei beschlossen hatten.Zudem weiß man, dass beide Männer eine große gegenseitige Wertschätzung für einander an den Tag legen, was vor allem Klaus in der Vergangenheit viel Kritik einbrachte, als er sich nicht von Meciars politischem Stil und dessen Machenschaften distanzieren wollte.
Meciar und Klaus verbindet zudem auch ein relativ ambivalentes Verhältnis zum europäischen Einigungsprozess. Theoretisch könnten die beiden Präsidenten Klaus und Meciar eine Art europakritische Achse in Mitteleuropa bilden und somit ihren jeweiligen, klar pro-europäisch ausgerichteten Regierungen einiges Kopfzerbrechen bereiten. Was hält die Politikwissenschaftlerin Maria Pesekova, die abschließend noch einmal zu Wort kommt, von dieser Hypothese?
"Ja wirklich, es kann zu einer interessanten Situation kommen, denn beide Politiker haben ihr Comeback erlebt und würden dann nach vielen Jahren wieder in gleicher Position aufeinander treffen. Beide Politiker sind sehr zielbewusst und mögen die Macht. Aber in puncto EU ist die Situation in der Slowakei ein wenig anders, als in Tschechien. Die Tschechen sind viel skeptischer, in der Slowakei gibt es fast keine Partei, die die EU kritisieren würde und es gibt dort eine größere Begeisterung für den Einigungsprozess. Da diese kritischen Meinungen zur EU fehlen, kann Meciar auch dieses Thema ausnützen. Ich denke aber, dass die diesbezüglichen Meinungen beider Politiker nur für die Wähler zu Hause von Relevanz sein werden und aus europäischer Sicht keine große Bedeutung haben werden."