„Ein Erbe des Kommunismus“ – Geologe Hruška über verheerende Flurschäden in Tschechien

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag

Die Hitzewelle in Tschechien ist vorbei – aber die Folgen der Trockenheit, sie werden noch lange zu spüren sein. Darin sind sich die Experten einig. Das hängt auch zusammen mit dem Zustand der Böden in Tschechien. Vor zwei Jahren hatte der Geologe Jakub Hruška (Tschechische Geologische Gesellschaft) auf die immensen Flurschäden hierzulande hingewiesen. Zusammen mit anderen Fachleuten initiierte er eine Petition „zur Erneuerung der tschechischen Kulturlandschaft“. Der Inhalt der Petition ist aktueller denn je, es geht um einen Wandel in der Landwirtschaftspolitik. Im Folgenden ein Gespräch mit Jakub Hruška.

Jakub Hruška  (Foto: YouTube)
Herr Hruška, Sie reden von großen Flurschäden in Tschechien. Wie kann man dies einem Laien am besten erklären? Woran erkennt man diese Schäden?

„Da bestehen viele Aspekte. Um den einfachsten zu nennen, den auch der Laie gut erkennen kann: die Bodenerosion. Das bedeutet den Verlust des Bodens, er wird weggespült. Das ist zum Beispiel zu sehen, wenn sich auf den Straßen selbst bei wenig Regen Haufen von Ackerkrume ansammeln. Und auf den großen Feldern entstehen Rillen durch das abfließende Wasser. Die Erosion der landwirtschaftlichen Böden in Tschechien ist enorm. Aber auch der Wind führt zur Erosion. Wenn die großen Felder austrocknen und der Wind weht, dann wird viel Krume abgetragen – und diese Erosion hat noch größere Folgen als die Erosion durch Wasser. Während die Erosion durch Wasser in ganz Tschechien besteht, ist die durch Wind typisch für die Ebenen, besonders in Südmähren. Ein weiterer, nicht so gut zu erkennender Aspekt ist die Bodenstruktur. Die Böden in Tschechien haben im Vergleich nur sehr wenig organischen Kohlenstoff. Der gelangt durch Naturdünger in die landwirtschaftlichen Böden. Weil aber in Tschechien der Bestand an Rindern auf einen Wert von 20 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 gesunken ist, gibt es immer weniger Naturdünger – und die Böden verlieren an organischem Kohlenstoff. Dieser Kohlenstoff lässt den Boden sozusagen zusammenkleben, das heißt Mineralstoffe, Nährstoffe und daran auch Wasser. Ein Boden mit ausreichend organischem Kohlenstoff hat daher viel mehr Nährstoffe und Wasser.“

„Auf großen Feldern dörrt der Boden schnell aus“

In Tschechien ist gerade eine lange Trockenperiode zu Ende gegangen. In welcher Weise werden die Probleme infolge der Trockenheit noch durch die Flurschäden verstärkt?

„In diesem Zusammenhang macht sich meiner Meinung nach eine Eigenart der tschechischen Landwirtschaft bemerkbar, und zwar dass hierzulande in großen Einheiten gewirtschaftet wird. In den Niederungen in Tschechien kann man Felder sehen, auf denen eine einzige Frucht mehr als 100 Hektar bedeckt. Das macht die Böden ganz besonders anfällig bei Trockenheit. Das heißt, auf den großen Feldern dörrt der Boden noch stärker aus, die Erosion schreitet noch stärker voran und damit sind die Schäden an der Frucht noch größer, wenn das Wetter auch nur ein wenig aus dem Rahmen fällt. Dabei müssen wir angesichts des wohl fortschreitenden Klimawandels gerade mit langen Perioden der Trockenheit rechnen. Daher würde ich sagen, dass die Struktur der Landwirtschaft entscheidend ist.“

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Ist diese Struktur ein Erbe des Kommunismus?

„Ja, das ist zweifellos ein Erbe des Kommunismus. Wir haben hierzulande die Beziehung zur Erde verloren. Die Landwirtschaft ist ein Geschäft geworden wie die Herstellung von Computern oder Autos. Mit einer nachhaltigen Pflege der Landschaft, der Fruchtbarkeit der Böden und der Schönheit des Landes hat dies nichts mehr gemein. Es ist vielmehr ein Geschäft, das zu 100 Prozent von staatlichen Subventionen gestützt wird. Und nicht nur meiner Meinung nach zerstört diese Art der Nutzung unsere Böden auf Jahrzehnte hinaus.“

Was müsste man in der Landschaft ändern, damit die Böden mehr Wasser speichern könnten?

„Auch Feldwege helfen, Wasser zu speichern“

„Da gibt es einige grundlegenden Dinge. Zum einen müsste man die Struktur der Landwirtschaft in der Weise verbessern, dass nicht nur 100 Hektar große Felder einer einzigen Frucht nebeneinanderliegen. Das heißt also wieder Feldraine anlegen, Feuchtgebiete oder auch Feldwege. Man glaubt es kaum, aber auch Feldwege sind ein Element, das dabei hilft, Pflanzen und Lebewesen zu erhalten und letztlich auch Wasser zu speichern. Es sollten außerdem kleine Tümpel und Teiche angelegt und die Feldgröße verkleinert werden. Dies alles ist ein einfaches und bekanntes Rezept, leider besteht überhaupt kein Wille, es anzuwenden.“

Foto: Štěpánka Budková
Wie lange würde es denn dauern, die Landschaft in Tschechien auf diese Weise umzugestalten?

„Die Kommunisten haben etwa zwanzig Jahre gebraucht, um das ursprüngliche Landschaftsmodell mit kleinen Feldern, Feldrainen und Feldwegen in ihr Modell riesiger Ackerflächen umzuwandeln. Ich denke, dass die Rückgestaltung schneller vonstattengehen könnte, denn unsere technischen Möglichkeiten sind besser als jene der 1950er Jahre. Für mich ist das eine Frage des Willens, und das Geld dafür wird sich zweifellos finden lassen.“

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Vor zwei Jahren haben Sie eine Petition mitinitiiert, um die tschechische Kulturlandschaft zu erneuern. Hat die Petition etwas bewirkt?

„Nur sehr wenig. Die Petition wurde von fast 30.000 Menschen unterschrieben. Und wir hatten eine gute Resonanz im Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses, er hat eindeutig zugestimmt. Auf der anderen Seite hat der Ausschuss gesagt, dass die Parlamentarier leider nichts bewegen könnten. Ich glaube indes, dass sie könnten, wenn sie wollten. Aber es hieß, dass die Kompetenzen beim Landwirtschaftsministerium lägen, das Ressort sei für den Zuschnitt der Kulturlandschaft verantwortlich und vor allem für die Subventionen. Beim Landwirtschaftsministerium hatten wir aber keinen Erfolg. Wir wurden dort zwar angehört, das Ministerium hat jedoch keinen unserer Vorschläge umgesetzt.“

Was müsste denn geschehen, damit sich etwas bewegen lassen könnte?

„Es besteht kein Wille, es mit der Agrarlobby aufzunehmen“

„Meine Erfahrung sagt mir, dass es ein gesellschaftliches Interesse an einem Wandel geben müsste. Wenn sich dies zeigt, dann reißen die Politiker sofort das Ruder herum und sind bereit, den Forderungen zu entsprechen. Ich befürchte jedoch, dass derzeit keine allgemeine Forderung danach besteht, etwas in der Landschaft zu ändern. Die Menschen machen sich zwar Sorgen um die Wasserreserven, aber tatsächlich geht es ihnen nur darum, dass weiter Wasser aus dem Wasserhahn fließ. Woher es kommt, das interessiert sie hingegen nur wenig. Die Menschen wünschen auch Straßen. Und wenn sich auf diesen einigermaßen fahren lässt, dann sind ihnen Wege, die querfeldein führen und auf denen man einen Ausflug unternehmen könnte, relativ egal. Deswegen glaube ich, auch wenn das vielleicht hässlich klingt, dass nur eine Serie von Naturkatastrophen vom Typ Trockenheit und Überschwemmungen genügend öffentlichen Druck entstehen lassen würde, damit die Politiker wirklich handeln. Denn andernfalls werden sie die Auseinandersetzung mit der mächtigen Agrarkammer hierzulande und mit der Agrarlobby, die sie auf der anderen Seite ausreichend mit Geld versorgen, immer wieder scheuen.“

Autor: Till Janzer
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