Ein Drittel der tschechischen Haushalte ist verschuldet - Schuldenberg ist aber relativ gering
Das gerade erst begonnene Jahr 2007 hält auch für die tschechische Wirtschaft neue Herausforderungen bereit. Vor allem muss sie sich gleich mit den erneut gestiegenen Energiepreisen auseinandersetzen. Zur finanziellen Gestaltung ihres Alltags haben aber auch die tschechischen Verbraucher inzwischen ganz andere Kredit-Möglichkeiten als früher.
Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft
Mit Beginn des neuen Jahres hat sich die Europäische Union erneut erweitert - mit Rumänien und Bulgarien sind zwei neue Mitgliedsländer hinzugekommen. Vor knapp drei Jahren, als zum 1. Mai 2004 zehn Staaten der EU beitraten, begrüßten die Alteingesessenen die Neuankömmlinge mit einer Reihe von Übergangsfristen. Die wohl wichtigste davon war und ist Begrenzung der Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Die Tschechische Republik aber verzichtet darauf, es nun ihren Vorgängern gleich zu tun. Sie sieht im EU-Beitritt der Rumänen und Bulgaren vielmehr eine Chance, um den eigenen Arbeitsmarkt noch weiter zu konsolidieren. Karel Havlicek von der Assoziation der kleinen und mittleren Unternehmen sagt, weshalb auch er das so sieht:"Ich würde den Beitritt der Rumänen und Bulgaren nicht nur aus der Sicht von einigen hundert Beschäftigten sehen wollen, die im Bereich der typischen Arbeiterberufe hinzukommen werden. Ich sehe vielmehr eine Chance dafür, unseren Arbeitsmarkt mit Angestellten zu beleben, die über eine mittlere Schulbildung oder gar eine Hochschulbildung verfügen. Auf den östlichen Märkten waren in den 70er und 80er Jahren zum Beispiel die Technischen Universitäten auf einem ausgezeichneten Niveau. Es war höher als das von Technischen Universitäten im Westen. Beide Länder verfügen aus dieser Zeit noch über genügend gut ausgebildete Arbeitnehmer, die in großem Maße nun auch für uns von Vorteil sein können."
Auch im neuen Jahr 2007 sind die Verbraucher in Tschechien von einer Erhöhung der Energiepreise nicht verschont geblieben. Der Preis für Elektroenergie zum Beispiel ist um durchschnittlich acht Prozent gestiegen. Dadurch erhöhten sich zwangsläufig auch die Preise für Lebensmittel, und zwar um rund fünf Prozent. Für welche Nahrungsmittel und Rohstoffe man nun in erster Linie mehr zahlen muss, das sagt uns der Präsident der tschechischen Lebensmittelkammer, Jaroslav Camplik:"Für Backwaren, Fleisch und Geflügel. Und selbstverständlich hat die Energiepreiserhöhung auch noch andere Auswirkungen. Für die Herstellung von Biosprit zum Beispiel braucht man in großen Mengen Zucker- und andere Rüben. Sollte es zu einem Mangel an diesen Rohstoffen kommen, dann müssten zukünftig weitere Rüben mit hohem Energieaufwand nachgezüchtet werden."
Hinter die Fassade geschaut
Spätestens beim Kauf der Weihnachtsgeschenke spürt man es in den zurückliegenden Jahren seit der Jahrtausendwende immer deutlicher: Auch in Tschechien konsumieren die Menschen weitaus mehr als in der Zeit davor, leisten sich qualitativ bessere und teuere Waren sowie Reisen und andere Dienstleistungen. Möglich geworden ist das vor allem durch die bis Ende der 90er Jahre vollzogene Privatisierung der einheimischen Großbanken, die ihren Kunden seitdem ein ganzes Netz an Krediten anbieten. Daraus folgt: Auch hierzulande leben inzwischen viele Bürger auf Pump, um sich ihre Wünsche und Träume schneller erfüllen zu können. Doch wie meistern sie Refinanzierung? Sind sie in der Lage, ihre Kredite und Darlehen auch vertragsgemäß zurückzuzahlen? Um diese und andere Fragen beantworten zu können, hat Radio Prag mit Petr Zamecnik, dem Chefredakteur des Internetservers Mesec.cz gesprochen. Mesec heißt im Deutschen nichts anders als Geldbeutel, und mit finanziellen Analysen aller Art befasst sich dann auch diese Internetredaktion. Von Zamecnik erfuhren wir auch sogleich, wie hoch die momentane Verschuldung der tschechischen Haushalte ist:"Die Verschuldung der tschechischen Haushalte beläuft sich derzeit auf mehr als 500 Milliarden Kronen (ca. 19 Milliarden Euro), was bedeutet, dass sie gegenüber dem Jahr 2005 um nahezu 30 Prozent angestiegen ist. Im Vergleich zu den führenden Industrienationen ist diese Verschuldung nicht allzu hoch. Setzen wir die Verschuldung ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, dann gehört Tschechien hierbei sogar zu den besten Ländern in Europa - das heißt, dass die Verschuldung relativ niedrig ist. Das Gleiche trifft auf das Verhältnis zur Höhe des Eigenkapitals zu. Das größte Risiko der Verschuldung der tschechischen Haushalte aber ist der steile Zuwachs."
Dass die Verschuldung in Tschechien jetzt Jahr für Jahr fast sprunghaft zunimmt, kommt jedoch nicht von ungefähr:
"Der wesentliche Grund für den steilen Anstieg ist vor allem auf das vergleichsweise niedrige Ausgangsniveau der Verschuldung der tschechischen Haushalte zurückzuführen. Ein weiterer Grund sind die gestiegenen Reallöhne, die den Haushalten das Tor zu weiteren Krediten öffnen. Besonders Hypotheken sind in letzter Zeit gefragt, da reicher gewordene Familien sich jetzt auch ein schöneres Zuhause schaffen wollen. Um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, nehmen die Klienten Kredite in einem weit höheren Umfang als früher auf."
Nach dem anfangs noch weit verbreitetem Zögern vor hohen und häufigen Krediten, sind die Tschechen nun also mutiger geworden, wenn es darum geht, mittels eines Darlehens den Wohn- und Lebenskomfort zu verbessern. Ja, das hat mittlerweile auch schon dazu geführt, dass einige Haushalte ganz tief in der Kreide stehen:
"Von den tschechischen Haushalten ist ungefähr ein Drittel verschuldet. Das heißt, jeder dritte Haushalt hat einen laufenden Kredit oder andere Zahlungsverpflichtungen, die er begleichen muss. Acht Prozent der Haushalte davon sind überschuldet, also in eine Situation geraten, in der sie momentan kaum in der Lage sind, die Schulden zu tilgen. In Zahlen ausgedrückt: 36.000 Haushalte bezahlen ihre Schulden nicht."
Zumeist sind es jedoch nicht Übermut und Selbstüberschätzung, sondern andere Gründe, die Kreditnehmer in die Schuldenfalle abgleiten lassen:
"Überraschenderweise ist die Aufnahme einer Vielzahl von Krediten, bei denen es der Kreditnehmer dann nicht mehr schafft, diese wie vereinbart zurückzuzahlen, nur ein relativ nebensächlicher Grund für die Überschuldung. Die viel öfter auftretenden Ursachen für die Überschuldung sind der Verlust der Arbeit oder die Trennung vom Ehe- bzw. Lebenspartner. Diese Krisensituationen führen oft dazu, dass die Betroffenen ihre Schulden auf einmal nicht mehr abzahlen können."
Das Kredit- und Zinsgeschäft der Banken hat also seit der Jahrtausendwende auch in Tschechien Fuß gefasst. Die führenden Bankhäuser nutzen dabei mehrere Mechanismen wie spezielle Kredit-Register, um ihre Kunden nach Möglichkeit immer an der Leine zu halten. Und so hoch sich der Gesamtbetrag der Verschuldung der tschechischen Haushalte auch eingangs anhörte, im Vergleich zu den großen Wirtschafts- und Kreditnationen sind die 19 Milliarden Euro nur einen kleiner Klacks, wie uns Petr Zamecnik erläuterte:
"In den Vereinigten Staaten zum Beispiel sind die Haushalte nahezu auf dem Niveau des Bruttoinlandsproduktes verschuldet. Im Vergleich dazu bewegt sich die Verschuldung in Tschechien bei rund einem Drittel des Bruttoinlandsproduktes. Und dabei muss man noch berücksichtigen, dass das jährlich pro Kopf erzielte Bruttoinlandsprodukt in Tschechien noch um einiges niedriger ist als das in den USA."
Angesichts dieser Tatsachen ist sich Petr Zamecnik ziemlich sicher, dass das Geschäft mit Hypotheken, Kreditkarten oder Überziehungskrediten auch in den nächsten Jahren in Tschechien weiter boomen wird:
"Persönlich bin ich der Auffassung, dass dieser Trend noch einige Jahre anhalten wird. Das einzige, was den Prozess der Verschuldung merklich bremsen könnte, wäre eine große Flaute auf dem Immobilienmarkt. Denn dann würde auch die Nachfrage nach Hypotheken deutlich nachlassen. Oder aber das Wirtschaftswachstum des Landes geht auf einmal so drastisch zurück, dass sich die Löhne kaum noch erhöhen. Meine optimistische Prognose sagt mir aber, dass eine solche Krise noch mindestens einige Jahre auf sich warten lässt."