Vier-Augen-Gespräch im Garten der Villa Tugendhat: Symbol der Spaltung der Tschechoslowakei

Vladimír Mečiar und Václav Klaus

Es ist der 26. August 1992, knapp vor Mitternacht in der Villa Tugendhat in Brünn: Vor genau 20 Jahren wurde dort das Ende der Tschechoslowakei besiegelt. Die Premierminister Tschechiens und der Slowakei, Václav Klaus und Vladimír Mečiar, gaben zum ersten Mal das Datum bekannt, an dem die Tschechoslowakei aufgelöst werden sollte.

Vladimír Mečiar und Václav Klaus
Das August-Treffen der Premierminister Klaus und Mečiar war eine weitere Verhandlungsrunde, zu der Vertreter der beiden Teilstaaten nach den Parlamentswahlen im Juni 1992 zusammengekommen waren. Das Wahlergebnis bedeutete einen Bruch in der Entwicklung der Tschechoslowakei: Die Idee eines gemeinsamen Staats von Tschechen und Slowaken platzte. In Tschechien siegte damals die Demokratische Bürgerpartei ODS mit Václav Klaus an der Spitze, im slowakischen Teilstaat die Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) mit Vladimír Mečiar.

Im Juli stimmte dann der slowakische Nationalrat für die Souveränitätserklärung, die den Beginn der Spaltung der Tschechoslowakei markieren sollte. Präsident Václav Havel trat daraufhin zurück. Die Premierminister beider Teilstaaten trafen im Sommer mehrere Male zusammen, um über die Trennung zu verhandeln. Der Historiker Petr Roubal sagte über diese Entwicklung gegenüber dem Tschechischen Fernsehen:

„Das Treffen in der Villa Tugendhat war das sechste. Unmittelbar nach den Parlamentswahlen war die Lage sehr einfach. Die ODS wollte entweder eine funktionierende Föderation oder die Spaltung des Staates, und die HZDS wollte entweder eine Konföderation oder die Spaltung des Staates. Der gemeinsame Nenner ihrer Programme war also die Spaltung. Unterschiede gab es aber in der Geschwindigkeit der Pläne. Während es die Slowakei nicht eilig hatte und die künftige Entwicklung fürchtete, strebte die tschechische Seite paradoxerweise eine schnellere Trennung an. Deswegen ist das Datum vom 1. Januar ein gewisser Sieg von Václav Klaus. Er hatte damit erzielt, was er eben erzielen wolle.“

Das Treffen der Premierminister in der Villa Tugendhat und besonders ihr zweieinhalbstündiges Vier-Augen-Gespräch im Garten sind zum Symbol der Spaltung der Tschechoslowakei geworden. Kurz vor Mitternacht traten die Politiker vor die Öffentlichkeit. Vladimír Mečiar:

„Wir nehmen an, dass zum 1. Januar 1993 die Tschechische Republik und die Slowakische Republik als zwei eigenständige Staaten entstehen. Auch wenn viele Leute emotionelle Bindungen an die jetzige Form haben, muss man realistisch und mit Verantwortung sagen: es gibt keine Möglichkeit, den jetzigen Stand zu erhalten.“

Sein tschechischer Amtskollege Václav Klaus fügte hinzu:

„Wenn der geplante Prozess in friedlicher Form umgesetzt wird, glaube ich aus der Sicht der Tschechischen Republik, dass wir mit der Slowakei bessere und langfristig dauerhaftere Beziehungen als derzeit finden können.“

Der Historiker Petr Roubal sieht die Bedeutung des Treffens vor 20 Jahren in Brünn vor allem darin, das ein genaues Datum der Spaltung und ein Zeitplan festgelegt wurden.

„Es war wichtig, dass die Öffentlichkeit durch das Treffen wohl zum ersten Mal zur Kenntnis nahm, dass es nun keinen Weg mehr zurück gab. Die tschechische Gesellschaft war darauf in jener Zeit bereits vorbereitet. Man hat mit einer gewissen Erleichterung hingenommen, dass die langjährigen Verhandlungen beendet sind. Zwar wollte man die Spaltung des Staates nicht, allerdings wünschte man sich, dass die unendlichen Debatten ein Ende fänden.“